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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Das Vergißmeinnicht-Abzeichen

und die Freimaurerei

- Die wahre Geschichte -

Allgemein dient ein Abzeichen dazu, Mitmenschen einen Rang, einen Dienstgrad, eine erbrachte Leistung oder die Zugehörigkeit zu einer Stadt, Gruppe, Meinung, Stamm, Verein oder einer Organisation zu zeigen. In diesen Funktionsbereich gehören die Anstecknadeln bzw. Pins. Zur Zierde getragen sind sie allerdings nur als Schmuckgegenstand einzuordnen.

Die Großloge "Zur Sonne" gab 1926 die Vergißmeinnicht-Anstecknadel, bestehend aus einer einzelnen Blüte, als Tagungsabzeichen für ihren Großlogentag 1926 in Bremen aus. Das Abzeichen, welches die Porzellanmanufaktur in Selb/Oberfranken herstellte, wurde später noch vereinzelt von ehemaligen Tagungsteilnehmern getragen.

Im "Dritten Reich" war dann allgemein das Tragen eines Abzeichens irgendeiner Gemeinschaft verboten. Die alleinige Nutzung ihrer Symbolfunktion war den Abzeichen der NS-Gliederungen vorbehalten. Bereits im April 1934 verbot die Münchner Polizeidirektion das Tragen von Uniformen und Abzeichen. Dieses wurde mit aller Härte durchgesetzt. Der katholischen Jugendorganisation wurde z. B. untersagt, am Fronleichnam mit ihren Bannern und Wimpeln an den Prozessionen teilzunehmen.

Die letzten Freimaurerlogen wurden 1935 von dem Nazi-Regime geschlossen. Wie kam es nun dazu, daß später die Vergißmeinnicht-Anstecknadel als ein geheimes Abzeichen für die Zugehörigkeit zum Bund der Freimaurer unangefochten getragen werden konnte? Diese Möglichkeit wurde vom Regime ungewollt im Zusammenhang mit dem Winterhilfswerk selbst eröffnet:

Das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes (Abkürzung WHW - von Zeitgenossen später umgedeutet in WaffenHilfsWerk) war eine, in Anlehnung an eine ähnliche Institution zur Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929, am 13. September 1933 zur Entlastung der staatlichen Arbeitslosenfürsorge im Dritten Reich gegründete Stiftung, die vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Goebbels geleitet und von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt e. V. organisatorisch getragen wurde. Sie sollte die sogenannte "Volksgemeinschaft" stärken, den Staat finanziell entlasten und als Nothilfeaktion schnell sichtbare Erfolge bei der Bekämpfung der Folgen von Arbeitslosigkeit und Armut vorweisen. Zur Unterstützung von Arbeitslosen und Bedürftigen wurde ein System von Sammlungen, Spenden, Lohnverzicht und freiwilligen Arbeits- und Dienstleistungen in der Bevölkerung organisiert. Von 1933 bis 1939 kamen so Spenden im Wert von 2,5 Mrd. RM zusammen. Danach wurde das WHW als Kriegswinterhilfswerk zur Linderung der Kriegsfolgen weitergeführt. Die allgegenwärtige Sammeltätigkeit des WHW wirkte finanzpolitsch über Geldabschöpfung preisstabilisierend auf die Warenmärkte ein. Der rechtliche Rahmen wurde mit dem "Gesetz zur Regelung der öffentlichen Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen" (Sammlungsgesetz) vom 5. November 1934 und dem "Gesetz über das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes" vom 1. Dezember 1936 abgesteckt. Die Gesamtzahl der meist ehrenamtlichen ständigen Helfer bei den am Wochenende durchgeführten Sammlungen betrug im Winterhalbjahr 1933/1934 rund 1.500.000 Personen und pendelte sich in den folgenden Jahren auf eine Zahl um 1.200.000 ein. Für die unterschiedlichen Zwecken gewidmeten Geldsammlungen wurden die Straßenzüge systematisch erfasst. Die feinmaschigen Sammelbezirke waren der Struktur der nationalsozialistischen Parteiorganisation angepasst und die Helfer den Blockleitern der NS-Volkswohlfahrt-Organisation unterstellt.

Obwohl die Spenden offiziell immer als absolut freiwillig galten, wurde die Spendenfreudigkeit doch häufig durch mehr oder weniger sanften Druck gefördert, wobei das Tragen der Abzeichen während der Sammlungstage auch einer gewissen Kontrollfunktion diente. Jeder trug also die Anstecknadeln als eine Art öffentlich sichtbaren Ausweis, damit er nicht an der nächsten Straßenecke erneut zum Spenden aufgefordert wurde. Sie waren quasi eine Art Spendenquittungen. Angesteckt blieben die Nadeln häufig bis zum Erscheinen der nächsten Serie.

