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Geheime Unternehmungen der Freymaurer

von Larudan, London Berlin 1788

Fünftes Capitel



Cromwell gab seiner Gesellschaft den Namen des Freymaurerordens, weil er willens war, ein neues Gebäude aufzuführen, das ist, das menschliche Geschlecht zu bessern, die Könige und Potentaten aber, deren Geißel er war, auszurotten. Um seinen Anhängern einen deutlichen Begriff von diesem Vorsatze zu machen, stellte er ihnen die Wiederaufbauung des Tempels Salomons vor. Auch hier mußte man den Verstand dieses außerordentlichen Mannes bey seinem





Vorhaben bewundern, da er unter der stillen Asche dieses fürchterliche Feuer verbergen wollen. Welche Vorstellung hat wol in der That mit einer Unternehmung von dieser Art mehr Aehnlichkeit gehabt? Man muß hier den Leser vornehmlich bitten, solche bis auf die geringsten Umstände genau zu erwägen.

Der Tempel Salomons war auf Befehl Gottes, welchen er diesem Fürsten gegeben, erbauet worden. Er war das Heiligthum der Religion, und der Ort, welcher den prächtigen Ceremonien derselben gewidmet war. Blos zur Herrlichkeit des Tempels hatte dieser weise Monarch so viele Diener bestellt, welche für dessen Reinigung und Auszierung sorgen mußten. Da dieses herrliche Denkmal viele Jahre in Pracht und Herrlichkeit gestanden, kam ein fürchterliches Heer, das es einäscherte. Das Volk, das die Gottheit daselbst, den ewigen Gott, anbetete, ward in Ketten und Banden nach Babel geführet, und endlich nach einer harten Gefangenschaft durch die Hand seines Gottes wiederum befreyet. Ein abgöttischer Fürst ward zum Werkzeug der göttlichen Gnade ausersehen, und erlaubte diesem unglücklichen Volke, nicht allein den Tempel in seinem vorigen Glanze wieder herzustellen, sondern sich auch der Mittel, die er ihnen zur Ausführung darbot, zu bedienen





In diesem Bilde nun finden die Freymaurer die genaue Vorstellung ihrer Gesellschaft. Dieser Tempel, sagen sie, in seinem ersten Glanze, ist das Bild des ersten Zustandes, worinnen sich der Mensch, da er aus Nichts erschaffen wurde, befand. Diese Religion, diese Ceremonien, so man daselbst beobachtete, sind nichts anders, als das allgemeine und allen Menschen ins Herz geschriebene Gesetz, welches seinen Grund in den Begriffen der Billigkeit und Liebe hat, wozu die Menschen unter einander verbunden sind. Die Zerstörung dieses Tempels, die Sklaverey derer, die darinnen zusammen kommen, sind Hofart und Ehrgeiz, die die Untgerwürfigkeit bey den Menschen eingeführt haben. Die Assyrier, das unbarmherzige Heer, sind die Könige, die Fürsten, die obrigkeitlichen Personen, deren Macht so viele Unglückliche, die sie gedrückt, völlig niedergeschlagen. Das auserwählte Volk endlich, dem man die Wiederaufbauung dieses prächtigen Tempels aufgetragen, sind die Freymaurer, welche der Welt ihr erstes Ansehen wieder herstellen sollen.

Die Freyheit und Gleichheit, diese wesentlichen Eigenschaften, sprechen die Freymaurer, welche von der menschlichen Natur nicht getrennet werden können, sind dem Menschen von dem Schöpfer nicht anders als Eigenthum, darüber niemand das geringste Recht hat, gegeben





