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"Mich läßt der Gedanke an den Tod in völliger Ruhe,
denn ich habe die feste Überzeugung,
daß unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur;
es ist ein fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Es ist der Sonne ähnlich,
die bloß unsern irdischen Augen unterzugehen scheint,
die aber eigentlich nie untergeht,
sondern unaufhörlich fortleuchtet. "

Goethe zu Eckermann 1824


F. B.

Anmerkungen zu Goethes Gedicht

"Gesang der Geister über den Wassern"

(entstanden 1779, veröffentlicht 1789)

Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,         
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.

Strömt von der hohen,
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen,
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.

Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.

Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.

Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.

Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!


*

Gesang der Geister über den Wassern

Des Menschen Seele gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es,
und wieder nieder zur Erde muß es, ewig wechselnd.

Strömt von der hohen, steilen Felswand der reine Strahl,
dann stäubt er lieblich in Wolkenwellen zum glatten Fels,
und leicht empfangen, wallt er verschleiernd,
leisrauschend zur Tiefe nieder.

Ragen Klippen dem Sturz entgegen,
schäumt er unmutig stufenweise zum Abgrund.

Im flachen Bette schleicht er das Wiesental hin,
und in dem glatten See weiden ihr Antlitz alle Gestirne.

Wind ist der Welle lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus schäumende Wogen.

Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind!


*

Anmerkungen zu Entstehung und Hintergrund

1776 entschließt sich Goethe (1749 - 1832), in Weimar zu bleiben. Er zieht in das Gartenhaus an den Ilmwiesen, das ihm Herzog Karl August von Sachsen-Weimar (1757 - 1828), geschenkt hat. Im Mai 1778 begleitet er Herzog Karl August wegen des Bayerischen Erbfolgekrieges (1778/79) nach Berlin und Potsdam und beginnt das Gedicht "Grenzen der Menschheit". 1779 wird Goethe zum Geheimen Rat ernannt und übernimmt die Leitung der Kriegs- und Wegebaukommission.

Auf seiner zweiten Schweiz-Reise September 1779 - Januar 1780, diesmal gemeinsam mit dem acht Jahre jüngeren Herzog Karl August, kommt Goethe ins romantische Tal von Lauterbrunnen. Der berühmte Wasserfall, der Staubbach, der mit nebliger Gischt rund 300 Meter über dunkle, senkrechte Felswände herunterfällt, inspirierte Goethe Anfang Oktober 1779 zum Vergleich der menschlichen Seele mit dem natürlichen Kreislauf des Wassers und des menschlichen Schicksals mit dem Wind. Damit war der Keim für das berühmte Gedicht gelegt. An Charlotte von Stein schreibt Goethe: "...wir haben den Staubbach bei gutem Wetter zum erstenmal gesehen und der blaue Himmel schien durch. An den Felsenwänden hingen Wolken, selbst das Haupt, wo der Staubbach herunter kommt, war leicht bedeckt. Es ist ein sehr erhabener Gegenstand."

Der Begriff "Staubbach" bezeichnet einen Bach oder Sturzbach mit so starkem Gefälle, daß das Wasser sich durch schnelle Fließgeschwindigkeit beim Auftreffen auf Felshindernisse in einen Nebel aus feinen Wassertröpfchen verwandelt. Vor allem in Verbindung mit der beim Staubbach-Wasserfall regelmäßig auftretenden Thermik wird, lange bevor der Wasserfall den Grund erreicht, ein Teil des zerstäubten Wassers in alle Richtungen fortgetragen und sieht dabei wie eine aufgewirbelte Staubwolke aus, was dem Wasserfall den Namen gegeben hat.

Auf der Rückreise erfolgt ein Besuch der Stuttgarter Karlsschule (Militärakademie), deren Schüler Schiller (1759 - 1805) damals war. Am 7. Januar 1780 kehren Goethe und Karl August von ihrer zweiten Schweizer Reise nach Weimar zurück, auf der beide nach langen Gesprächen den Entschluß gefaßt hatten, sich in den Freimaurerbund aufnehmen zu lassen. Im Alter von 47 Jahren schrieb Lessing (1729 - 1781, 1771 aufgenommen in die Loge "Zu den drei Rosen" in Hamburg ) die ersten drei Gepräche von "Ernst und Falk - Gespräche für Freymäurer", die 1778 anonym erschienen. Da Lessing an Goethe vorab eine Abschrift verschickte, kann daher davon ausgegangen werden, daß diese Schrift Gegenstand in den Reisegesprächen über die Freimaurerei zwischen Goethe und Herzog Karl August war. Auch waren zu diesem Zeitpunkt mehrere Verräterschriften bereits veröffentlicht worden. Mit anderen Worten: Goethe konnte sich aufgrund der dort veröffentlichten Rituale durchaus schon mit der freimaurerischen Betrachtungsweise der Transzendenz auseinandergesetzt haben, welche die Diskrepanz zwischen Augenblick und Dauer, Endlichkeit und Ewigkeit symbolhaft in das Bewußtsein ruft.

