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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer





Anmerkung:
Eine selbstkritische Zeichnung, die verdeutlicht, daß der Bruder nach der Aufnahme in den Freimaurerbund keinen "Königsweg" vor sich hat, sondern beharrlich, unterstützt von seinen Brüdern, an seinem "Rauhen Stein" arbeiten muß. Diese beharrliche Arbeit am "Rauhen Stein" wird für das ganze Maurerleben fortzusetzen sein. Die Aufnahme selbst ist im Freimaurerleben das zentrale Erlebnis, welches Anlaß für viele Gedanken und brüderliche Gespräche gibt. Jeder Bruder erlebt diesen Augenblick anders. Bei jeder später miterlebten Aufnahme wird die eigene Aufnahme in Gedanken erneut durchlebt, wobei sich immer wieder neue Eindrücke und Erkenntnisse ergeben. Die Lichtgebung ist der Moment während der Aufnahme, in dem der Aufzunehmende das Licht der freimaurerischen Welt erblickt.





W. S.

Ein Suchender


Ich lege heute zum ersten Mal eine Zeichnung auf. Mir lag daran, hierfür ein freimaurerisches Thema zu wählen, um mich selbst zu zwingen, mich mit freimaurerischen Gedanken auseinanderzusetzen. Nun las ich in einem älteren Hanseatischen Logenblatt (November 1984) den Aufsatz "Ratschläge für Brüder Redner", aus dem der erste Satz Lautet: "Grundsätzlich sollen aufgelegte Zeichnungen nicht unterhalten, sondern belehren. Damit ergab sich für mich ein Konflikt, weil ich bei kritischer Einschätzung meines freimaurerischen Erkenntnisstandes es für vermessen halten muß, die Brüder dieser Loge mit einem freimaurerischen Thema zu belehren. Aus diesem Zwiespalt führt die Brücke, mich in der Zeichnung mit meiner bisherigen Zugehörigkeit zur Freimaurerei auseinanderzusetzen und damit vielleicht an die Stelle des Wortes "Belehrung" das Wort "Anregung" setzen zu können.

Ich habe der Zeichnung den Titel "Ein Suchender" gegeben und werde später erläutern, was ich damit im Besonderen gemeint habe.

Was ist ein Suchender? Im Katechismus der Lehrlinge fand ich den folgenden Satz:

Man bezeichnet die Aufzunehmenden als
Lichtsuchende, die aus der Finsternis
eintreten in das Licht der Maurerei.

Der Suchende im engeren Sinne wäre demnach der Aufzunehmende bis zur Lichtgebung. Und im weiteren Sinne? Hier gefiel mir - auf mich als Lehrling bezogen - ein Satz gut, den ich ebenfalls im Katechismus fand. Dort ist bei der Grundregel Nr. 27 aus dem Altfranzösischen zitiert:

Wo stehn die Lehrlinge? - Im Norden, weil
sie im Finstern sind und von dort auf die
Arbeit der Gesellen acht geben können.

Aber auch die hier angesprochene Stellung eines Lehrlings, der trotz Lichtgebung noch im Finstern ist, begrenzt sicherlich nicht den Begriff des Suchenden, ebenso wie die Beförderung zum Gesellen und die Erhebung zum Meister nicht ausdrücken, daß die Lehrzeit, also die Zeit des Lernens und Suchens abgeschlossen ist. Der Ausspruch "Der Mensch lernt nie aus" läßt sich in besonderem Maße auf die Freimaurerei übertragen, indem der Freimaurer sich sein ganzes Leben lang als Suchender sehen wird.

Aber nicht auf diese Definition des Begriffes kam es mir bei der Auswahl des Themas an. Es war vielmehr das Bedürfnis nach einer Bestandsaufnahme, das seinen Ursprung hat in einem mich seit längerem begleitenden Gefühl der Unzufriedenheit, der Unzulänglichkeit und der Unsicherheit. Mich bewegt der Gedanke, auf meinem bisherigen Weg als Freimauer zu wenig vorangekommen zu sein. Ich fühle mich auch heute im besonderen Maße als Suchender. Ich habe Wünsche, ich suche Anregungen oder vielleicht Zuspruch, daß der eine oder andere früher ähnlich gefühlt und gezweifelt hat wie ich heute.

Woran liegt es und was ist zu tun? Das "Woran liegt es" führt mich zunächst darauf zurück, wie ich zur Freimaurerei gekommen bin. Meinem Weg dazu möchte ich zunächst einen anderen, einen gegenteiligen voranstellen. Da gibt es sicherlich Menschen, die ohne Wissen um die Freimaurei Suchende in unserem Sinne sind, die bewußt unzufrieden sind mit ihrem als zu oberflächlich empfundenen Leben. Sie suchen daher bewußt nach einer Änderung und würden sich bei Aufnahme in unseren Bund sicherlich intensiv betätigen, weil ihnen die Freimaurerei genau das gibt, was sie gesucht und sich erhofft haben.