worden. Nachdem Gott die Natur aus ihrem Nichts hervorgezogen, hat er den Menschen zu ihrem Haupt und vornehmsten Zierrath gemacht, ohne ihn einer andern als seiner eigenen Gewalt zu unterwerfen. Er ist es, der ihm die Erde, als einem Wesen, das von seines Gleichen gar nicht abhieng, und denen er ohne Gotteslästerung und Uebertretung der ausdrücklichen göttlichen Befehle nicht gehorsamen konnte, zur Wohnung angewiesen. Es ist nichts, sagen sie ferner, daß der Vorzug, welchen einige wegen ihrer Gaben, einige wegen ihres Verstandes haben, Verehrung und Hochachtung als einen Tribut zu fordern, geschienen: alle diese Vorrechte, die bey andern in einem höhern Grade, als bey ihm verbunden sind, rechtfertigen: der eifrige Gott, der ihn geschaffen, will seine Ehre mit niemanden theilen, und der Weihrauch eines solchen ist unrein, wenn er einige Körner davon auf dem Altar dieser zerbrechlichen und vergänglichen Götzenbilder, die nicht werth sind, daß man ihnen solche Opfer bringe, verbrannt hat. Mit einem Worte, man erniedrigt, man verdunkelt den Glanz, man verliert den ganzen Preis seiner Natur, wenn man in andere Menschen etwas mehrers, als eine Gleichheit und und einen Zustand, der besser und erhabener als der unsrige ist, anzutreffen glaubt.

Das sind die Meynungen der Freymaurer, welche sie durch die Vorstellung des menschlichen





Unglücks, und durch die Vorschläge, die sie, solchen abzuhelfen, thun, zu bestärken suchen. Von dem ersten urtheilen sie also: Wenn der Mensch, sprechen sie, gemerkt, daß seine Rechte vernichtet werden, wenn er sich von dem herrlichen Zustande, der seiner Natur gemäs war, heruntergesetzt, mit einem Worte, wenn er sich itzo mit Schmach und Schande in einer Unterwüfigkeit siehet; so hat ihn entweder der Hochmuth derer, die seines Gleichen sind, oder die Vergessenheit seines eigenen Nutzens in diesen Abgrund gestürzet. Hat ihn der Hochmuth dahin gebracht, so ist es seine Schuldigkeit, sich davon los zu machen, und sich wieder in die Freyheit und Gleichheit, welche ihm der Stolz geraubt, und das grausame Ungeheuer, das an seinem Verderben schuld ist, zu bezwingen. Im Gegentheil, wenn er selbst der Urheber seines Unglücks, wenn seine Erniedrigung das Werk seiner Hände ist, so muß er über die Bande, zu welchen er sich selbst verdammt hat, die Augen öffnen, und die Hülfe von der Hand annehmen, welche sie zerbrechen und die Tyranney fesseln will. Die Freymaurer nun zeigen den Willen, im Stande zu seyn, dieses Wunderwerk zu vollführen, alle diese unterschiedliche Familien in einen Körper zu vereinigen, welche ihren allgemeinen Ursprung, je mehr sie sich davon entfernt, so sehr vergessen haben, daß sie, da sie davon nur





ein Ganzes ausmachen, solches durch sich selbst, ob sie schon nur Theile davon sind, vorstellen wollen. Sie sind nach ihren Gedanken vermögend, die Fackeln der Zwietracht, welche die ganze Welt verzehren, auszulöschen, und die fruchtbare Asche derselben zu beleben, um eine vollkommenere und reinere Art hervorzubringen.

Gleichwie indessen die Kühnheit dieses Unternehmens, wegen dessen Ausführung einen Zweifel machen könnte, und die Freymaurer selbst im Ernst sich nicht schmeicheln, solchen allein, und in so kurzer Zeit auszuführen, so schlagen sie denen, mit welchen sie Mitleiden haben, gewisse Mittel vor, deren sie sich bedienen sollen, und welche ich anführen werde.

Durch diesen göttlichen Befehl erbauten, durch heidische Gewalt verwüsteten, durch Vorschub eines abgöttischen Monarchen neu aufgeführten, und von ihnen zum Sinnbild genommenen Salomonischen Tempel, verstehen sie erwähnter maßen, die dem Menschen anerschaffene Freyheit und Gleichheit. Sie zeigen ihm, daß er ohne sie in einer blossen Furcht und Erniedrigung schweben, daß er sie, nachdem er sie durch Gewalt verlohren, entbehren müssen: daß nicht blos die Gewalt das Werkzeug gewesen, ihm solche zu rauben, sondern daß man sich auch der