In seinem Gedicht "Gesang der Geister" beschreibt Goethe einen Reinkarnationskreislauf der Seele des Menschen zwischen Himmel und Erde. Bereits im Juli 1776 formulierte er in einem Gedicht an Charlotte von Stein (1742-1827):

Sag, was will das Schicksal uns bereiten?
Sag, wie band es uns so rein genau?
Ach, Du warst in abgelebten Zeiten
Meine Schwester oder meine Frau
...

Auf Goethes Bitte gab Charlotte von Stein eine Abschrift vom Gedicht "Gesang der Geister" an seinen Freund Carl Ludwig von Knebel (1744 - 1834, Jurist, Altertumswissenschaftler) weiter. Sie merkte aber dabei an: "Dieser Gesang ist nicht ganz Ihre und meine Religion. Die Wasser mögen auch in ihrer Atmosphäre auf- und absteigen, aber unsere Seelen kann ich mir nicht anders als in die unendlichen Welten der ewigen Schöpfung verkettet denken."

In "Meine Religion - Mein politischer Glaube - zwei vertrauliche Reden von J. W. Goethe" hat Wilhelm Bode (Ernst Siegfried Mittler und Sohn. Königliche Hofbuchhandlung, Berlin 1899) aus verschiedenen Schriften Aussagen Goethes zu seiner Religionsauffassung in einer fiktiven Rede zusammengestellt. Hier finden wir auf den Seiten 16 und 17 die Aussage:

Ich bin gewiß, wie Sie mich hier sehen, schon tausendmal dagewesen und hoffe wohl noch tausendmal wiederzukommen. Erinnerung an solche frühere Existenz haben wir freilich sehr selten und dunkel, nur zuweilen erleuchtet uns ein genialer Blitz etwas davon. Ich muß wohl unter Kaiser Hadrian schon einmal dagewesen sein, deswegen zieht mich alles Römische so an und kömmt mir so heimisch vor; unser Freund Boisserée stammt aus dem fünfzehnten Jahrhundert und war am Niederrhein daheim. Eine unbegreiflich innige Freundschaft, die mich mit einer angesehenen Frau unserer Kreises lange verband, habe ich mir in ihrer ganzen Art nie anders als durch Seelenwanderung erklären können. Ja, wir müssen einst Mann und Weib gewesen sein, sagte ich mir oft. Und ich bat die Götter, wenn ich noch einmal auf die Welt komme, sollten sie mich nur einmal leben lassen und diese liebe Gefährtin sollte jene Freundin sein, die vor längst verschwundenen Zeiten schon mir Gattin gewesen. Es mögen das ja Träume gewesen sein, wie sie liebende Seelen so gern erfinden, aber fest und beständig ist mein Glaube: dieses sichtbare Dasein zwischen Geburt und Tod ist nicht Alles!

Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!
Das Ewige regt sich fort in allen,
Am Sein erhalte dich beglückt!
Das Sein ist ewig; denn Gesetze
Bewahren die lebend'gen Schätze,
Aus welchen sich das All geschmückt.

(Quellen:
Ich bin ... wiederzukommen, (Seite 16) zu Falk 1813. [ Erinnerung ... nicht Alles, S. 16, 17 - Einschiebung Bode]. Vgl. zu Boisserée 1815, Brief an Wieland vom April 1776 und Brief an Frau von Stein vom März 1779. Kein Wesen ... geschmückt, (S. 17) Vermächtnis in "Gott und Welt.")

Ernst Kurtzahn (* 1879 Königsberg, + 1939 Hamburg, Schiffbau-Ingenieur, staatl. Gewerbe-Lehrer, esoterischer Schriftsteller, Freimaurer) stellt in seinem Buch "DER TAROT, die kabbalistische Methode der Zukunftserforschung als Schlüssel zum Okkultismus" eine ergänzende Verknüpfung zwischen Goethes Gedicht "Das Göttliche", welches 1782 entstanden und 1783 im "Tiefurter Journal" veröffentlicht wurde, und dem "Gesang der Geister" her, und eröffnet damit einen interessanten Blickwinkel:

Hat nun die Astrologie mit ihren Lehren von dem durch die Gestirnstände im Augenblick der Geburt oder Zeugung eines jeden Wesens unverrückbar festgelegten Lebensplan Recht - und sie hat Recht, da die Gestirneinflüsse dauernd weiter auf ihr Gebilde einwirken - dann sind wir Menschen nur Schauspielern vergleichbar, die eine gegebene Rolle gut oder (meistens leider) schlecht bis zum des öfteren bitteren und tragischen Ende spielen müssen, ob wir es wollen oder nicht!

