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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Goethe als Freimaurer

Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe wurde am 28.8.1749 in Frankfurt/Main geboren. Bereits als 15jähriger bewarb er sich um die Aufnahme in die "Arcadische Gesellschaft in Philandria". Goethe studierte zuerst Jura in Leipzig und legte in Straßburg die Lizentiatenprüfung ab. In Straßburg begeisterte er sich unter dem Einfluß Johann Gottfried Herders, der 1766 in Riga in der Loge "Zum Schwert" in den Freimaurerbund aufgenommen worden war, für Homer, Pindar, Shakespeare, für die gotische Baukunst und für das Volkslied. Er schrieb die Urfassungen des "Faust" und des "Götz von Berlichingen" sowie seine erste große Erlebnislyrik, die Sesenheimer Lieder an Friederike Brion ("Willkommen und Abschied", "Mailied"). In dieser Zeit wurde er zum führenden Dichter des "Sturm u. Drang". Nach Frankfurt zurückgekehrt, war er als Rechtsanwalt tätig. Nach einer Praktikantenzeit in Wetzlar (1772), wo er von der Liebe zu Charlotte Buff ("Lotte") erfaßt wurde, entstand der Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers", der ihm Weltruhm eintrug. In Wetzlar gehörte er der "Rittertafel" und dem "Orden des Überganges " an, beides logenartige Gesellschaften. 1775 berief Karl August, der Herzog von Sachsen-Weimar, Goethe nach Weimar. Hier gewann Goethe von Jahr zu Jahr an Einfluß auf den Fürsten, wurde 1776 Geheimer Rat.

In Weimar war am 26. Mai 1764 die Loge "(Anna) Amalia zu den drei Rosen" gestiftet worden. Die Installation bzw. Lichteinbringung erfolgte am 28. Oktober 1764 mit Patent der "Strikten Observanz" vom 24. Oktober und Matrikel-Nr. 9. Erster Meister vom Stuhl war der Minister von Fritsch. Die Loge "Amalia" gehört mit zu den ältesten deutschen Logen. Sie erhielt ihren Namen "Anna Amalia zu den drei Rosen" nach der damaligen Regentin. Die Herzogin war als Braunschweigerin sehr logenfreundlich. Ihr Bruder, Herzog Ferdinand von Braunschweig, General Friedrichs II., war ein bedeutender Freimaurer. Ihr Onkel, Friedrich der Große, wurde bereits als Kronprinz mit seinem Adjudanten heimlich durch Absalombrüder aus Hamburg in Braunschweig aufgenommen.

Am 7. Januar 1780 kehrten Goethe und Karl August von ihrer zweiten Schweizer Reise zurück, auf der beide den Entschluß gefaßt hatten, sich in den Freimaurerbund aufnehmen zu lassen. Zehn Tage nach der Heimkehr hatte der Dichter eine lange Unterredung mit Johann Joachim Chistoph Bode (1731-1793), und Anfang 1780 reichte Goethe an den Staatsminister und Kabinettschef Freiherrn von Fritsch, dem Meister vom Stuhl, das offizielle Gesuch ein. "Schon lange hatte ich einige Veranlassung zu wünschen, daß ich mit zur Gesellschaft der Freimaurer gehören möchte; dieses Verlangen ist nun auf unserer letzten Reise viel lebhafter geworden. Es hat mir nur an diesem Titel gefehlt, um mit Personen, die ich schätzen lernte, in nähere Verbindung zu treten, und dieses gesellige Gefühl ist es allein, was mich um die Aufnahme nachsuchen läßt." Am 23. Juni 1780 leitete Johann Joachim Christoph Bode die Aufnahmearbeit in der Freimaurer-Loge "Amalia" in Weimar, in der Goethe das Licht der freimaurerischen Welt erhielt. Die Aufnahme vollzog der zugeordnete Meister vom Stuhl, Bode, da zwischen Goethe und von Fritsch Spannungen bestanden.

Für Hamburger Freimaurer ist Bode besonders interessant. Als Sohn armer Eltern wurde er in einem Dorf bei Braunschweig geboren. Als Autodidakt eignete er sich eine umfassende Bildung an. Seinen ersten Lebensunterhalt verdiente er sich als Militärmusiker. Mit 30 Jahren wurde er in die Hamburger Loge "Absalom zu den drei Nesseln" aufgenommen, und in der Matrikel dieser Loge wird er "der freien Künste Beflissener" genannt. Als Übersetzer aus dem Französischen und Spanischen wurde er in der Hansestadt bald weiteren Kreisen bekannt. 1765 wählten ihn die Absalombrüder zum Meister vom Stuhl. Durch seinen Logenbruder Otto Heinrich Knorre, dem hamburgischen Münzmeister, lernte Bode auch Lessing kennen, der 1771 in die Hamburger Loge "Zu den drei Rosen" aufgenommen wurde. Als Lessings und Bodes verlegerische Pläne scheiterten, wurde Bode Privatsekretär und Geschäftsführer der Witwe des dänischen Staatsministers Graf Bernsdorf und zog mit ihr 1778 nach Weimar um.

Am 23. Juni 1781 wurde Goethe zusammen mit dem damals berühmten Anatomie Pofessor Loderer von der Universität Jena zum Gesellen befördert. Bevor Karl August seinen Entschluß in die Tat umsetzte, vergingen zwei Jahre. Am 5. Februar 1782 wurde er im Beisein vieler fürstlicher Freimaurer feierlich durch von Fritsch aufgenommen und schon am 2. März in den Gesellengrad befördert und anschließend am selben Abend zusammen mit Goethe in den Meistergrad erhoben. Bereits am 10. Dezember 1782 wurde Goethe in den "Inneren Orden" der Strikten Observanz aufgenommen.

Die Loge "Amalia" stellte allerdings kurz nach seiner Erhebung am 24. Juni 1782 bis zu ihrer erneuten Installation am 24.10.1808 die Arbeiten ein. Dies stand im Zusammenhang mit dem Verfall der "Strikten Observanz" und ihres Tempelherrensystems. Ebenfalls im Jahre 1782 wurde Goethe Präsident der Finanzkammer und vom Kaiser geadelt. Bereits 1776 wurde der "Illuminaten-Orden" von Adam Weishaupt, Professor für Kanonisches Recht an der Universität in Ingolstadt, gegründet. Nach den Vorstellungen des Gründers sollte dieser Geheimorden nach dem organisatorischen Vorbild des Jesuitenordens eine geheime Weisheitsschule sein, in der die besten jungen Akademiker unbehindert von den traditionellen Fesseln alles lernen sollten, was die Priester von den Lehrstühlen verbannt hatten. Bode, der am Rande des Wilhelmsbader Konvent 1782 für den Illuminaten-Orden geworben und dort bereits im Januar 1783 zum "Schottischen Ritter" (letzter Illuminatengrad vor den sogenannten "Mysterien" des Bundes) befördert worden war, sorgte nun für die Aufnahme Goethes am 11. Februar 1783 in diesen Orden. Goethe, der dort den Ordensnamen "Abaris" führte, erlangte rasch höhere Grade und war in der Folge an sämtlichen Verhandlungen und Entscheidungen des Ordens beteiligt.