Unwissenheit und des Aberglaubens bediene, seine Augen zu blenden, und die Güter, welche man sich angemaßt, ungestraft zu behalten: daß seine glücklichen Tyrannen, indem sie ihren Thron auf sein Verderben gegründet, um solchen destomehr zu befestigen, ihm geschickt beyzubringen gewußt, daß die angenehmste Verehrung Gottes in einer Unterwerfung, und in einem blinden Gehorsam für die Beherrscher der Erden bestände; daß ihre Unterthanen, ohne Gott zu beleidigen, die Treue, die sie ihnen schuldig wären, nicht brechen könnten: daß endlich dieses das Netz, welches man dem Menschen künstlich gestellt, das wunderbare Geheimnis gewesen, dessen man sich, um ihn anzulocken, bedienet, daß man ihn etwas überredet, welches sein Murren gestillt und seine Vernunft eingeschläfert, ihn aber zugleich verhindert hätte, einen ersten und wohl überlegten Unterschied zwischen dem göttlichen und natürlichen Recht zu machen, indem er die Veränderung seines Zustandes nicht allein als etwas ganz Unmögliches, sondern auch als eine Verletzung der heiligsten Gesetze betrachtet.

Wenn man nun von dieser Lehre genugsam überzeugt worden, so ist nichts mehr übrig, als daß man sie recht anwende. Und hier zeigen uns die Freymäurer deutlich, daß dem, welcher eine Sache zu unternehmen sich erkühnet, nichts





schwer sey, daß das Gegentheil durch das Gegentheil zerstört werde, und die Empörung dem Gehorsam, der Unwille der Schwachheit folgen: daß man Gewalt mit Gewalt vertreiben, das Reich des Aberglaubens, um die wahre Religion zu erheben, zerstören müsse: daß man den Irrthum und die Unwissenheit verbannen, und nun dem Lichte der Natur nachgehen solle; daß es Gott selbst sey, der dem Menschen dieses Licht als eine ewige Lampe, seine Handlungen zu erleuchten, als ein sicheres Orakel, dessen Eingebungen er trauen, als einen gewissen Führer, auf den er sich verlassen könne, ins Herz gesetzt habe: daß der Herr der Welt, der sich sonst um die Handlung seiner Geschöpfe nicht bekümmere, allein ihren Gehorsam eifrig verlange, daß die Verehrung, die er hauptsächlich von ihnen fordere, eine bloße Erkenntlichkeit für seine Wohlthaten, und ein zärtliches Andenken seiner Geschenke sey: Daß man aber, wenn es anders mit Gewißheit möglich wäre, statt der Unterwerfung, die so lange Zeit durch Verblendung und Vorurtheile bestanden, die Bezauberung vertreiben, einen Anblick, der der Gottheit so schimpflich ist, vertilgen, die Götzen, welche ihm seinen Weihrauch nehmen wollen, zerbrechen, und der von Natur freye Mensch sich in den Besitz seiner Vorrechte wieder setzen müsse.





Diese Moral kömmt, wie man sieht, mit der Heiligkeit ihres Urhebers überein, und hat ohne Zweifel zu den geheimen Worten, deren sich die Freymaurer bedienen, Anlaß gegeben, wenn sie sagen, daß ihre Gesellschaft auf drey Hauptsäulen, die Weisheit, die Gewalt und Schönheit sich gründe, welche nichts anders, als die Eigenschaften des natürlichen Gesetzes sind, und der Gebrauch der Gewalt, die man anwenden soll. Ihr ist der Orden gleichfalls die prächtigen Namen, des Tempels der Wahrheit, des Mittelpunkts des Lichts, der neuen Welt, des glänzenden Gestirns, der unvergleichlichen Sonne schuldig, welchen Benennungen, da sie bis auf diesen Tag unbekannt gewesen, man den Namen der Neuheit wahrhaftig nicht streitig machen kann.

