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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer





Ein Abend, an dem sich
alle Anwesenden einig sind,
ist ein verlorener Abend.

Albert Einstein

Mit andern kann man sich belehren,
begeistert wird man nur allein.

Johann Wolfgang von Goethe

Freimaurerische Diskussionsarbeit:

Die Arbeit im Kreis der Brüder

Der Weg zur harmonischen Persönlichkeit führt u. a. über das Lernen. Die Geschlossenheit von Geist und Seele ist keine angeborene Eigenschaft. Es ist dasselbe wie mit Gesundheit, Tugend oder Wissen. Der Mensch hat die Fähigkeit, das alles zu erwerben, aber ob er es erreicht, hängt von den eigenen Bemühungen ab. Lernen bedeutet, geistig beweglich und aufgeschlossen für Erfahrungen zu bleiben. Lernen wird in der Freimaurerei als eine der schönen Künste ausgeübt und geschätzt. Jede Kunst, die wir erlernen, eröffnet ein neues Fenster zum All. Lernen erhebt daher unser Leben in neue Dimensionen. Das Erlernte summiert sich, vorausgesetzt, man bemüht sich, das Erlernte in sich aufzunehmen. Keinem Lernbegierigen sind je die Themen ausgegangen. Die Freuden des Lernens sind wahrhaftige Freuden. Man sollte zur Verdeutlichung dafür ein anderes Wort verwenden: "Glück". Am längsten, besten und erfülltesten lebt, wer sich das Glück des Lernens erwirbt und bewahrt. Unser Körper verliert im Lauf des Lebens allmählich an Vitalität, unsere Gefühle werden stumpfer, aber unser Geist kann stets lebendig und aktiv erhalten werden. Die größte Gefahr für uns ist deshalb nicht das Alter, sondern Faulheit, Trägheit, Gewohnheit und Stumpfsinn, in die wir fast unmerklich schlittern. Viele, die sich um das Lernen drücken oder es aufgeben, sehen das Leben vor den eigenen Augen dahinwelken.

In den Freimaurerlogen werden geistige Anregung und Lernen über Vorträge und die sehr individuelle Diskussionsarbeit der Brüder realisiert. Um diese in ihren Besonderheiten überhaupt einigermaßen verallgemeinernd beschreiben zu können, sei aufgrund seiner Ähnlichkeit hilfsweise das Konzept der "Themenzentrierten Interaktion" (TZI) herangezogen, das die Psychologin und Psychoanalytikerin Ruth C. Cohn (geb. 27.8.1912) im amerikanischen Exil entwickelte.

Die TZI soll zu einem aktiven, schöpferischen und entdeckenden Lernen, zu einem lebendigem Lernen und Arbeiten verhelfen. Die Berücksichtigung des Menschen steht bei der TZI-Methode im Vordergrund, wobei sie ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der einzelnen Personen, der Gruppe, deren Aufgabe und dem Umfeld anstrebt. Es werden dabei vielerlei Möglichkeiten eröffnet, die Persönlichkeit im Sinne einer selbständigen, selbstsicheren, eigenverantwortlichen Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Die Auseinandersetzung im Grupppenprozeß mit anderen Persönlichkeiten entwickelt vor allen Dingen die Fähigkeit zur Kommunikation, Kooperation, Toleranz und auch fruchtbare Formen von Konkurrenz.

Das Menschenbild der TZI arbeitet Christine Wolbrandt in ihrem Aufsatz "Das Gruppengespräch als Reifungsweg - Erfahrungen mit der themenzentrierten Interaktion nach Ruth C. Cohn" wie folgt heraus:

  • Jeder Mensch hat einen einmaligen Platz in der Welt. Er ist ein autonomes Wesen, nimmt diese Autonomie aber nur unvollständig wahr. Werden die Menschen dazu fähiger, empfinden viele das als Gesundung.

  • Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen, das in seiner Leiblichkeit im Denken, Fühlen und Handeln eine Einheit ist.

  • Der Mensch ist ein Wesen, das in ununterbrochener Beziehung zu anderen steht, auch wenn er sich zeitweilig zurückgezogen hat.

  • Der Mensch ist ein verantwortliches Wesen, das auch zu verzichten bereit ist, sofern seine Bedürfnisse von den anderen wahrgenommen und anerkannt werden.

  • Der Mensch ist ein geschichtliches Wesen. Er lebt in der Spannung von Vergangenheit und Zukunft und hat sich in der Gegenwart zu bewähren.