Durch die amtlichen Verpflichtungen fühlte Goethe sich bald als Dichter eingeengt. So entzog er sich den Verpflichtungen von 1786-88 durch eine Italien-Reise. Hier wurden der "Egmont" beendet, die Prosafassung der "Iphigenie" in Blankverse umgearbeitet und "Torquato Tasso" sowie die "Römischen Elegien" entworfen. Wieder in Weimar, lernte er 1788 Christiane Vulpius, seine spätere Frau, kennen, die er aber erst nach langem Zusammenleben 1806 heiratete. Es entstanden die "Metamorphose der Pflanzen" und die ersten Arbeiten zur "Farbenlehre". Weitere Reisen sowie das Erlebnis der Französischen Revolution brachten derart viel Unruhe, daß Goethe die Einsamkeit suchte. Erst die Freundschaft mit Schiller (seit 1794), der an der Universität Jena lehrte, gab neuen Auftrieb. Während Schiller an seinen späten Dramen arbeitete, gab Goethe seinem Erziehungsroman "Wilhelm Meister" die Endfassung. 1797 ließ er "Hermann u. Dorothea" erscheinen. Seine Hauptarbeit aber war der "Faust", dessen erster Teil 1806 beendet und in der ersten Gesamtausgabe der Werke bei Cotta (12 Bde. 1806-10) veröffentlicht wurde.

1809 wirkte Goethe bei den Aufnahmen des Kanzlers von Müller und, einen Monat später, Wielands in den Freimaurer-Bund mit. Als 1813 der Dichter des "Oberon", Wieland, starb, trat Goethe an den im Tempel errichteten Katafalk, um die berühmtgewordene Gedächtnisrede "zu brüderlichem Andenken Wielands" zu halten, in der er den Satz über die Freimaurerei prägte: "Wenn dieser altgegründete und nach manchem Zeitwechsel oft wieder hergestellte Bund eines Zeugnisses bedürfte, so würde hier das vollkommenste bereit sein, indem ein talentreicher Mann, verständig, vorsichtig, umsichtig, erfahren, wohldenkend und mäßig, sich bei uns in einer Gesellschaft fühlte, die er, der besten gewohnt, als Vollendung seiner menschlichen und geselligen Wünsche so gern anerkannte". Stärksten Eindruck machte auf Goethe die Meistererhebung des Obersten Geismar, der Weimar vor einem französischen Überfall bewahrt hatte. Nach dieser Feier entstand wohl das Tiefste, was jemals in poetischer Form über Freimaurerei gesagt wurde, das "Symbolum", jenes Gedicht, in dem Goethe das ganze Wesen der maurerischen Symbolik, das Wandern des Maurers durch die verschiedenen Grade als Abbild des höheren geistigen Menschenlebens schilderte. Goethe veranlaßte 1815 auch die Aufnahme seines Sohnes August in den Bund. Aus der eigenen Lebensrückschau gingen "Dichtung und Wahrheit", die "Italienische Reise" hervor. Das dichterische Spätwerk ist "Faust II". Auch der "Meister"-Roman wurde in "Wilhelm Meisters Wanderjahre" fortgeführt. Als Goethe am 22.3.1832 in Weimar starb, war damit auch die Zeit der deutschen Klassik, die "Goethe-Zeit", vorüber.

Am 8. November 1832 wurde "zum ruhmreichen Gedächtnis ihres in den ewigen Osten eingegangenen hochverehrten und geliebten Bruders Johann Wolfgang von Goethe" die Trauerloge abgehalten. Kanzler Friedrich von Müller, bei dessen Aufnahme der große Tote 1809 mitgewirkt hatte, hielt die Gedächtnisrede, die er mit den Worten schloß, die Goethe einst am Grabe der Herzogin Amalia gesprochen hatte:

"Das ist der Vorzug edler Naturen, daß ihr Hinscheiden in höhere Regionen segnend wirkt, wie ihr Verweilen auf der Erde, daß sie uns von dorther gleich Sternen entgegenleuchten, als Richtpunkte, wohin wir unsern Lauf bei einer nur zu of durch Sturm unterbrochenen Fahrt zu lenken haben, daß diejenigen, zu denen wir uns als zu Wohlwollenden und Hilfreichen im Leben hinwendeten, nun die sehnsuchtsvollen Blicke nach sich ziehen, als Vollendete, Selige."

Goethes Lebensphilosophie

Goethes Aussagen zur Religion hat aus Zitaten 1899 Wilhelm Bode (geb. 1862 Hornhausen bei Oschersleben - gest. 1922 in Weimar; wahrscheinlich populärster Goetheforscher um die vorletzte Jahrhundertwende; lebte mit seiner Frau Anna in Weimar) unter dem Titel "Meine Religion - vertrauliche Rede" eindrucksvoll zusammengestellt. Aus Wilhelm Bodes Buch "Goethes Lebenskunst" seien dem interessierten Leser die letzten drei Kapitel, Das Schaffen - Das Lernen - Kampf und Glück, ebenfalls hier angeboten. Hinweise auf Goethes Verhältnis zur Transzendenz lassen sich u. a. auch aus seinem Gedicht "Gesang der Geister über den Wassern" entnehmen.


Goethes maurerische Werke ausschließlich maurerischen Inhalts oder für maurerische Anlässe gedichtet:

1: Reden
  • Rede zum brüderlichen Andenken Wielands, von Goethe selbst bei der Trauerfeier am 18. Februar 1830 vorgetragen.
  • Einleitung zu den Trauerreden aus Anlaß des Ablebens des Meisters vom Stuhl Ridel 1821.
2. Gedichte, in den meisten Gedichtsammlungen unter dem Titel "Loge" zusammengefaßt.
  • Bundeslied: "In allen guten Stunden", entstanden 1775.
  • Symbolum: "Des Maurers Handeln", Entstehungsdatum unbekannt.
  • Dank des Sängers: "Vom Sänger hat man viel erzählt", 1815.
  • Verschwiegenheit: "Wenn die Liebste zum Erwidern", 1816.
  • Trauerloge: "An dem öden Strand des Lebens".
  • Gegentoast der Schwestern: "Unseren Dank und wenn auch trutzig." Zum 24. Oktober 1820, dem Amalienfeste, vorgetragen von August von Goethe.
  • Zur Logenfeier am 3. September 1825 (50 jähriges Regierungsjubiläum Karl Augusts): "Einmal nur in unserem Leben"; "Laßt fahren hin das Allzuflüchtige"; "Nun auf und laßt verlauten".
  • Spruch: "Zum Beginnen, zum Vollenden" mit einer Handzeichnung, datiert Weimar, März 1826
  • Dem würdigen Bruderfeste: "Fünfzig Jahre sind vorüber", datiert Johanni 1830 als poetischer Dank für die Überreichung einer Ehrenurkunde aus Anlaß seines Fünfzigjährigen Maurerjubiläums.
3. Werke mit freimaurerischen Anklängen:
  • Wilhelm Meisters "Lehrbrief" in den "Lehrjahren", dann in den "Wanderjahren" (Link: Lehrbrief im PDF-Format zum Ausdrucken als Schmuckblatt).
  • "Das Märchen" mit freimaurerischer Symbolik.
  • "Der Zauberflöte zweiter Teil": Fortsetzung zu Schikaneders "Zauberflöte" 1795-1798. Möglicherweise war das Erscheinen von Peter von Winters Oper "Das Labyrinth, 2. Teil der Zauberflöte" (1798) ein Grund, weshalb Goethe die Arbeit abbrach und nicht mehr vollendete. Zwei Hauptszenen des Fragments sind die Eröffnungsszene mit der Mitteilung des Kindesraubes sowie die Schilderung von der Befreiung des Genius, die wie eine Vorstudie für die Euphorion-Szene in "Faust II." anmutet.
  • "Die Geheimnisse", in denen Humanus als Hohepriester der Humanität erscheint und die Versöhnung von Antike und Christentum gefeiert wird.
  • "Großkophta" mit der Kritik an den Verirrungen der Freimaurerei in Goethes Zeit.