Man glaube aber ja nicht, daß man eine solche Lehre also platt vortrage. Nein, anstatt sie mit ihren rechten Farben abzumalen, überzieht man sie mit einem fremden Firnis, und weist sie nicht einem jeden Bruder ohne Unterschied in ihrer rechten Beschaffenheit. Der Orden ist allzu behutsam und allzufein, daß er nicht alle Arten von Figuren für gut befinden solle. Man untersucht die Gemüther, giebt der Sache ein anderes und besseres Ansehen, schwächt oder veringert die Kraft eines jeden Worts, und die





Absicht verschwindet. Dieser Tempel Salomons, diese Freyheit und Gleichheit, gehet blos die Loge an, und erstreckt sich nicht weiter: man redet nicht mehr von Entziehung der Herrschaft, von unumschränkter Freyheit, alles verwandelt sich in einem Augenblicke. Man spricht von nichts als den Pflichten, die man beobachten, von Gott, den man erkennen, den Tugenden, welche man ausüben, und der Treue, die man den Obern erzeigen müsse. Die Gesellschaft hat keinen andern Endzweck, als die Furcht des Höchsten, die Unterthänigkeit gegen die Potentaten, der Gehorsam gegen die Obrigkeit, die Liebe des Guten und die Verabscheuung des Bösen, nachdrücklich einzuschärfen. Die Fürsten sind Väter des Vaterlandes, lebendige Bilder, sterbliche Vorstellungen der Gottheit. Diese Lehren, die nun nicht mehr so unförmlich sind, verwandeln sich in so viele Sätze der strengsten Moral, und die Schule der Unart wird auf einmal der Lehrstuhl des Evangelii, und der Mittelpunkt der Tugend. Durch Hülfe dieser reinen und unpartheyischen Sätze befestigen wir unsere Freyheit und Gleichheit mehr und mehr, sagen die Brüder.

Wir wollen uns bey dieser Platonischen Republik nicht lande aufhalten. Wem nutzen alle schimmernde Schlüsse? hat Gott, dessen unendliche Weisheit alles zu einem gewissen Endzweck





geschaffen, eines seiner Geschöpfe bereitet, und ihm die Mittel doch nehmen, seine Zweck zu erlangen? Sollten diese Eigenschaften dieser schätzbaren Gaben dem Menschen, wenn er sie jemals erhalten, blos darum seyn gegeben worden, um das Werkzeug seiner Marter zu seyn, wenn er mit Verzweiflung und Verdruß gewahr wird, daß ihm Betrug und List darum bringen wollen? Was bedeutet das allgemeine Geschrey, das man in allen Herzen spüret, die sich über das Joch, das sie als Sklaven drückt, beschweren: Welcher Zustand scheint dem Menschen niederträchtiger, welcher Schmerz ist empfindlicher, als wenn sich einem Wesen von seiner Art, von gleicher Natur, und das nicht den geringsten Vorzug hat, unterworfen siehet? Welches Recht setzet selbiges zum Herrn und Tyrannen über ihn? Ist der unglückliche Unterthan nicht zuweilen besser, als jene? Wenn man ja einen Unterschied unter den Menschen machen wollte, sollten selbigen nicht die Tugend und die Frömmigkeit allein ausmachen? Es bleibet nur Gewalt gegen Gewalt übrig. Fürsten sind Bilder der Gottheit; aber sie müssen auch ihren ehrwürdigen Rang behaupten, sie müssen Väter, Vertheidiger und sichtbare Schutzgötter ihres Volkes seyn, so wie Gott selbst, dessen Herr und Erhalter ist? Kurz, wie kann der, welcher seine Pflichten selber nicht er-





füllet, die Gegenpflichten dafür fordern? Alle solche, mit einer declamatorischen Beredtsamkeit ausgekramten Schlüsse, fliessen demnach aus einem falschen und schlecht bewiesenen Satze. Der Gegensatz aus unsrer heilgen Religion, dessen Wahrheit auch ohne Ueberzeugung in Barbaren wirket, daß Könige von Gott eingesetzt sind, und mithin auch keinen andern Richter als Gott über sich haben, zertrümmert dieses ganze schimmernde Lehrgebäude. Es fällt sogar die Usurpation davon weg, da man zu ehrliebend und zu vernünftig ist, die ihren Urherrn selber in allen nur verderblichen Empörungen eines unsinnigen Pöbels gut zu heissen, und doch auch kein Utopia und erträumtes Land der Severamben aufrichten kann.

