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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Geheime Unternehmungen der Freymaurer

von Larudan, London Berlin 1788

Zehntes Capitel



Bisher haben wir nun von dem, was ausser der Loge vorgehet, und fast blos aus Ceremonien und Sachen von keiner sonderlichen Wichtigkeit, die uns einen ganz schlechten Begrif von dem Orden machen, besteht, gehandelt. Jetzo wollen wir auf den Grund der Lehre gehen, die uns, so zu sagen, an der Hand zu dem wahren Verstande der Sinnbilder der Freymäurer führen wird. Die Würde eines Meisters ist die Belohnung derer, welche die Zeit ihrer Arbeit zu Ende gebracht. Nachdem der Prätendent, so nennen wir den, welcher in eine höhere Klasse kommen





soll; nachdem sage ich derselben vorgeschlagen, so versammlet sich die Gesellschaft in der Loge, und wird alles zu seiner solennen Aufnahme zubereitet, mittlerweile aber sich der Aufzunehmende aussen vor der Loge befindet. Ist nun alles in gehörige Ordnung gebracht, so wird solcher von seinem Führer bis an die Thürschwelle des finstern Zimmers geführet, dessen Fenster feste zugemacht, die Mauern mit schwarzem Tuch bekleidet worden, und ein einziges Licht, so das Gemach erleuchtet, antrift. Bey diesem schwachen Scheine, und in diesem traurigen Gemach, legt er, nach Art der Gesellen, das Schurzfell an, und bleibt eine halbe Stunde allein. Wenn die Zeit vorbey ist, so kommt der Examinator, grüßt ihn als einen Gesellen, und fragt ihn: Ob er einen vollkommenen Beruf habe, in die Klasse der Meister zu treten? Der Prätendent antwortet solches mit Ja. Hierauf ermahnt er ihn zum Gehorsam, und zur Aufmerksamlkeit, und fraget ihn: Ob er sich mit denen, die sich freuen, freuen; und mit denen, die da weinen, weinen wolle? welches er gleichfalls mit Ja beantwortet. Alsdenn fängt der Examinator zu klagen, zu seufzen, zu heulen, und alle übrige Zeichen einer großen Traurigkeit von sich zu geben, an. Endlich streckt er die Arme aus, bewegt den Kopf und alle Glieder, und schreyt dreymal in dem altertraurigsten





Tone: Ach, ach, ach, er ist todt, er ist ermordet, er ist umgebracht! Wenn dieses Schreyen vorbey ist, wendet er sich zu dem Prätendenten und sagt zu ihm: "Bruder Geselle, unser erster Baumeister ist tod, ermordet und umgebracht. Sein Andenken verdienet unsre Thränen, und unsre allergrößte Traurigkeit. Weint ihr nicht auch? Wir haben euch unsern grossen und bedauernwürdigen Verlust, den wir erlitten, bishero verborgen gehalten. nun aber ist es Zeit, euch unser Unglück zu entdecken. Eure Treue und euer Fleiß in der Arbeit, haben sich bishero sattsam erwiesen, deswegen verdienet ihr unsere Geheimnisse zu erfahren. Unser Baumeister ist tod, ermordet und umgebracht." Er sagt ferner, daß die ganze Ceremonie, die man bald mit ihm vornehmen würde, in Klagen über den gewaltsamen Tod des großen Baumeisters, der das wahre Wohl aller Freymäurer unterstützet hätte, bestehen würde, und fragt ihn, ob er mit den andern Brüdern weinen wolle? Nachdem der Neuaufzunehmende Ja geantwortet, so sagt der Examinator: "O daß doch unsere Klagen glücklich und wohl aufgenommen werden möchten. Alles ist unserer Thränen würdig, der Ort, die Zeit des Todes und die Ursachen fordern solche insgesammt von uns". Nachdem man in diesem Zustande zwey Stunden verblieben, so geht der Examinator hinaus, und zwey Meister,





die man die Führer nennt, führen den Neuaufzunehmenden aus der Kammer und in die innerste Loge. Wenn sie da angelanget sind, klopfen sie zu drey wiederholten malen, und also in allem neunmal an. Auf dieses Geräusch macht man die Thüre halb auf, und der Hüter und Neuaufzunehmende fragen und antworten einander auf die Art, so wie wir oben bey der Aufnahme der Brüder=Diener erzehlet haben. Man ändert dabey nichts, als was man ändern muß, zum Exempel die Titel u. d. gl.