Symbolum

Des Maurers Wandeln,
Es gleicht dem Leben,
Und sein Bestreben,
Es gleicht dem Handeln
Der Menschen auf Erden.

Die Zukunft decket
Schmerzen und Glücke
Schrittweis dem Blicke;
Doch ungeschrecket
Dringen wir vorwärts

Und schwer und ferne
Hängt eine Hülle,
Mit Ehrfurcht, stille
Ruhn oben die Sterne
Und unten die Gräber.

Betracht' sie genauer
Und siehe, so melden
Im Busen der Helden
Sich wandelnde Schauer
Und ernste Gefühle.

Doch rufen von drüben
Die Stimmen der Geister,
Die Stimmen der Meister:
Versäumt nicht zu üben,
Die Kräfte des Guten!

Hier winden sich Kronen
In ewiger Stille,
Die sollen mit Fülle
Die Tätigen lohnen!
Wir heißen euch hoffen.




Verschwiegenheit

Wenn die Liebeste zum Erwidern
Blick auf Liebesblicke beut,
Singt ein Dichter gern in Liedern,
Wie ein solches Glück erfreut!
Aber Schweigen bringet Fülle
Reicheren Vertrauns zurück;
Leise, leise! Stille, stille!
Das ist erst das wahre Glück.

Wenn den Krieger wild Getöse,
Tromm'l und Pauken aufgeregt,
Er den Feind in aller Blöße
Schmetternd über Länder schlägt,
Nimmt er wegen Siegsverheerung
Gern den Ruhm, den lauten, an,
Wenn verheimlichte Verehrung
Seiner Wohltat wohlgetan.

Heil uns! Wir verbundne Brüder
Wissen doch, was keiner weiß;
Ja, sogar bekannte Lieder
Hüllen sich in unsern Kreis.
Niemand soll und wird es schauen,
Was einander wir vertraut;
Denn auf Schweigen und Vertrauen
Ist der Tempel aufgebaut.




Gegentoast der Schwestern.

Zum 24. Oktober 1820,
dem Stiftungs- und Amalienfeste.

Unser Dank, und wenn auch trutzig,
Grüßend alle lieben Gäste,
Mache keinen Frohen stutzig;
Denn wir feiern eure Feste.

Sollten aber wir, die Frauen,
Dankbar solche Brüder preisen,
Die, ins Innere zu schauen,
Immer uns zur Seite weisen?

Doch Amalien, der heren,
die auch euch verklärt erscheinet,
Sprechend, singend ihr zu Ehren
Sind wir doch mit euch vereinet.

Und indem wir eure Lieder
Denken keineswegs zu stören,
Fragen alle sich die Brüder,
Was sie ohne Schwestern wären.




Trauerloge

An dem öden Strand des Lebens,
Wo sich Dün' auf Düne häuft,
Wo der Sturm im Finstern träuft,
Setze dir ein Ziel dies Strebens!
Unter schon verloschnen Siegeln
Tausend Väter hingestreckt,
Ach! von neuen, frischen Hügeln
Freund an Freunden überdeckt.

Hast du so dich abgefunden,
Werde Nacht und Äther klar,
Und der ew'gen Sterne Schar
Deute dir belebte Stunden,
Wo du hier mit Ungetrübten,
Treulich wirkend, gern verweilst
Und auch treulich den geliebten
Ewigen entgegen eilst.




Dank des Sängers

Von den Sängern hat man viel erzählt,
Die in ein Schloß gekommen,
Wo nichts ermangelt, nichts gefehlt,
Sie haben Platz genommen.
Doch war wo, irgendwo ein Platz,
Vergleichbar diesem Brüderschatz,
Wo auch ich Platz genommen?

Ihr fraget nicht, woher ich sei,
Wir alle sind von oben;
Doch singend wird der Freie frei
Und darf die Brüder loben.
Die Brust entlöse der Gesang!
Was außen eng, was außen bang,
Uns macht es nicht beklommen.

So hab' ich euch denn schon den Dank,
Den ich gedacht, erwiesen
Und euch mit Tönen rein und schlank
Als Würdige gepriesen.
Was bleibet übrig als der Schall,
Den wir so gerne hören,
Wenn überall, allüberall
Im stillen wir uns vermehren.




Zur Logenfeier des 3. Septembers 1825.

Einleitung.

Einmal nur in unserm Leben,
Was auch sonst begnen mag,
Ist das höchste Glück gegeben,
Einmal feiert solchen Tag!

Einen Tag, der froh erglänzend,
Bunten Schmucks der Nacht entsteigt,
Sich gesellig nun bekränzend
Segenvoll zum Berge neigt.

Darum öffnet eure Pforten,
laßt Vertrauteste herein;
heute soll an allen Orten
Liebe nah der Liebe sein!


Zwischengesang.

Laßt fahren hin das Allzuflüchtige!
Ihr sucht bei ihm vergebens Rat;
In dem Vergangnen lebt das Tüchtige,
Verewigt sich in schöner Tat.

Und so gewinnt sich das Lebendige
Durch Folg' aus Folge neue Kraft;
Denn die Gesinnung, die beständige,
Sie macht allein den Menschen dauerhaft.

So löst sich jene große Frage
Nach unserm zweiten Vaterland;
Denn das Beständige der ird'schen Tage
Verbürgt uns ewigen Bestand.


Schlußgesang

Nun auf und laßt verlauten,
Ihr brüderlich Vertrauten,
Wie ihr geheim verehret,
Nach außen sei's gekehret!
Nicht mehr in Sälen
Verhalle der Sang.

Und jubelnd übermaßen
Durchziehet neue Straßen!
Wo wir ins Leere schauten,
Erscheinen edle Bauten,
Und Kranz an Kränzen
Die Reihen entlang.

So äußeres Gebäude
Verkündet innre Freude;
Der Schule Raum erheitert,
Zu lichtem Saal erweitert;
Die Kinder scheuen
Nicht Moder noch Zwang.

Nun in die luft'gen Räume!
Wer pflanzte diese Bäume,
Ihr kinderfrohen Gatten?
Er pflegte diese Schatten,
Und Wälder umgrünen
Die Hügel entlang.

Die Plage zu vergessen,
Das Gute zu ermessen,
So aufgeregt als treulich,
So treusam wie erfreulich,
Stimmet zusammen
In herzlichem Sang!

Wieviel er ausgespendet,
Auch weit und breit vollendet,
Die Unzahl sich verbündet,
Unsäglich Glück gegründet,
Das wiederholet
Das Leben entlang!




Aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, 7. Buch 9. Kapitel:

Lehrbrief

Die Kunst ist lang, das Leben kurz, das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig.

Handeln ist leicht, Denken schwer; nach dem Gedanken handeln unbequem.