Merken die Freymäurer bey ihrem Schüler einen Verstand, der zu dergleichen Folgerungen nicht genugsam vorbereitet ist, so wissen sie ihrem Satze sogleich eine andere Deutung zu geben, deren sie ohnedem eine Menge im Vorrath haben, und in dieser neuen Moral, ob sie schon allemal einerley, und einen vielfachen Verstand haben kann, jede Sache so gut zu drehen, daß sie auch nicht einmal den geringsten Verdacht übrig lassen. Sie erzehlen ihm demnach, daß die Geschellschaft den Tempel Salomon aus keiner andern Ursache zum Wahrzeichen erwählt, als weil, gleichwie jener das fe-





steste und prächtigste unter allen Gebäuden, das jemals gestanden, man mag dessen Ursprung oder Bau selbst ansehen, gewesen: also auch keine von allen Gesellschaften, die die Menschen errichtet, fester und stärker, als der Freymaurer ihre sey; daß ihr einziger Endzweck sey, die verschiedenen Leidenschaften mit einander zu vereinigen, die Menschen mit dem Geiste des Friedens und der Eintracht zu erfüllen; ihnen die Gedanken von Ehre und Tugend, die sie immer mehr und mehr an ihre Pflicht verbinden, einzuprägen: die Schuldigkeit gegen die Obern nie bey Seite zu setzen; sich mit dem zärtlichen Brudernamen unter einander zu benennen, und dessen Person großmüthig vorzustellen, und mit einem Worte eine trefliche Gesellschaft, die keinen andern Entzweck, als Freyheit, Liebe und Gleichheit hat, zu stiften.

Ist diese Erklärung noch nicht nach dem Geschmack ihrer Kandidaten, oder sehen sie die Freymaurer voraus, daß sie selbige mit allzuviel Widerwillen annehmen würden, so wissen sie sich noch auf eine künstlichere Art zu verbergen. Der Tempel Salomons vedeutet bey der Gesellschaft nichts anders, als den Tempel, welchen sie selbst bauet. Der Tempel, welcher den Tugenden, welche man daselbst in der größten Vollkommenheit ausübt, gewidmet, aber zugleich ein Kerker für die Laster ist, wo diese Ungeheuer unter der Last





der strengsten Bande seufzen. Diese Laster aber bestehen nicht blos in dem Mißbrauch einiger moralischer Sätze; die Freymaurer sind in diesem Punkt sehr strenge.

Ihre Lehre ist weit ernsthafter, als diejenige, die die Laster, welche der Relion entgegen sind, verbannt, verursacht unterdessen, daß viele andere entstehen. Die Politik, die Oekonomie und der Eigennutz sind der Gesellschaft eigen, sie dürfen keine Veränderung leiden, und man darf nicht dagegen handeln, wenn man sich nicht eines abscheulichen Verbrechens schuldig, und einer ewigen Verfolgung würdig machen will. Endlich ist es nicht genug, um ein wahrer Freymaurer zu seyn, alles, was die reineste Philosophie und die heiligste Religion verordnet, nach dem Buchstaben zu erfüllen. Es ist nicht genug, von den Schwachheiten, die von der Natur beynahe nicht zu trennen sind, befreyt zu werden; man muß die Gaben, welche sie uns geschenkt, in ihrer Herrlichkeit erhalten, sie ausputzen, die Natur selbst vollkommen machen, und mit allen den Tugenden, welche sie fassen kann, mit dem Glanze und Schimmer, damit sie in ihrem ersten Zustande gezieret war, ausschmücken. Hier ruft der Theolog zu solchem stoischen Unternehmen: Gottes Geist spricht: Ohne mich könnt ihr Nichts thun: und wer hingehet, und sich abson-





dert, der ... Geduld, wir wollen in der Folge seine Einwürfe hören: Welche unter den Tugenden aber, die wir von der Natur erhalten, fahren wir itzo fort, den Freymaurer reden zu lassen, ist so edel und so vortreflich, als die Freyheit und Gleichheit? Welche verdiente mehr, daß die Menschen sich unter einander verbänden, und alle ersinnliche Mühe, ihre Rechte zu vertheidigen, anwendeten? Gewiß keine, und er kennet die Vortheile und Vorzüge derselben, als daß er solche den Neubekehrten nicht sollte merken lassen: ob es schon allemal auf eine Art geschiehet, die ihn bisweilen in den Stand setzet, daß er die Mittel, sie wieder herzustellen, nicht gebrauchen kann. Deswegen hat diese Freyheit und Gleichheit gewisse Gränzen, welche zu überschreiten, gefährlich und sündlich wäre. Beyde sind so beschaffen, daß sie mit der schärfsten Moral, so uns den Gehorsam gegen Gott und alle Obrigkeit anpreißt, bestehen können.