Nachdem nun diese Gebräuche beobachtet, und der Neuaufzunehmende in die Loge gebracht worden, stellen sich die Brüder auf den in der Loge gebräuchlichen Ort, und nehmen die Plätze nach ihrem Range ein. Es steht da über dieses ein Sarg, der mit neun angezündeten Lichtern erleuchtet ist, auf welchem ein Todtenkopf mit den Gebeinen, und das herrliche alte Meisterwort Jehovah angeschrieben.

Sodann wird der Neuaufzunehmende etwas näher zu dem Obermeister geführet, welcher als dann seinen Führer dergestalt zurufet: hat er seine Zeit gelernt? Ist sein Meister mit ihm zufrieden? Ist er auch würdig? Welches alles gedachter Führer anstatt des Candidaten mit Ja beantwortet. Hierauf befiehlt der Präsident





dem letzten Meister sich auf den oben erwehnten Sarg zu legen, und die Füsse nach dem Altar auszustrecken, Man bedecket sein Haupt mit einem blutigen Tuche: er muß die rechte Hand auf das Schurzfell des Ordens legen, und die linke gerade ausstrecken.

Nächstdem läßt der andere Aufseher den Neuaufzunehmenden dreymal auf dem Boden herumgehen, und endlich auf dem Platze nach Norden zu, der zwischen der zwey Aufseher ihrem ist, stehen. Die Brüder haben insgesamt weisse Schnupftücher, Handschuhe und Schurzfell. Sie seufzen, ächzen und weinen beständig, oder stellen sich wenigstens so: Sie wischen sich die Augen, heben die Arme in die Höhe, und machen wunderliche Gebärden zu Bezeugung ihrer Trauigkeit.

Endlich befiehlt der Meister dem Aufseher, dem Neuaufznehmenden die Art des Ganges der Meister zu zeigen, nachdem er ihn wegen seines Berufs, Gehorsams und der Erfüllung der Zeit seiner Arbeit examiniret hat. Dieser Gang bestehet darinnen, daß er die Füsse in Form eines Winkelmaaßes auf die Thüre nach Mitternacht stellt; hernach gehet er mit dem rechten Fusse fort, tritt auf die erste Stufe der Treppe, und setzt den linken auf die dritte. Er steigt die Trep-





pe hinauf, so daß die Zahl der Stufen worüber er weg ist, allemal ungleich ist. Damit fähret er bis an die sechste Stufe fort, wo er die Füße in Form eines Winkelmaaßes setzt, und stehen bleibt. Der Meister aber verläßt seinen Platz hinter dem Altar, und kommt zu dem auf den Sarge ausgestreckten Bruder. Hierauf wird das Weinen, Seufzen und Heulen verdoppelt. Der Meister hebt das mit Blut befleckte Tuch, womit man das Haupt des auf dem Sarge liegenden Bruders zugedeckt, auf, und das Klagen wird alsdann weit heftiger wiederholet. Hernach rücket der Meister die Knie des auf dem Sarge ausgestreckten von einander, stellt sich dazwischen und schreyt: Unser erster Baumeister ist todt, ermordet und umgebracht; wobey man die Zeichen der Betrübniß von neuem verdoppelt. Endlich nimmt der Meister den auf dem Sarge ausgestreckten Bruder bey der rechten Hand, zieht ihn an dem Zeigefinger, und sagt nur: Er ist todt; dann an dem Mittelfinger und spricht: Er ist ermordet. Endlich hebt er ihn selbst in die Höhe und schreyt: Er ist umgebracht.

Nachdem der Bruder in die Höhe gerichtet worden, nimmt er seinen Platz ein, der Meister befiehlt dem Neuaufzunehmenden seinen Weg fortzusetzen. Hierauf erkläret der Meister dem Neuangehenden das Amt der Meister, so in



Weinen, in Klagen, Seufzen, und in einem erbärmlichen Geschrey bestehet: in Weinen über Hirams Tod, in Klagen über die Grausamkeit seiner Mörder, in Seufzen nach seiner Auferstehung, und in einem erbärmlichen Geschrey, weil dieses glückliche Wunder nicht bewerkstelliget werden könne.