Aller Anfang ist heiter, die Schwelle ist der Platz der Erwartung.

Der Knabe staunt, der Eindruck bestimmt ihn, er lernt spielend,
der Ernst überrascht ihn.

Die Nachahmung ist uns angeboren, der Nachzuahmende wird nicht leicht erkannt.
Selten wird das Treffliche gefunden, seltner geschätzt.

Die Höhe reizt uns, nicht die Stufen; den Gipfel im Auge,
wandeln wir gerne auf der Ebene.

Nur ein Teil der Kunst kann gelehrt werden, der Künstler braucht sie ganz.
Wer sie halb kennt, ist immer irre und redet viel;
wer sie ganz besitzt, mag nur tun und redet selten oder spät.

Jene haben keine Geheimnisse und keine Kraft,
ihre Lehre ist wie gebackenes Brot schmackhaft und sättigend für einen Tag;
aber Mehl kann man nicht säen, und die Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden.

Die Worte sind gut, sie sind aber nicht das Beste.
Das Beste wird nicht deutlich durch Worte.

Der Geist, aus dem wir handeln, ist das Höchste.
Die Handlung wird nur vom Geiste begriffen und wieder dargestellt.

Niemand weiß, was er tut, wenn er recht handelt;
aber des Unrechten sind wir uns immer bewußt.

Wer bloß mit Zeichen wirkt, ist ein Pedant, ein Heuchler oder Pfuscher.
Es sind ihrer viel, und es wird ihnen wohl zusammen. Ihr Geschwätz hält den
Schüler zurück, und ihre beharrliche Mittelmäßigkeit ängstigt die Besten.

Des echten Künstlers Lehre schließt den Sinn auf; denn wo die Worte fehlen,
spricht die Tat. Der echte Schüler lernt aus dem Bekannten das Unbekannte
entwickeln und nähert sich dem Meister.




Die Geheimnisse

(Ein Fragment)

Eine wunderbares Lied ist euch bereitet;
Vernehmt es gern und jeden ruft herbei!
Durch Berg' und Täler ist der Weg geleitet;
Hier ist der Blick beschränkt, dort wieder frei,
Und wenn der Pfad sacht in die Büsche gleitet,
So denket nicht, daß es ein Irrtum sei;
Wir wollen doch, wenn wir genug geklommen,
Zur rechten Zeit dem Ziele näher kommen.

Doch glaube keiner, daß mit allem Sinnen
Das ganze Lied er je enträtseln werde:
Gar viele müssen vieles hier gewinnen,
Gar manche Blüten bringt die Mutter Erde;
Der eine flieht mit düsterm Blick von hinnen,
Der andre weilt mit fröhlicher Gebärde:
Ein jeder soll nach seiner Lust genießen,
Für manchen Wandrer soll die Quelle fließen.

Ermüdet von des Tages langer Reise,
Die auf erhabnen Antrieb er getan,
An einem Stab nach frommer Wandrer Weise
Kam Bruder Markus, außer Steg und Bahn,
Verlangend nach geringem Trank und Speise,
In einem Tal am schönen Abend an,
Voll Hoffnung, in den waldbewachs'nen Gründen
Ein gastfrei Dach für diese Nacht zu finden.

Am steilen Berge, der nun vor ihm stehet,
Glaubt er die Spuren eines Wegs zu sehn,
Er folgt dem Pfade, der in Krümmen gehet,
Und muß sich steigend um die Felsen drehen;
Bald sieht er sich hoch über's Tal erhöhet,
Die Sonne scheint ihm wieder freundlich schön,
Und bald sieht er mit innigem Vergnügen
Den Gipfel nah vor seinen Augen liegen.

Und neben hin die Sonne, die im Neigen
Noch prachtvoll zwischen dunklen Wolken thront;
Er sammelt Kraft die Höhe zu ersteigen,
Dort hofft er seine Mühe bald belohnt.
Nun, spricht er zu sich selbst, nun muß sich zeigen,
Ob etwas Menschlichs in der Nähe wohnt!
Er steigt und horcht und ist wie neugeboren:
Ein Glockenklang erschallt in seine Ohren.

Und wie er nun den Gipfel ganz erstiegen,
Sieht er ein nahes, sanft geschwungenes Tal.
Sein stilles Auge leuchtet vor Vergnügen;
Denn vor dem Walde sieht er auf einmal
In grüner Au ein schön Gebäude liegen,
Soeben trifft's der letzte Sonnenstrahl:
Er eilt durch Wiesen, die der Tau befeuchtet,
Dem Kloster zu, das ihm entgegenleuchtet.

Schon sieht er dicht sich vor dem stillen Orte,
Der seinen Geist mit Ruh und Hoffnung füllt,
Und auf dem Bogen der geschloss'nen Pforte
Erblickt er ein geheimnisvolles Bild.
Er steht und sinnt und lispelt leise Worte
Der Andacht, die in seinem Herzen quillt,
Er steht und sinnt, was hat das zu bedeuten?
Die Sonne sinkt und es verklingt das Läuten!

Das Zeichen sieht er prächtig aufgerichtet,
Das aller Welt zu Trost und Hoffnung steht,
Zu dem viel tausend Geister sich verpflichtet,
Zu dem viel tausend Herzen warm gefleht,
Das die Gewalt des bittern Tods vernichtet,
Das in so mancher Siegesfahne weht:
Ein Labequell durchdringt die matten Glieder,
Er sieht das Kreuz und schlägt die Augen nieder.

Er fühlet neu, was dort für Heil entsprungen,
Den Glauben fühlt er einer halben Welt;
Doch von ganz neuem Sinn wird er durchdrungen,
Wie sich das Bild ihm hier vor Augen stellt:
Er sieht das Kreuz mit Rosen dicht umschlungen.
Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?
Es schwillt der Kranz, um recht von allen Seiten
Das schroffe Holz mit Weichheit zu begleiten.

Und leichte Silber-Himmelswolken schweben,
Mit Kreuz und Rosen sich empor zu schwingen,
Und aus der Mitte quillt ein heilig Leben
Dreifacher Strahlen, die aus Einem Punkte dringen;
Von feinen Worten ist das Bild umgeben,
Die dem Geheimnis Sinn und Klarheit bringen.
Im Dämmerschein, der immer tiefer grauet,
Steht er und sinnt und fühlet sich erbauet.

Er klopft zuletzt, als schon die hohen Sterne
Ihr helles Auge zu ihm nieder wenden.
Das Tor geht auf und man empfängt ihn gerne
Mit offnen Armen, mit bereiten Händen.
Er sagt, woher er sei, von welcher Ferne
Ihn die Befehle höh'rer Wesen senden.
Man horcht und staunt. Wie man den Unbekannten
Als Gast geehrt, ehrt man nun den Gesandten.

Ein jeder drängt sich zu, um auch zu hören,
Und ist bewegt von heimlicher Gewalt,
Kein Odem wagt den seltnen Gast zu stören,
Da jedes Wort im Herzen widerhallt.
Was wer erzählet, wirkt wie tiefe Lehren
Der Weisheit, die von Kinderlippen schallt:
An Offenheit, an Unschuld der Gebärde
Scheint er ein Mensch von einer anderen Erde.