Unser herrlicher Goethe drückt das unübertroffen aus in seinem Gedicht "Das Göttliche":

Nach ewigen, eh'rnen,
großen Gesetzen
müssen wir alle
unseres Daseins
Kreise vollenden.
und in Ergänzung dazu im "Gesang der Geister über den Wassern":
Des Menschen Seele
gleicht dem Wasser
vom Himmel kommt es
zum Himmel steigt es
und wieder nieder
zur Erde muß es
ewig wechselnd!

Auch Lessing berührte das Thema der Reinkarnation in seiner geschichtstheologischen Schrift "Erziehung des Menschengeschlechts", veröffentlicht als komplette Schrift (§§ 1-100) 1780, innerhalb seiner Auseinandersetzung mit dem Hauptpastor Goeze:

§. 93. Nicht anders! Eben die Bahn, auf welcher das Geschlecht zu seiner Vollkommenheit gelangt, muss jeder einzelne Mensch (der früher, der später) erst durchlaufen haben. - "In einem und eben demselben Leben durchlaufen haben? Kann er in eben demselben Leben ein sinnlicher Jude und ein geistiger Christ gewesen seyn? Kann er in eben demselben Leben beyde überhohlet haben?"

§. 94. Das wohl nun nicht! - Aber warum könnte jeder einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen seyn?

§. 95. Ist diese Hypothese darum so lächerlich, weil sie die älteste ist? weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterey der Schule zerstreut und geschwächt hatte, sogleich darauf verfiel?

§. 96. Warum könnte auch ich nicht hier bereits einmal alle die Schritte zu meiner Vervollkommung gethan haben, welche blos zeitliche Strafen und Belohnungen den Menschen bringen können?

§. 97. Und warum nicht ein andermal alle die, welche zu thun, uns die Aussichten in ewige Belohnungen, so mächtig helfen?

§. 98. Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf Einmal so viel weg, dass es der Mühe wieder zu kommen etwa nicht lohnet?

§. 99. Darum nicht? - Oder, weil ich es vergesse, dass ich schon da gewesen? Wohl mir, dass ich das vergesse. Die Erinnerung meiner vorigen Zustände, würde mir nur einen schlechten Gebrauch des gegenwärtigen zu machen erlauben. Und was ich auf itzt vergessen muss, habe ich denn das auf ewig vergessen?

§. 100. Oder, weil so zu viel Zeit für mich verloren gehen würde? - Verloren? - Und was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?

Franz Schubert (1797 - 1828), der Goethe sehr verehrte, während dieser ihn überhaupt nicht beachtete, vertonte das Gedicht. 1816 entstand ein Fragment für Bariton und Klavier, 1817 ein Fragment für Chor, 1820 ein weiteres Fragment für vier Männerstimmen und Klavier und 1821 schließlich das Werk für vier Tenöre, vier Bässe und Streicherquintett. Die Premiere fand im großen öffentlichen Rahmen am 7 März 1821 in Wien statt, wobei das Werk durchgefiel.


Anmerkungen zu einigen Begriffen

(Nach Paul Fischer, Goethe-Wortschatz - ein sprachgeschichtliches Wörterbuch zu Goethes sämtlichen Werken, Emil Rohmkopf Verlag, Leipzig 1929)

Buhle, mittelhochdeutsch buole und älternhochdeutsch "Buhle" für beide Geschlechter geltend; a) der Buhle = Geliebter b) die Buhle = Geliebte.

Geist, westgermanisches Wort = belebende Grundkraft im Menschen (ursprünglich wohl = Erregtheit); 1. Im Gegensatz zu äußeren Einwirkungen = ursprüngliche innere Anlage, treibende innere Kraft. 2. Das innere Leben im Gegensatz zum rein körperlichen Wirken. 3. In personifizierender Übertragung auf überirdische körperliche Weliche Wesen wie sonst, besonders oft im "Faust". 4. = Inbegriff es Denkens und Fühlens im Menschen. 5. = denkender Mensch, denkendes Wesen. 6. Innerer Sinn, Vorstellungsart; a) von einzelnen = innere Stimme; b) von Gemeinschaften = innere Beschaffenheit. 7. In der älteren Chemie (seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts) im Sinne des spätlateinischen spiritus, französisch esprit = Essenz, das ist Kraftauszug aus Kräutern und Früchten, mit der alten Mehrzahl Geiste.