  • Der Mensch fühlt sich gesund, wenn er zwischen diesen verschiedensten Polaritäten die Balance immer neu herstellen kann.

Die drei auszubalancierende Komponenten des Geschehens in Lern- und Arbeitsgruppen stellt Ruth Cohn dabei als Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks dar:

ICH (Einzelner) - ES (Sache) - WIR (Gruppe)

Eine Reihe von Handlungsgrundsätzen der Kommunikation sind im TZI-Strukturmodell Ruth Cohns festgehalten:

Das Ich-Postulat:

Sei dein eigener Chairman (deine eigene Leitperson)!.
Es gibt Dinge, die ich ändern kann, also tue ich es.
Es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann, also lasse ich es.
"Wenn die Realität der Einzelnen, der Gruppen und Institutionen - gut oder böse - akzeptiert wird, wird der Weg zur Veränderung frei."

Das Wir-Postulat:

Die Menschen in der Gruppe haben ein gemeinsames Anliegen; dabei gilt: Störungen und Betroffenheit haben Vorrang, werden ernst genommen.
"Wer an Lösungen interessiert ist, muss lernen, sich in die Tiefe zu begeben, ein Problem auszuloten. Das heißt häufig, nicht oberflächlich sein, sich non-konform verhalten, unbequem sein."

Das Es-Postulat:

Das Thema ist wie ein runder, zu erkundender Raum. Es hat viele Eingangstüren. Jeder muss seinen eigenen Zugang suchen.

Das Globe-Postulat:

Das Umfeld der Gruppe ist eine reale Gegebenheit und muss bei der Arbeit berücksichtigt werden. Jeder Faktor beeinflußt jeden.
"Das System beeinflußt die beteiligten Menschen und die Menschen beeinflussen das System. So kann jeder Gruppenteilnehmer Einfluß nehmen auf das System."

Das Konzept der "Themenzentrierten Interaktion" lässt sich beschreibend direkt für die freimaurerische Diskussionsarbeit in der Loge übernehmen: Ersetzen wir in dem Bezugsdreieck die ES-Komponente mit der Freimaurerei im allgemeinen, bekommen wir ein Abbild der Zuordnung des Bruders zur Freimaurerei und den Brüdern der Loge (WIR-Komponente). Die Wirkung der freimaurerischen Arbeit läßt sich dabei mit der GLOBE-Komponente umschreiben. Damit werden auch bildhaft die Unterschiede zwischen Freimaurerei, freimaurerischer Arbeit und Freimaurern deutlich. Mit anderen Worten:

Die Freimaurerei definiert sich nicht über das Denken und Handeln der Brüder Freimaurer.

Das Denken und Handeln der Brüder kann also im günstigsten Fall lediglich das individuelle Wirken der freimaurerischen Arbeit auf den Menschen zuordnend widerspiegeln. Der Zeitgeist, d. h. das kulturelle Lebens- und Wertgefühl der jeweiligen Zeitepoche, dem sich auch die Freimaurer nicht ganz entziehen können, prägt daher nicht verändernd die Freimaurerei. Im Gegenteil, die Freimaurerei hat über die Zeitepochen mehr oder weniger Einfluß auf den Zeitgeist genommen. Aber: Die Freimaurerei hat kein Dogma. Auch für die Ausformung des Bruders zur harmonischen Persönlichkeit, d. h. für seine Arbeit am eigenen "rauhen Stein" und in der Gruppe, gibt es daher keinen fest umrissenen Rahmen. Jeder Bruder als auch jede Loge entwickeln so für sich ein eigenes Handlungskonzept. Das ganze System wird lediglich durch Gemeinsamkeiten im rituellen Ablauf und Ähnlichkeiten in der Geisteshaltung der Brüder sowie durch charakteristische Inhalte der Logenarbeitspläne für Außenstehende ansatzweise beschreibbar. Auf Gästeabenden kann aber der Interessierte aus eigenem Erleben die individuelle Arbeit der Brüder einer Freimaurerloge mehr oder weniger direkt erfahren.

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Quellen:

Kommunikative Praxis in der Schule und praktische Rhetorik - Das pädagogische Konzept der TZI von RUTH COHN; Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - http://www.uni-oldenburg.de/germanistik-kommprojekt/index.html

Wolbrandt, Christine: Das Menschenbild der TZI. In: Schleswig Holsteinisches Ärzteblatt 10/79 - http://www.humanistische-aktion.de/kommunik.htm