Willkommen, ruft zuletzt ein Greis, willkommen,
Wenn deine Sendung Trost und Hoffnung trägt!
Du siehst uns an; wir alle sthen beklommen,
Obgleich dein Anblick unsre Seele regt:
Das schönste Glück, ach! wird uns weggenommen,
Von Sorgen sind wir und von Furcht bewegt.
Zur wicht'gen Stunde nehmen unsre Mauern
Dich Fremden auf, um auch mit uns zu trauern:

Denn ach, der Mann, der alle hier verbündet,
Den wir als Vater, Freund und Führer kennen,
Der Licht und Mut dem Leben angezündet,
In wenig Zeit wird er sich von uns trennen,
Er hat es erst vor kurzem selbst verkündet;
Doch will er weder Art noch Stunde nennen:
Und so ist uns sein ganz gewisses Scheiden
Geheimnisvoll und voller bittren Leiden.

Du siehest alle hier mit grauen Haaren,
Wie die Natur uns selbst zur Ruhe wies:
Wir nahmen keinen auf, den jung an Jahren,
Sein Herz der Welt zu früh entsagen hieß.
Nachdem wir Lebens Lust und Last erfahren,
Der Wind nicht mehr in unsre Segel blies,
War uns erlaubt, mit Ehren hier zu landen,
Getrost, daß wir den sichern Hafen fanden.

Dem edlen Manne, der uns hergeleitet,
Wohnt Friede Gottes in der Brust;
Ich hab' ihn auf des Lebens Pfad begleitet,
Und bin mir alter Zeiten wohl bewußt;
Die Stunden, da er einsam sich bereitet,
Verkünden uns den nahenden Verlust.
Was ist der Mensch, warum kann er sein Leben
Umsonst, und nicht für einen Bessern geben?

Dies wäre nun mein einziges Verlangen:
Warum muß ich des Wunsches mich entschlagen?
Wie viele sind schon vor mir hingegangen!
Nur ihn muß ich am bittersten beklagen.
Wie hätt' er sonst so freundlich dich empfangen!
Allein er hat das Haus uns übertragen;
Zwar keinen noch zum Folger sich ernennet,
Doch lebt er schon im Geist von uns getrennet.

Und kommt nur täglich eine kleine Stunde,
Erzählet, und ist mehr als sonst gerührt:
Wir hören dann aus seinem eignen Munde,
Wie wunderbar die Vorsicht ihn geführt;
Wir merken auf, damit die sichre Kunde
Im Kleinsten auch die Nachwelt nicht verliert;
Auch sorgen wir, daß einer fleißig schreibe,
Und sein Gedächtnis rein und wahrhaft bleibe.

Zwar vieles wollt' ich lieber selbst erzählen,
Als ich jetzt nur zu hören stille bin;
Der kleinste Umstand sollte mir nicht fehlen,
Noch hab' ich alles lebhaft in dem Sinn;
Ich höre zu und kann es kaum verhehlen,
Daß ich nicht stets damit zufrieden bin:
Sprech' ich einmal von allen diesen Dingen,
Sie sollen prächtiger aus meinem Munde klingen.

Als dritter Mann erzählt' ich mehr und freier,
Wie ihn ein Geist der Mutter früh verhieß,
Und wie ein Stern bei seiner Taufe-Feier
Sich glänzender am Abend-Himmel wies,
Und wie mit weiten Fittichen ein Geier
Im Hofe sich bei Tauben niederließ;
Nicht grimmigstoßend und wie sonst zu schaden,
Er schien sie sanft zur Einigkeit zu laden.

Dann hat er uns bescheidentlich verschwiegen,
Wie er als Kind die Otter überwand,
Die er um seiner Schwester Arm sich schmiegen,
Um die entschlafne fest gewunden fand.
Die Amme floh und ließ den Säugling liegen;
Er drosselte den Wurm mit sichrer Hand:
Die Mutter kam und sah mit Freudebeben
Des Sohnes Taten und der Tochter Leben.

Und so verschwieg er auch, daß eine Quelle
Vor seinem Schwert aus trocknem Felsen sprang,
Stark wie ein Bach, sich mit bewegter Welle
Den Berg hinab bis in die Tiefe schlang:
Noch quillt sie fort so rasch, so silberhelle,
Als sie zuerst sich ihm entgegen drang,
Und die Gefährten, die das Wunder schauten,
Den heißen Durst zu stillen kaum getrauten.

Wenn es einen Menschen die Natur erhoben,
ist es kein Wunder, wenn ihm viel gelingt;
Man muß in ihm die Macht des Schöpfers loben,
Der schwachen Ton zu solcher Ehre bringt:
Doch wenn ein Mann von allen Lebensproben
Die sauerste besteht, sich selbst bezwingt,
Dann kann man ihn mit Freuden andern zeigen,
Und sagen: Das ist er, das ist sein eigen!

Denn alle Kraft dringt vorwärts in die Weite,
Zu leben und zu wirken hier und dort;
Dagegen engt und hemmt von jeder Seite
Der Strom der Welt und reißt uns mit sich fort:
In diesem innern Sturm und äußern Streite
Vernimmt der Geist ein schwer verstanden Wort:
Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,
Befreit der Mensch sich, der sich überwindet.

Wie frühe war es, daß sein Herz ihn lehrte,
Was ich bei ihm kaum Tugend nennen darf;
Daß er des Vaters strenges Wort verehrte,
Und willig war, wenn jener rauh und scharf
Der Jugend freie Zeit mit Dienst beschwerte,
Dem sich der Sohn mit Freuden unterwarf,
Wie, elternlos und irrend, wohl ein Knabe
Aus Not es tut um eine kleine Gabe.

Die Streiter mußt' er in das Feld begleiten,
Zuerst zu Fuß bei Sturm und Sonnenschein,
Die Pferde warten, und den Tisch bereiten,
Und jedem alten Krieger dienstbar sein.
Gern und geschwind lief er zu allen Zeiten
Bei Tag und Nacht als Bote durch den Hain;
Und so gewohnt für andre nur zu leben,
Schien Mühe nur ihm Fröhlichkeit zu geben.

Wie er im Streit mit kühnem munterm Wesen
Die Pfleile las, die er am Boden fand,
Eilt' er hernach, die Kräuter selbst zu lesen,
Mit denen er Verwundete verband:
Was er berührte, mußte gleich genesen,
Es freute sich der Kranke seiner Hand:
Wer wollt' ihn nicht mit Fröhlichkeit betrachten!
Und nur der Vater schien nicht sein zu achten.

Leicht wie ein segelnd Schiff, das keine Schwere
Der Ladung fühlt und eilt von Port zu Port,
Trug er die Last der elterlichen Lehre;
Gehorsam war ihr erst- und letztes Wort;
Und wie den Knaben Lust, den Jüngling Ehre,
So zog ihn nur der fremde Wille fort;
Der Vater sann umsonst auf neue Proben,
Und wenn er fordern wollte, mußt' er loben.

Zuletzt gab sich auch dieser überwunden,
Bekannte tätig seines Sohnes Wert;
Die Rauhigkeit des Alten war verschwunden,
Er schenkt' auf einmal ihm ein köstlich Pferd;
Der Jüngling ward vom kleinen Dienst entbunden,
Erführte statt des kurzen Dolchs ein Schwert:
Und so trat er geprüft in einen Orden,
Zu dem er durch Geburt berechtigt worden.