Dagegen ein anderer Weg, also mein Weg, bewußt selbstkritisch geschildert. Ich könnte mir vorstellen, daß dies nicht nur mein Weg war, sondern auch der anderer Brüder und vielleicht auch der eines künftigen Bruders unserer Loge sein wird.

Man spürt nach den ersten Aufbaujahren - ich meine damit Familie und Beruf - und der Befriedigung vieler materieller Bedürfnisse hier und da einmal, daß Beruf, Familie, der Bekanntenkreis, die Berieselung durch die Medien und selbst die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen nicht volle Zufriedenheit geben, und daß noch etwas Vertiefendes fehlt. Solche anfangs unbewußten und gelegentlichen Gedanken gehen dann häufig wieder unter in der zunehmenden Hetze des Alltags. In diese Phase hinein offenbart sich ein Bekannter als Freimaurer. Man erfährt vom Sinn und von den Zielen der Freimaurerei und spürt, das getroffen zu haben, was man bisher mehr im Unterbewußtsein vermißt hat.

Nehmen wir diese beiden Wege zur Freimaurerei, so lassen sich aus den unterschiedlichen Ausgangslagen auch unterschiedliche Lehrlings- oder Lernverhalten ableiten; nicht zwangsläufig, auf einen größeren Personenkreis bezogen aber sicherlich typisch. Der vorher schon bewußt Suchende wird durch intensive Arbeit ungefährdet seinen Weg gehen und zu freimaurerischen Erkenntnissen und Empfindungen kommen. Aber wie ist es mit dem anderen. Kann man von ihm den gleichen intensiven Einsatz erwarten?

Die Antwort ist: Eigentlich ja! Es gibt genügend Hinweise auf die Pflicht und Notwendigkeit, sich mit freimaurerischem Gedankengut auseinanderzusetzen als ein Teil der oder sagen wir als Voraussetzung für die Arbeit des Lehrlings am Rauhen Stein. Hierzu möchte ich nur einen Satz aus dem Katechismus zitieren:

Eifer muß der Lehrling bekunden, sich auszubilden
und zu vervollkommnen nach Richtung unserer frei-
maurerischen Grundsätze.

Natürlich habe ich mich bemüht: Lehrlingsunterricht, Lektüre der mir bei der Aufnahme übergebenen Schriften, Teilnahme an unseren Logenabenden und einmal auch das Collegium Masonicum. Aber es verbleibt die Frage nach der Intensivität dieser Arbeit.

Nur zu schnell kehrt eigentlich der Alltag wieder ein. Familie, Beruf, die Renovierung des Hauses und viele andere Dinge lenken ab. Zum Beispiel kollidiert der Tag des Lehrlingsunterrichtes mit dem Sportabend oder einer geschäftlichen Verpflichtung und zieht dabei nur allzu leicht den kürzeren. Auch die freimaurerische Lektüre zieht nach einem anstrengenden Tag leicht den kürzeren gegenüber einer Fernsehberieselung oder einem entspannenden Spaziergang. Es mangelt an dem richtigen Einsatz des 24zölligen Maßstabes, mit dem der Freimaurerei ein angemessener Teil der Zeit gegeben werden soll. Die Folge ist mein schon erwähnter Eindruck, auf dem Weg zur Freimaurerei noch nicht ausreichend vorangekommen zu sein. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausdrücke. Man wartet auf so etwas wie einen zündenen Funken, eine spürbare Änderung der inneren Einstellung. Zeigt die Arbeit am Rauhen Stein, also an mir selbst, schon Erfolg? Habe ich überhaupt an mir gearbeitet? Kann man den Fortschritt der Arbeit selbst erkennen und messen? Viele offene Fragen. Dies alles drückt meine innere Unzufriedenheit mit mir selbst aus, hat aber nichts damit zu tun, daß ich mich unverändert mit den Zielen unseres Bundes identifiziere.

Ein anderer Punkt in der gleichen Richtung sei auch noch erwähnt: Ich lese in Schriften und Aussagen, die ich nicht verstehen und verarbeiten kann und die mir deswegen auch nichts geben können, sondern wiederum ein Gefühl der Unzulänglichkeit hervorrufen. Nur ein Beispiel aus dem Buch Ritualkunde sei hier vorgetragen:

Das Ritual ist gewissermaßen ein dynamisches Symbol des großen kosmischen Geschehens. Die Teilnehmer sollen sich bewußt in die größere Ordnung des Universums einfügen und seine Elemente und Gesetzmäßigkeiten auch in sich selbst entdecken. Durch diese lebendige Beziehung zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos sollen sie lernen, sich über ihr kleines Menschenschicksal zu erheben und ihr Leben in zunehmendem Maße aus einem übergeordneten Bewußtsein heraus zu verstehen.

Man ahnt etwas von der Aussage, aber das ist noch kein Verstehen. Vielleicht werdet Ihr sagen - und das wäre meine Hoffnung - daß es für ein volles Verstehen solcher Aussagen heute noch zu früh ist; aber es ist immerhin eine Aussage aus dem Katechismus des Lehrlings.