Dieser Gehorsam aber, füget er hinzu, gehet allzuweit, wenn er die Menschen auf Blindheit und Aberglauben führt. Dazu hat der Freymaurer einen Probierstein, einen Leitfaden, den jeder Mensch ergreifen muß, um sich aus diesem verwirrten Labyrinth zu helfen. Dies ist die erste Känntniß der Natur, der erste Stral des Verstandes, welcher uns erleuchtet, der erste





sichere Grund,welcher uns dazu treibt, mit einem Wort die Vernunft, die einzige Führerin. der man folgen muß.

So sehr auch diese Lehre verstellt ist, so kann sie es doch nicht so seyn, wenn sie nicht gar unverständlich werden soll, daß sie nicht einigermaßen anstössig klinge. Wenn also der, welchen man überreden will, noch zu viel Zärtlichkeit des Gewissens blicken läßt, wenn das Vorurtheil noch zu viel Gewalt über ihn zu haben scheinet, so greift man ihn so an, daß die Loge ihres Sieges und seiner Niederlage gewiß ist, wenn sie ihm einige Jahre Zeit lässet, bis er dahin, wo man ihn hinhaben will, gebracht worden ist. Dieser oft erwähnte Tempel Salomonis, seine Aufbauung und Pracht, sein Fall und Zerstörung, seine Wiedererbauung und Herrlichkeit, stellt nun nicht anders, als das menschliche Herz vor, das Gott selbst bereitet, mit seinen reichen Gaben überhäuft, zum Guten durch die Natur geleitet und geführt hat, das aber endlich durch die heftigen Leidenschaften verdorben worden ist. Das ist nun das bedauernswürdige Herz, welches in seinem Elend noch einen gewissen Ueberrest von Hoheit behalten, welches verlanget, daß man ihm solche ganz wiedergeben soll, darum man ihm solche ganz wiedergeben soll, darum man sich also bemühen, und also seine Kräfte anwenden muß. Es sind nicht mehr blos weltliche





und irdische Gebäude, womit sich die Freymäurer beschäftigen, der Himmel allein ist der Gegenstand ihrer Gedanken, die Welt ihr verderbter Zustand hat nichts mehr, welches sie reizen könnte: ihre einzige Bemühung ist, die Tugenden zu pflanzen und die Laster auszurotten. Salomon ist nichts anders, als die Vernunft, die in den ersten Zeiten alle ihre Handlungen regierte. Aber ach! diese glückliche Zeiten sind verschwunden, und haben nichts, als ein trauriges Andenken hinterlassen. Das Herz ist auf einmal unkenntlich geworden, ein schreckliches Herr von Assyrern, die Leidenschaften, haben den gewidmeten Tempel eingenommen, und die Seele ist in deren Knechtschaft erstarret. Diese allgemeine Schlafsucht, diese schädliche Bezauberung wollen die Freymaurer vertreiben; dies Sklaverey des menschlichen Herzens wollen sie vernichten, indem sie die Leidenschaften, die davon die Urheber sind, vertreiben, und das Herz gleichsam in seine erste Unschuld versetzen.

Der Vorsatz ist allerdings zu loben, wie die Ausführung zu wünschen ist, sie ist aber, nach ihrem eigenen Geständniß, noch allzuschwer, als daß man nicht alle nöthige Behutsamkeit dabey anwenden müßte. Denn fügen sie hinzu, seit der erschrecklichen Veränderung in der Natur, scheint der Mensch bey der Wahl des Guten und





Bösen geneigter zu seyn das letzte zu erwählen: nicht, als ob das Gute noch etwas Unzügliches hätte, sondern, weil er sich blos die verführerischen Sinne leiten lässet, weil er ihren Bewegungen folgt, und sie ganz allein anhört; worinn er den wilden Völkern ähnlich ist, die ohne die Lebensmittel, deren wir uns bedienen, zu kennen, mit Kräutern und Eicheln, oder wie die Lappen und Ostiaken mit gedörrten Fischen zufrieden sind, die man aber gleichwol nach und nach zu einer Veränderung der Kost angewöhne würde, wenn man ihnen oft die Vortreflichkeit und den Nutzen der unsrigen zeigen sollte. Auf gleicher Weise kann der Mensch, so durch die Freymaurer und ihren Eifer, ihm die Lehre des Ordens einzuschärfen, bewegt worden, sich endlich auf ihre Vorstellung ergeben.