So könnt' ich dir noch tagelang berichten,
Was jeden Hörer in Erstaunen setzt;
Sein Leben wird den köstlichen Geschichten
Gewiß dereinst von Enkeln gleich gesetzt;
Was dem Gemüt in Fabeln und Gedichten
Unglaublich scheint und es doch hoch ergetzt,
Vernimmt es hier und mag sich gern bequemen,
Zwiefach erfreut für wahr es anzunehmen.

Und fragst du mich, wie der Erwählte heiße,
Den sich das Aug' der Vorsicht ausersah?
Den ich zwar oft, doch nie genugsam preise,
An dem so viel Unglaubliches geschah?
H u m a n u s heißt der Heilige, der Weise,
Der Beste Mann, den ich mit Augen sah:
Und sein Geschlecht, wie es die Fürsten nennen,
Sollst du zugleich mit seinen Ahnen kennen.

Der Alte sprachs's und hätte mehr gesprochen,
Denn er war ganz der Wunderdinge voll,
Und wir ergetzen uns noch manche Wochen
An allem, was er uns erzählen soll;
Doch eben ward sein Reden unterbrochen,
Als gegen seinen Gast das Herz am stärksten quoll.
Die andern Brüder gingen bald und kamen,
Bis sie das Wort ihm von dem Munde nahmen.

Und da nun Markus noch genoss'nem Mahle
Dem Herrn und seinen Wirten sich geneigt,
Erbat er sich noch eine reine Schale
Voll Wasser, und auch die ward ihm gereicht.
Dann führten sie ihn zu dem großen Saale,
Worin sich ihm ein seltner Anblick zeigt.
Was er dort sah, soll nicht verborgen bleiben,
Ich will es euch gewissenhaft beschreiben.

Kein Schmuck war hier, die Augen zu verblenden,
Ein kühnes Kreuzgewölbe stieg empor,
Und dreizehn Stühle sah er an den Wänden
Umher geordnet, wie um frommen Chor,
Gar zierlich ausgeschnitzt von klugen Händen;
Es stand ein kleiner Punkt an jedem vor.
Man fühlte hier der Andacht sich ergeben,
Und Lebensruh' und ein gesellig Leben.

Zu Häupten sah er dreizehn Schilde hangen,
Denn jedem Stuhl war eines zugezählt.
Sie schienen hier nicht ahnenstolz zu prangen,
Ein jedes schien bedeutend und gewählt,
Und Bruder Markus brannte vor Verlangen
Zu wissen, was so manches Bild verhehlt;
Im mittelsten erblickt er jenes Zeichen
Zum zweitenmal, ein Kreuz mit Rosenzweigen.

Die Seele kann sich hier gar vieles bilden,
Ein Gegenstand zieht von dem andern fort;
Und Helme hängen über manchen Schilden,
Auch Schwert und Lanze sieht man hier und dort;
Die Waffen, wie man sie von Schlachtgefilden
Auflesen kann, verzieren diesen Ort:
Hier Fahnen und Gewehre fremder Lande,
Und, seh' ich recht, auch Ketten dort und Bande.

Ein jeder sinkt vor seinem Stuhle nieder,
Schlägt auf die Brust in still Gebet gekehrt;
Von ihren Lippen tönen kurze Lieder,
In denen sich andächt'ge Freude nährt;
Dann segnen sich die treu verbundnen Brüder
Zum kurzen Schlaf, den Phantasie nicht stört:
Nur Markus bleibt, indem die andern gehen,
Mit einigen im Saale schauend stehen.

So müd' er ist, wünscht er noch fort zu wachen,
Denn kräftig reizt ihn manch und manches Bild:
Hier sieht er einen feuerfarbnen Drachen,
Der seinen Durst in wilden Flammen stillt;
Hier einen Arm in eines Bären Rachen,
Von dem das Blut in heißen Strömen quillt;
Die beiden Schilder hingen, gleicher Weite,
Beim Rosenkreuz zur recht- und linken Seite.

Du kommst hierher auf wunderbaren Pfaden,
Spricht ihn de Alte wieder freundlich an;
Laß diese Bilder dich zu bleiben laden,
Bis du erfährst, was mancher Held getan;
Was hier verborgen, ist nicht zu erraten,
Man zeige denn es dir vertraulich an;
Du ahnest wohl, wie manches hier gelitten,
Gelebt, verloren ward, und was erstritten.

Doch glaube nicht, daß nur von alten Zeiten,
Der Greis erzählt, hier geht noch manches vor;
Das, was du siehst, will mehr und mehr bedeuten;
Ein Teppich deckt es bald und bald ein Flor,
Beliebt es dir, so magst du dich bereiten:
Du kamst, o Freund, nur erst durchs erste Tor;
Im Vorhof bist du freundlich aufgenommen,
Und scheinst mir wert, ins Innerste zu kommen.

Nach kurzem Schlaf in einer stillen Zelle
Weckt unsern Freund ein dumpfer Glockenton.
Er rafft sich auf mit unverdross'ner Schnelle,
Dem Ruf der Andacht folgt der Himmelssohn.
Geschwind bekleidet eilt er nach der Schwelle,
Es eilt sein Herz voraus der Kirche schon,
Gehorsam, ruhig, durch Gebet beflügelt;
Er klinkt am Schloß und findet es verriegelt.

Und wie er horcht, so wird in gleichen Zeiten
Dreimal ein Schlag auf hohles Erz erneut,
Nicht Schlag der Uhr und auch nicht Glockenläuten,
Ein Flötenton mischt sich von Zeit zu Zeit;
Der Schall, der seltsam ist und schwer zu deuten,
Bewegt sich so, daß er das Herz erfreut,
Einladend ernst, als wenn sich mit Gesängen
Zufried'ne Paare durcheinander schlängen.

Er eilt ans Fenster, dort vielleicht zu schauen,
Was ihn verwirrt und wunderbar ergreift;
Er sieht den Tag im fernen Osten grauen,
Den Horizont mit leichtem Duft gestreift.
Und - soll er wirklich seinen Augen trauen?
Ein seltsam Licht, das durch den Garten schweift:
Drei Jünglinge mit Fackeln in den Händen
Sieht er sich eilend durch die Gänge wenden.

Er sieht genau die weißen Kleider glänzen,
Die ihnen knapp und wohl am Leibe stehn,
Ihr lockig Haupt kann er mit Blumenkränzen,
Mit Rosen ihren Gurt umwunden sehn;
Es scheint, als kämen sie von nächt'gen Tänzen,
Von froher Mühe recht erquickt und schön.
Sie eilen nun und löschen, wie die Sterne,
Die Fackeln aus, und schwinden in die Ferne.




Selige Sehnsucht

West-östlicher Divan,
Buch des Sängers.

Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet:
Das Lebend'ge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du Schmetterling verbrannt.

Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.




Was wir bringen

Vorspiel zur Eröffnung
des neuen Schauspielhauses
in Bad Lauchstädt (1802)
Auszug 19. Auftritt

Herbei, du Kleiner! Keinen Gegner seh ich,
Nur einen Freund erblick ich neben mir.
Erheitre mir die sonst beladne Brust,
In meinen Ernst verflechte deinen Scherz
Und laß mich lächeln, wo die bittre Träne floß.
Im Sinne schwebt mir eines Dichters alter Spruch,
Den man mich lehrte, ohne daß ich ihn begriff,
Und den ich nun verstehe, weil er mich beglückt

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen,
Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst, in abgemeßnen Stunden,
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ist's mit aller Bildung auch beschaffen.
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben,

Wer Großes will, muß sich zusammenraffen.
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.