Mensch, hoch- und niederdeutsche Weiterbildung von "Mann"; nicht selten vollerer Bedeutung. a) unter Hervorhebung der Schwäche menschlichen Wesens = bloßer, dem Irrtum oder Mangel an Geduld unterworfener Mensch; b) in steigerndem Sinne = wirklicher Mensch; Mensch, wie er sein muß.

Schicksal (seit Beginn des 18. Jahrhunderts; im 17. Jahrhundert in der Form "Schicksel") = Fügung, Geschick; a) das hohe Schicksal = die Fügung höherer Gewalten, der man sich unterwerfen muß; b) vom Geschick des einzelnen = Lebensglück, Lebensstellung.

Seele, die, germeingermanisches Wort von dunkler Herkunft, ursprünglich als ein vom Körper unabhängiges Wesen betrachtet, das beim leiblichen Tode diesen verläßt und selbständig weiterlebt; namentlich seit Luthers Vorgange bezeichnet es die in einem Wesen waltende Grundkraft des eigentlichen Lebens, insbesondere das, worin sich dieses Wesens eigentümliche Art des Empfindens und Strebens ausspricht.


Anmerkungen zu Form und Inhalt

Das Gedicht besteht aus 6 Strophen unterschiedlicher Länge:

Das Gedicht hat keine Reime und keinen eingeprägten Rhythmus.

Goethe beschreibt im Basisvergleich "Wasser - Seele" in der ersten Strophe den Kreislauf der Reinkarnation. Das Gedicht endet mit zwei Ausrufen (Vers 33 und 35), die die These der Reinkarnation zusammenfassen, verifizieren und unterstreichen.

Das Gedicht ist gedanklich in drei Teile (Sinnspruch - Naturbeschreibung - Sinnspruch) gegliedert: Die Naturbeschreibung (Strophen 2 - 5) wird durch Sinnsprüche gerahmt, die in Form einer Kreuzstellung (rhetorische Figur), - "des Menschen Seele" - "Seele des Menschen" - angelegt sind. Auf diese Art wird eine Steigerung von einer sachlichen Feststellung hin zu einer bewundernden Bekräftigung (Ausruf) verdeutlicht. Am Schluss erweitert Goethe seine Betrachtung um den Aspekt des Schicksals: "Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind!" Die wiederholende Parallelisierung in der letzten Strophe "wie gleichst du" verleiht den abschließenden Feststellungen noch einmal besondere Betonung. Freie Rhythmen, Sprünge über Zeilen und Strophen sowie Verben der Bewegung (wallen, strömen, stäuben, schäumen, schleichen u. a.) dienen der Darstellung des fließenden Wassers. Stabreime und Halbreime erzeugen lautmalerische Wirkung.

Die Eingebundenheit der menschlichen Existenz in unabänderliche Abläufe wird im Gedicht bildhaft zum Ausdruck gebracht. Zur Ausdeutung lassen sich Sinnsprüche in den Strophen 1 und 6 erkennen:

Die Zusammenführung der Bilder von Wasser und Wind beginnt schon in Strophe 5. Symbolhaft beschreibend stehen Naturvorgänge für die verschiedenen Phasen des Lebens:

Anmerkungen zu Goethe und dem Pantheismus

Der Begriff "Pantheismus" entstand in Anlehnung an John Tolands (englischer Philosoph, * 30. 11. 1670 Redcastle, Irland, + 11. 3. 1722 Putney bei London) Werk "Pantheistikon", welches 1720 erschien. Pantheismus leitet sich aus dem griechischen "pan" = "alles", "ganz" und "theós" = Gott ab. Es ist eine philosophisch-theologische Lehre, also keinesfalls eine Religion sondern die Ansicht, nach der Gott in allen Dingen existiert. Gott und Welt gelten als identisch (Allgottlehre). Man kann sich das auch als eine unpersönliche geistige Kraft vorstellen, die mit dem Weltganzen identisch ist. Pantheistische Strömungen finden sich schon in der Antike bei Xenophanes (* um 570 in Kolophon, + um 470 v. Chr.) und Parmenides (* 515 v. Chr. in Elea, + ca. 445 v. Chr).

Einen Zugang zum Pantheismus fand Goethe ab 1773 über das Werk Baruch Spinozas (* 24. November 1632 in Amsterdam, + 21. Februar 1677 in Den Haag), der Gott in der gesamten Natur manifestiert sah. Materie und Geist sind für ihn zwei Seiten einer einheitlichen, ewigen Gott-Natur, die im Menschen zum Bewußtsein ihrer selbst kommt. Goethe entwickelte mystische und pansophische Vorstellungen, die man z. B. im Werther oder im Faust nachweisen kann. Auch der Titel des Gedichtes "Gesang der Geister über den Wassern" weist auf eine naturmagische Vorstellung von der Belebtheit der Natur hin.



Goethe 1779