Als Überleitung zu der Frage "Was kann man tun" und zu meinem Anliegen, möchte ich folgenden Satz zitieren:

Freimaurerei kann nicht gelehrt werden,
sie muß erlebt werden.

Dieses Erleben findet natürlich bei unseren Tempelarbeiten statt, worüber hier nicht zu sprechen ist. Aber Erlebnisse in diesem Sinne waren auch brüderliche Abende sowie die Teilnahme am Collegium Masonicum. Was hat diese beiden Dinge herausgehoben? Ich meine, es war das Gespräch, der Austausch einer Vielzahl von Ansichten und Meinungen, das im Vergleich zu vielen Schriften - ich verweise auf das eben gegebene Beispiel - verständlichere gesprochene Wort, die häufig umfassende Beleuchtung eines Punktes durch verschiedene Brüder. Sicherlich merkt Ihr, worauf ich hinaus möchte. Ich bringe auch eigentlich nichts Neues, weil es gerade in der letzten Zeit schon mehrfach bei uns im Gespräch war. Es ist der Wunsch nach weiteren Gesprächen über freimaurerische Themen an unseren brüderlichen Abenden.

Unsere Loge hat schon eine unschätzbare Einrichtung, indem sie die aufgelegte Zeichnung zur Diskussion stellt, nachdem jeder Bruder Gelegenheit hatte, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Dabei ergeben sich aus der Diskussion häufig Einsichten und Erkenntnisse, die den Inhalt der Zeichnung nicht unwesentlich erweitern. Daraus erwächst der Wunsch, auch an brüderlichen Abenden über ein vorher angekündigtes freimaurerisches Thema ein Gespräch zu führen.

Als Beispiel ist mir dabei besonders ein brüderlicher Abend in Erinnerung, an dem sich ein Gespräch über die Bedeutung der Lichtgebung ergab. Der Abend vermittelte mir den Eindruck, daß viele - oder alle? - Brüder angesprochen waren. Mir selber ist - ich muß es gestehen - erst an diesem Abend die Bedeutung der Lichtgebung voll bewußt geworden. Ich habe in dem Gespräch der Brüder förmlich gespürt, daß mit der Lichtgebung ewas ganz besonderes mit uns vorgeht, daß wir eintreten in ein neues Leben mit einem neuen Sinn und mit neuen Zielen. Als ich von Bruder Hinz hörte, wie sehr ihn dieser Augenblick in der Aufnahme erschüttert hatte, war ich zunächst beschämt, bei der Aufnahme nicht so empfunden zu haben. Wahrscheinlich überwogen trotz der guten Vorbereitung durch Bruder Karl S. Lampenfieber und die Fülle der fremden einwirkenden Eindrücke. Würde man die Empfindungen unseres Bruders Hinz aus einem Aufsatz lesen, so würde vielleicht das Gefühl der Beschämung oder einer Schuld nachbleiben. Aber auch hier hat das Gespräch mit den Brüdern geholfen, indem ich erfuhr, daß auch andere Brüder wie ich dieses tiefe Empfinden der Bedeutung der Lichtgebung während der Aufnahme noch nicht hatten.

Dies nur als ein Beispiel,. in dem sich für mich der Satz aus den Alten Pflichten vollzogen hat:

Ein jüngerer Bruder soll in der Arbeit unterwiesen werden, damit er den Werkstoff nicht aus Unkenntnis beschädigt und damit die brüderliche Liebe untereinander wachse und fortdauere.

Ich habe weit ausgeholt, um auf mein Anliegen zu kommen, und dabei ehrlich gesagt, wie schwer ich mich tue auf dem Weg in die Freimaurerei. Dies ist mein Problem, für das ich Hilfe erhoffe. Aber ich stelle mir auch vor, daß ein solcher zusätzlicher Kontakt und die Auseinandersetzung mit freimaurerischen Themen auch anderen Brüdern hilft. Wenn sich jeder selbstkritisch betrachtet, bin ich es vielleicht nicht allein, bei dem durch die täglichen Anforderungen des Alltags die Freimaurerei gelegentlich zu kurz kommt. Ich wage daher die Schlußfolgerung, daß ein Diskussionsabend mehr über freimaurerische Themen neben der Arbeit im Tempel auch für andere Brüder eine willkommene Gelegenheit zur Besinnung und Stärkung bietet.

Als ich als Suchender danach gefragt wurde, was der Bruderbund der Freimaurer von mir nach der Aufnahme erwarten könne, habe ich seinerzeit vorsichtig geantwortet:

"Versprechen kann ich heute nur die Bereitschaft zur Mitarbeit, die Bereitschaft zu lernen und zu üben. Ich hoffe, daß ich dadurch später in die Lage komme, selbst Beiträge zu leisten"

Damals glaubte ich, dies aus eigenem Antrieb erreichen zu können. Heute möchte ich sagen: Bitte helft mir, nur so kann ich Euch als Bruder auch etwas geben.



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