Der Zauberflöte zweiter Teil

Ein Fragment von Johann Wolfgan Goethe

Tag, Wald, Felsengrotte zu einem ernsthaften Portal zugehauen

Aus dem Walde kommen Monostatos, Mohren.

Monostatos.
Erhebet und preiset,
Gefährten, unser Glück!
Wir kommen im Triumphe
Zur Göttin zurück.
Chor.
Es ist uns gelungen,
Es half uns das Glück!
Wir kommen im Triumphe
Zur Göttin zurück.
Monostatos.
Wir wirkten verstohlen,
Wir schlichen hinan;
Doch was sie uns befohlen,
Halb ist es getan.
Chor.
Wir wirkten verstohlen usw.
Monostatos.
O Göttin! die du, in den Grüften
Verschlossen mit dir selber wohnest,
Bald in den höchsten Himmelslüften,
Zum Trutz der stolzen Lichter, trohnest,
O höre deinen Freund! Höre deinen künftigen Gatten!
Was hindert dich, allgegenwärtige Macht,
Was hält dich ab, o Königin der Nacht,
In diesem Augenblick uns hier zu überschatten?

(Donnerschlag. Monostatos und die Mohren stürzen zu
Boden, Finsternis. Aus dem Portal entwickeln sich Wolken
und verschlingen es zuletzt.)

Die Königin (in den Wolken)
Wer ruft mich an?
Wer wagt's, mit mir zu sprechen?
Wer, diese Stille kühn zu unterbrechen?
Ich höre nichts - so bin ich denn allein!
Die Welt verstummt um mich; so soll es sein.

Die Wolken dehnen sich über das Theater aus und ziehen
über Monostatos und die Mohren hin, die man jedoch noch sehen kann.)

Woget, ihr Wolken, hin,
Decket die Erde,
Daß es noch düsterer,
Finsterer werde.
Schrecken und Schauer,
Klagen und Trauer
Leise verhalle bang,
Ende den Nachtgesang
Schweigen und Tod.
Monostatos, Chor (in voriger Stellung, ganz leise).
Vor deinem Throne hier
Liegen und dienen -
Königin.
Seid, ihr Getreuen, mir
Wieder erschienen?
Monostatos.
Ja, dein Getreuer,
Geliebter, er ist's.
Königin.
Bin ich gerochen?
Chor.
Göttin, du bist's!
Königin.
Schlängelt, ihr Blitze,
Mit wütendem Eilen,
Rastlos, die lastenden
Nächte zu teilen!
Strömet, Kometen,
Am Himmel hernieder!
Wandelnde Flammen,
Begegnet euch wieder,
Leuchtet der hohen,
Befriedigenden Wut!
Monostatos, Chor.
Siehe! Kometen,
Sie steigen hernieder,
Wandelnde Flammen
Begegnen sich wieder,
Und von den Polen
Erhebt sich die Glut.

(Indem ein Nordlicht sich aus der Mitte verbreitet, steht
die Königin wie in einer Glorie. In den Wolken kreuzen
sich Kometen, Elmsfeuer und Lichthallen. Das Ganze
muß durch Form und Farbe und geheime Symmetrie einen
zwar gausenhaften, doch angenehmen Effekt machen.)

Monostatos.
In solcher feierlichen Pracht
Wirst du nun bald der ganzen Welt erscheinen;
Ins Reich der Sonne wirket deine Macht.
Pamina und Tamino weinen;
Ihr höchstes Glück ruht in des Grabe nacht.
Königin.
Ihr neugeborner Sohn, ist er in meinen Händen?
Monostatos.
Noch nicht; doch werden wir's vollenden,
Ich les es in der Sterne wilder Schlacht.
Königin.
Noch nicht in meiner Hand? Was habt ihr denn Getan?
Monostatos.
O Göttin, sieh uns gnädig an!
In Jammer haben wir das Königshaus verlassen.
Nun kannst du sie mit Freude hassen.
Vernimm! - Der schönste Tag bestieg schon seinen Thron,
Die süße Hoffnung nahte schon,
Versprach, der Gattentreue Lohn,
Den langerflehten ersten Sohn.
Die Mädchen wanden schon die blumenreichsten Kränze,
Sie freuten sich auf Opferzeug und Tänze,
Und neue Kleider freuten sie noch mehr.
Indes die Fraun mit klugem Eifer wachten
Und mütterlich die Königin bedachten -
Unsichtbar schlichen wir durch den Palast umher -
Da rief's: "Ein Sohn, ein Sohn!" Wir öffnen ungesäumt
Den goldnen Sarg, den du uns übergeben,
Die Finsternis entströmt, umhüllet alles Leben,
Ein jeder tappt und schwankt und träumt.
Die Mutter hat des Anblicks nicht genossen,
Der Vater sah noch nicht das holde Kind,
Mit Feuerhand ergreif ich es geschwind,
In jenen goldnen Sarg wird es sogleich verschlossen -
Und immer finstrer wird die Nacht,
In der wir ganz allein mit Tigeraugen sehen;
Doch ach! da muß, ich weiß nicht welche Macht,
Mit strenger Kraft uns widerstehen.
Der goldne Sarg wird schwer -
Chor.
Wird schwerer uns in Händen.
Monostatos.
Wird schwerer, immer mehr und mehr!
Wir können nicht das Werk vollenden.
Chor.
Es zieht uns an den Boden hin.
Monostatos.
Dort bleibt er fest und läßt sich nicht bewegen.
Gewiß! es wirkt Sarastros Zaubersegen.
Chor.
Wir fürchten selbst den Bann und fliehn.
Königin.
Ihr Feigen, das sind eure Taten?
Mein Zorn -
Chor.
Halt ein den Zorn, o Königin!
Monostatos.
Mit unverwandtem klugem Sinn
Drück ich dein Siegel schnell, das niemand lösen kann,
Aufs goldne Grab und sperre so den Knaben
Auf ewig ein.
So mögen sie den starren Liebling haben!
Da mag er ihre Sorge sein!
Dort steht die tote Last; der Tag erscheinet bange,
Wir ziehen fort mit drohendem Gesange.
Chor.
Sähe die Mutter (der Vater) je,
Säh' sie (er) den Sohn,
Risse die Parze gleich
Schnell ihn davon.
Monostatos.
Zwar weiß ich, als wir uns entfernt,
Ist federleicht der Sarkophag geworden.
Sie bringen ihn dem brüderlichen Orden,
Der, still in sich gekehrt, die Weisheit lehrt und lernt.
Nun muß, mit List und Kraft, dein Knecht auf neue wirken!
Selbst in den heiligen Bezirken
Hat noch dein Haß, dein Fluch hat seine Kraft.
Wenn sie die Gatten sehn, soll Wahnsinn sie berücken;
Wird sie der Anblick ihres Kinds entzücken,
So sei es gleich auf ewig weggerafft.
Königin, Monostatos, Chor.
Sehen die Eltern je,
Sehn sie sich an;
Fasse die Seele gleich
Schauder und Wahn!
Sehen die Eltern je,
Sehn sie den Sohn;
Reiße die Parze gleich
Schnell ihn davon!