Darum wollte auch der Stifter des Ordens nicht, daß man seine Moral auf einmal bekannt machen, sondern sie einem auserlesenen Haufen seiner Anhänger nach und nach zu erklären bemüht seyn sollte, wobey er sich der Sinnbilder bediente, um diese erste entstandene Gesellschaft, die man vor allem Ungewitter in Sicherheit bringen mußte, dem Verderben nicht auszusetzen. Die Vorsicht ist durchaus nöthig, weil diese große Werk sogleich verloren, und nicht ohne mächtige Schwierigkeit wieder hergestellt werden





kann, wenn die Widersacher die Anstalten gewahr werden. Er überließ daher die Erklärung seiner Lehre der Loge ganz allein, ohne daß etwas davon offenbar und allgemein würde: damit die Unheiligen, wenn sie von der natürlichen Vollkommenheit der Mitglieder überzeugt wären, mit ihnen vereinigt zu seyn wünschen, und indem sie selbige als die einzigen Besitzer der Ehre und Redlichkeit ansehen, zu dieser wunderbaren Quelle, mit eben der Begierde, womit ein Hirsch zu dem Brunnen eilet, laufen möchten, um daselbst den heftigen und brennenden Durst nach den Geheimnissen, entweder aus Leichtsinn oder Vorbedacht, welches dem Stifter einerley war, zu stillen.

Ihr indessen, welche dieser heisse Durst brennet, glaubt also ja nicht, daß euere Veränderung sich so plötzlich ereignen könne. Euer berühmtes Oberhaupt hat zwar dieser Quelle eine geheime Kraft, die sie heilsam macht, mitgetheilet; er hat aber voraus gesehen, daß man sie nicht nach der Größe des Durstes, welchen ihr empfindet, verschwenden müsse, und daß sie sich bald in Gift verwandeln würden, wenn man euch den Becher, der sie in sich faßt, austrinken liesse. Hierinne ähnlichte er den weisen Aerzten, die aus Gefälligkeit einem Kranken die Speise, die er verlanget, zwar erlauben, eine zu große Menge aber ihm so lange versagen, bis eine vollkommene





Wiedererlangung seiner Kräfte ihn in den Stand gesetzt, eine grössere Portion zu sich zu nehmen.

Dieses schlaue Betragen veranlaßte die bekannte Eintheilung des Ordens in Jungen oder Lehrlinge, Gesellen, Meister und Baumeister. Da der Stifter einmal der Allegorie die Augen auf den Tempel Salomons richtete, so ließ er nichts fahren, was seiner Absicht entgegen seyn konnte. Alle diese verschiedenen Klassen finden sich bey den Arbeitern am Salomonischen Tempel. Man theilte die Verrichtungen nach der Fähigkeit eines jeden Arbeiters, so in der Loge bekannt sind, ein. Man ordnet die Lehrsätze nach der Geschicklichkeit des Schülers so lange, bis er auf die Stufe der Vollkommenheit, so den Endzweck derselben einzusehen nöthig ist, gelanget, die verschiedenen Aemter, woraus sie bestehet, verwalten, und allemal die Eigenschaften eines Dieners, oder eines Menschen, der zur Ausführung willig ist, beyzubehalten. Was diese Diener oder Handlanger betrifft, so kann man ihren Ursprung finden, wenn man Achtung giebt, daß sich unter denen, welche an dem oft erwähnten Tempel arbeiteten, viele befanden, die blos bestellet waren, den Arbeitern das Nöthige, das sie allemal bereit halten mußten, zuzulangen: und daß man dergleichen in dem Orden eingeführet, um dessen Aehnlichkeit mit diesem Gebäude desto vollständiger zu machen.