Die Herstellung der Abzeichen mit den verschiedensten Motiven und Materialien wurde heimischen Handwerksbetrieben übertragen, um damit auch der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Vermutlich wurden die Formen für die Herstellung von unterschiedlichen Firmen und nach nur grober Vorlage gebaut, wobei das Colorieren der Anstecknadeln in Handarbeit erfolgte, was zu vielfältigen Abweichungen im Aussehen führte, jedes Abzeichen war quasi ein Unikat. Da die Anstecknadeln alle Bevölkerungskreise erreichen sollten, waren die Auflagen entsprechend hoch und lagen zwischen 10 und 50 Millionen Stück je Abzeichen. Etwa 8.000 verschiedene Abzeichen, die meist in Serien von fünf bis zwanzig Stück jährlich erschienen, was Sammler und Kinder zum mehrfachen Kauf verlocken sollte, wurden von Oktober 1933 bis März 1943 in unterschiedlichsten Ausführungen und Materialien zu den monatlichen Sammlungen und lokalen Anlässen herausgegeben.

Als Abzeichen zur Sammlung vom 26. und 27. März 1938 hatte das Winterhilfswerk das Thema Frühlingsblumen gewählt. Die Serie aus bemaltem Kunstharz bestand aus 8 Motiven: Stiefmütterchen, Blütenblätter mit gleicher Farbe; Stiefmütterchen, 2 Blütenblätter in anderer Farbe; Rose mit Blatt und Stiel; Rose ohne Blatt und Stiel; Veilchen, Apfelblüte, Vergißmeinnicht; Schneeglöckchen; Vierklee. Hergestellt wurden 22.723.972 Stück an den Herstellungsorten Geislingen, Ober-Ramstadt, München und Karlsruhe. Das Vergißmeinnicht-Abzeichen bestand aus drei Blüten und drei angedeuten Blättern. Diese Edition machten sich die wenigen der Brüder, die damals noch einen Zusammenhalt hatten, sofort in Erinnerung an den Großlogentag 1926 in Bremen zu ihrem geheimen, aber offen getragenen Erkennungszeichen. Es war ja ein amtliches Zeichen vom Winterhilfswerk, das zwar zur nächsten Sammlung wieder abgelegt werden sollte, was dann aber doch mit dem Hinweis, daß es so besonders schön wäre, dennoch weiter getragen werden konnte, aber nicht als offizielles Abzeichen sondern als "Schmuckstück". Die nächste Edition erschien am 5. und 6. November 1938 und ab da hatte das WHW-Vergißmeinnicht in seiner Umwidmung den Charakter eines tatsächlich geheimen Zeichens angenommen.

Nach dem Krieg gibt Theodor Vogel der Geschichte des Vergißmeinnicht-Abzeichens wesentliche Impulse. Theodor Vogel (1901-1977, wurde 1926 in die Schweinfurter Freimaurerloge "Brudertreue am Main" aufgenommen; wirkte als Meister vom Stuhl der "Brudertreue am Main" 1946, als Großmeister der Großloge "Zur Sonne" 1948, der "Vereinigten Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland" 1949, der "Vereinigten Großlogen von Deutschland" 1958; führte mit seiner Arbeit die deutschen Freimaurer in den 50er Jahren wieder in die weltumspannende Bruderkette zurück) erinnerte sich 1948 bei der Einsetzung der Loge "Zum weißen Gold am Kornberg" in Selb, die ihr Konstitutionspatent am 2. April 1948 erhalten hatte, an dieses Vergißmeinnicht-Abzeichen. Da in der Porzellanmanufaktur die Formen des einblütigen Abzeichens von 1926 noch vorhanden waren, ließ er eine größere Menge von diesen "kleinen blauen Blüten" herstellen. In den USA ist es üblich, beim Besuch einer Loge in einem anderen Staat, als Dank für die Gastfreundschaft das Ansteckabzeichen seiner Loge oder Großloge (Siegel) dem Gastgeber zu überreichen. Daher nahm Theodor Vogel die Vergißmeinnicht-Abzeichen 1948 zur Großmeisterkonferenz in die USA und auf seinen weiteren Reisen in Sachen Freimaurerei mit. So wurden viele Brüder im Ausland mit diesem Zeichen bekannt. Man hielt es dadurch bald für das offizielle deutsche Freimaurer-Abzeichen.

Heute wird als inoffizielles Erkennungszeichen eine aus lackiertem Metall hergestellte einzelne Vergißmeinnichtblüte zu Ehren der Brüder getragen, die unter schwierigsten Bedingungen die freimaurerische Flamme in ihren Herzen bewahrt haben. Um aus dieser Erinnerung anzuzeigen, daß sie durch ihre Arbeit Liebe und Einheit unter den Menschen in Europa fördern möchten, haben bei der Logengründung 1997 die Brüder der Freimaurerloge "Zur Morgenlandfahrt" in Brüssel das Vergißmeinnicht als Logenbijou auserwählt.



Quellen:

Geppert, Das Vergißmeinnicht, TAU I/1996, S. 110

Tieste, Spendenbelege des Winterhilfswerkes, Band I und II, Ausgabe 2003, Verlag Reinhard Tieste, Bremen

Joachim Woerner, Brief an den Verfasser vom 22.2.2014 mit WHW-Abzeichen und Telefongespräch vom 5.3.2014

Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Winterhilfswerk, Zugriff am 6.3.2014