Unterirdisches Gewölbe. In der Mitte der Altar mit dem
Kästchen. An zwei Pfeilern stehen gewaffnete Männer gelehnt
und scheinen zu schlafen. Von ihnen gehen Ketten herab,
woran die Löwen gefesselt sind, die am Altare liegen. Alles ist
dunkel, das Kästchen ist tranparent und beleuchtet die Szene.

Chor (unsichtbar).
Wir richten und bestrafen:
Der Wächter soll nicht schlafen;
Der Himmel glüht so rot.
Der Löwe soll nicht rasten,
Und öffnet sich der Kasten,
So sei der Knabe tot.

(Die Löwen richten sich auf und gehen an der Kette hin
und her.)

Erster Wächter (ohne sich zu bewegen).
Bruder, wachst du?
Zweiter (ohne sich zu bewegen).
Ich höre.
Erster.
Sind wir allein.
Zweiter.
Wer weiß?
Erster.
Wird es Tag?
Zweiter
Vielleicht ja.
Erster.
Kommt die Nacht?
Zweiter.
Sie ist da.
Erster.
Die Zeit vergeht.
Zweiter.
Aber wie?
Erster.
Schlägt die Stunde wohl?
Zweiter.
Uns nie.
Zu zweien.
Vergebens bemühet
Ihr euch da droben so viel.
Es rennt der Mensch, es fliehet
Vor ihm das bewegliche Ziel.
Er zieht und zerrt vergebens
Am Vorhang, der schwer auf des Lebens
Geheimnis, auf Tagen und Nächten ruht.
Vergebens strebt er in die Luft,
Vergebens dringt er in die tiefe Gruft.
Die Luft bleibt ihm finster,
Die Gruft wird ihm helle.
Doch wechselt das Helle
Mit Dunkel so schnelle.
Er steige herunter,
Er dringe hinan,
Er irret und irret
Von Wahne zu Wahn.

(Der hintere Vorhang öffnet sich. Dekoration des Wassers
und Feuers wie in der "Zauberflöte". Die ganze Dekoration muß so
eingerichtet sein, daß es aussieht, als wenn man vom Felsen nur
durch das Feuer und das Wasser in die Gruft kommen könnte.)
Tamino und Pamina kommen mit Fackeln den Felsen herunter.
Im Herabsteigen singen sie.

Tamino.
Meine Gattin, meine Teure,
O wie ist der Sohn zu retten;
Zwischen Wasser, zwischen Feuer,
Zwischen Graus und Ungeheuer
Ruhet unser höchster Schatz.

(Sie gehen durchs Feuer.)

Pamina.
Einer Gattin, einer Mutter,
Die den Sohn zu retten eilet,
Macht das Wasser, macht das Feuer,
In der Gruft das Ungeheuer,
Macht der strenge Wächter Platz.

(Indessen hat sich eine Wolke herabgezogen, so daß sie in der Mitte
zwischen Wasser und Feuer schwebt. Die Wolke tut sich auf.)

Die Königin der Nacht.
Was ist geschehen!
Durch das Wasser, durch das Feuer
Drangen sie glücklich und verwegen.
Auf, ihr Wächter, ihr Ungeheuer!
Stellet mächtig euch entgegen
Und bewahret mir den Schatz.
Die Wächter (richten ihre Speere gegen das Kästchen, doch so, daß sie
davon entfernt bleiben. Die Löwen schließen sich aufmerksam an. Die
Stellungen sollten auf beiden Seiten symmetrisch sein).
Wir bewahren, wir bewachen
Mit Speer und Löwenrachen,
O Göttin, deinen Schatz!
Tamino, Pamina (hervorkommend).
O mein Gatte, mein Geliebter,
Meine Gattin, meine Teure,
Sieh, das Wasser, sieh, das Feuer
Macht der Mutterliebe Platz.
Ihr Wächter, habt Erbarmen!
Königin.
Ihr Wächter, kein Erbarmen!
Behauptet euren Platz!
Tamino, Pamina.
O weh! o weh uns Armen,
Wer rettet unsern Schatz?
Königin.
Sie dringen durch die Wachen,
Der grimmige Löwenrachen
Verschlinge gleich den Schatz.

(Die Wolke zieht weg. Stille.)

Das Kind (im Kästchen).
Die Stimme des Vaters,
Des Mütterchens Ton,
Es hört sie der Knabe
Und wachet auch schon.
Pamina, Tamino.
O Seligkeit, den ersten Ton,
Das Lallen seines Sohns zu hören!
Oh, laßt nicht Zauber uns betören!
Ihr Götter, welche Seligkeit
Beglückt uns schon!
Oh, laßt ihn uns noch einmal hören,
Den süßen Ton!
Chor (unsichtbar).
Nur ruhig! es schläfet
Der Knabe nicht mehr,
Er fürchtet die Löwen
Und Speere nicht sehr.
Ihn halten die Grüfte
Nicht lange mehr auf;
Er dringt in die Lüfte
Mit geistigem Lauf.

(Der Deckel des Kastens springt auf. Es steigt ein Genius hervor, der
durch die Lichter, welche den Kasten transparent machten, ganz erleuchtet ist,
wenn die Lichter so disponiert sind, daß die obere Hälfte der übrigen Figuren
gleichfalls mit erleuchtet ist. In dem Augenblick treten die Wächter mit den
Löwen dem Kasten näher und entfernen Tamino und Pamina.)

Genius.
Hier bin ich, ihr Lieben!
Und bin ich nicht schön?
Wer wird sich betrüben,
Sein Söhnchen zu sehn.
In Nächten geboren
Im herrlichen Haus,
Und wieder verloren
In Nächten und Graus.
Es drohen die Speere,
Die grimmigen Rachen,
Und drohten mir Heere
Und drohten mir Drachen;
Sie haben doch all
Dem Knaben nichts an.

(In dem Augenblick, als die Wächter nach dem Genius
mit den Spießen stoßen, fliegt er davon.)




Bundeslied

In allen guten Stunden,
Erhöht von Lieb' und Wein,
Soll dieses Lied verbunden
Von uns gesungen sein!
Uns hält der Gott zusammen,
Der uns hierher gebracht.
Erneuert unsre Flammen!
Er hat sie angefacht

So glühet fröhlich heute,
Seid recht von Herzen eins!
Auf, trinkt erneuter Freude
Dies Glas des echten Weins!
Auf, in der holden Stunde
Stoßt an und küsset treu,
Bei jedem neuen Bunde,
Die alten wieder neu!

Wer lebt in unserm Kreise,
Und lebt nicht selig drin?
Genießt die freie Weise
Und treuen Brudersinn!
So bleibt durch alle Zeiten
Herz Herzen zugekehrt;
Von keinen Kleinigkeiten
Wird unser Bund gestört.

Uns hat ein Gott gesegnet
Mit freiem Lebensblick,
Und alles, was begegnet,
Erneuert unser Glück.
Durch Grillen nicht gedränget,
Verknickt sich keine Lust;
Durch Zieren nicht geenget,
Schlägt freier unsre Brust.

Mit jedem Schritt wird weiter
Die rasche Lebensbahn,
Und heiter, immer heiter
Steigt unser Blick hinan.
Uns wird es nimmer bange,
Wenn alles steigt und fällt,
und bleiben lange, lange!
Auf ewig so gesellt.