Eine andere Verrichtung der Meister ist, den Gesellen ihre Arbeit, und was sonst zur Wiedererbauung des zerstörten Tempels, wo man Gott, wie sichs gebühret, dienen, und die natürliche Ordnung beobachten soll, gehörig anzuweisen. In dieser Absicht machen die Meister Risse, und lassen solche die Gesellen ausführen, besorgen und vollenden ihre Arbeit, und geben den Unwissenden den nöthigen Unterricht.

Was die Wiederaufbauung des Tempels betrift, so verordnen sie den Gesellen alle Bruchstücke davon zu sammlen, sie zu bearbeiten und von neuem zurechte zu hauen, daß man den Tempel von den Werkstücken, woraus er ehedem bestanden, die man aus seinen verfallenen Mauern zusammen gelesen, wieder aufrichte könnte. Am Ende dieses allegorische Baues ruft der Meister aus: Unser erster Baumeister ist wieder auferstanden, er lebe, er lebe, er lebe! Alle Brüder wiederholen solches dreymal mit einem





freudigen und triumphirenden Tone, worauf man die Loge schließt, und jeder sich auf die beschriebene Weise wegbegiebt.

Der Leser wird eine Rede, die man bey einer solchen Gelegenheit gehalten, hier ohne Zweifel mit Vergnügen lesen. Brüder, sagt der Redner, weinet und heulet, lachet und springet vor Freuden in die Höhe. Er ist todt und lebet, er ist umgebracht, und befindet sich wohl, er ist ermordet worden, und triumphiret. Man hat nieder gerissen, was erbauet war, und hat wieder aufgebauet, was eingerissen war. Die Macht, die Tugend, das Licht wirken, regieren und erleuchten. Die Sonne, die Sterne, der Mond verfinstern sich, und glänzen in ihrem völligen Lichte. die Mauern sind eingerissen und doch unbeschädiget. Die Säulen sind zerbrochen und unversehrt. Die Hütte und der Altar sind eingeworfen und erbauet: Hier ist das Grab und das Leben. Ist der Berg nicht unbeweglich? Blühen die Bäume nicht? Der Frühling findet sich im Winter, und der Winter im Frühling. die Sachen sind verwirrt und nicht verwirrt, sie scheinen es, und scheinen es nicht. Wie endlich? es wird die Zeit





kommen, da sich das Wasser, Feuer, der Tieger und der Hund, die Schlange und die Taube mit einander vereinigen werden. Arbeitet, seyd klug, scharfsinnig, unermüdet. Die Hand und der Geist des Baumeisters leiten uns. Wir wollen es zu Stande bringen. Brüder, weinet und klaget, lacht und springt für Freuden

Das ist die Probe einer von ihren Reden, daraus man den Geschmack, so in den andern herrschet, schließen kann.

Deswegen stellen sie auch solchen bey der Aufnahme der Meister, zerstöret, und alle seine Theile in entsetzlichen Verwirrung und Zerrüttung vor, um den Neuaufzunehmenden fest einzuprägen, daß der Verlust der Freyheit und Gleichheit der Ursprung alles Uebels, so den Menschen drücke, sey. Der Tod des Hirams ist also der Verlust dieser Freyheit, welche ihm durch die Gewalt und List der Feinde entrissen worden. Indem die Menschen statt der glücklichen Zeit, in welcher sie ruhig lebten, und die Zuflucht zum Tempel der Freyheit und einen Ueberfluß von Guten, der ihre Freuden beständig machte, hatten, sie jetzt hingegen von Tyrannen, so ihre Gewalt mißbrauchten, und ihnen das Le-





ben blos, um es in der Scalverey zu zubringen unterdrückt werden, gelassen. Das ist die Veränderung und der Stand der Dienstbarkeit, welcher der Natur ganz zuwider ist, und den man durch die Unordnung des eingerissenen Gebäudes vorstellen will. Man sagt, daß es aus seinen Ruinen wiederum aufgeführet werden solle, indem die durch Gewalt und List unterdrückte Freyheit durch eben diese Mittel wieder hergestellt werden soll. Die Finsternisse der Sonne, der Sterne, und des Monds, bedeuten die Irrthümer in der Religion, die Unwissenheit und Leichtsinnigkeit, die beständig die Menschen unter dem Joche und ihrem Elende halten und unglücklich machen. Diese Gestirne glänzen unaufhörlich, weil die Freymäurer durch die Vorurtheile nicht geblendet werden. Hierauf gründen diese sich widersprechende Reden, davon sich alle, so etwas Vortheilhaftes in sich halten, auf die Freymäurer, die andere auf die Unheiligen beziehen. Und gleich wie sie ihr Vorhaben mit der Zeit auszuführen hoffen, so rufen sie, nachdem sie über den Verlust ihrer Freyheit geseufzet, freudig und zu wiederholten malen aus: Unser Baumeister ist wieder auferstanden; Das ist, er ist in dem Herzen und in den Unternehmungen des Ordens, in der Mühe, die er sich giebt, und in den Mitteln, deren er sich dazu bedienet, wahrhaftig wiederum lebendig.





Man muß anmerken daß das Schurzfell der Meister eine Klappe hat, so in die Höhe geschlagen, und mit einem Knoten an dem Kleide fest gemacht und zugeknüpft ist. Bey der Aufnahme, und ehe der Neuangehende in die Loge tritt, machen die Meister ihr Zeichen, währender Aufnahme das Gesellenzeichen, und wenn die Aufnahme vorbey ist, nehmen sie ihr voriges Zeichen wieder an. Wird mehr als einer angenommen, so bleibt der erste auf dem Sarge, bis der andere die oben beschriebene Umgänge gehalten hat, sodann steht er auf, und kommt ein anderer an die Reihe.

Dem Meister ist keine gewisse Zeit gesetzt. Niemand wird zur Stelle eines Baumeisters erhoben, wenn man bey ihm zuvor nicht gewisse Lust zu den Lehren des Ordens bemerkt hat. Deßwegen bleiben auch fast alle beständig Meister, und wenn sie weitere Beförderung verlangen, so schlägt man es ihnen, nach den Regeln der Ausschließung, so wir oben, da wir von den Bruder=Dienern geredet, angeführet, glatt ab; oder man sagt ihnen wenigstens, daß die Zeit, da sie bloße Meister seyn sollten, noch nicht verflossen sey; oder man versichert sie auch wohl, daß die Stelle eines Schotten im geringsten nicht mehr oder ansehnlicher, als eines Meisters wäre, da die, so den ersten Titel führten, sonst nichts





besonders hätten, als daß man sie zu Aufsehern erwählte, und daß sie noch mehr als andere, und gleichsam Amts wegen, auf alles was zum Nutzen und Vortheil, und zur Ehre des Ordens gereiche, Achtung geben müßten. Das ist die Entschuldigung, so sie vorbringen, sonderlich wenn Fürsten und große Herren ihnen anliegen, sie unter die Schotten aufzunehmen. Allein die Freymäurer wiedersprechen sich hierinnen, indem man in einer ordentlichen Loge weder Meister noch Aufseher seyn kann, wenn man ein bloßer Meister ist. Man kann indessen zu der Würde eines Meisters, oder National=Protektors, der den Rang über alle Meister der Logen hat, gelangen, ob man schon ein bloßer Lehrling ist, wie die Erfahrung lehrt, daß eines von denen jetzt lebenden gekrönten Häuptern dergleichen Stelle habe. Es ist also ein Zeichen, daß man den Grund des Lehrgebäudes der Freymäurer weder selbst wissen, noch andere lehren könne, wenn man kein Schotte ist, indem die Verrichtungen dabey diese Erkänntniß gefordert, bloß diesem letztern übergeben werden; da solche hingegen den Großmeistern oder Nation=Protektoren, welche die Sorge in der Loge, worinnen sie sich befinden, zu präsidiren, und die Neuaufzunehmenden zu unterrichten, den Meistern und Aufsehern der Loge überlassen, nicht eben nöthig ist.