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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
- Allgemeine innere und äussere Geschichte der Bauhütte -
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1863

B a n d III. - Kapitel I



Bei den Aegyptern war die Baukunst 1) gleich allen übrigen Künsten und Wissenschaften das Geheimniss und das Vorrecht der Priester, der von ihnen Auserwählten und Eingeweihten. Ohne Zweifel waren in Uebereinstimmung mit den sonstigen Einrichtungen der Priester oder vielmehr mit der ganzen priesterlichen ägyptischen Staatseinrichtung die Lehre und die Ausübung der Baukunst und ihrer einzelnen Hülfskünste bestimmten Priesterklassen, nach Diodor I. 74 sogar erblich, übertragen, und gewiss enthielten ihre 42 heiligen oder hermetischen Bücher auch darüber sorgfältige Vorschriften, wie dieses von der Arzneiwissenschaft z. B. gemeldet ist. 2) Es kann deshalb nicht zugestimmt werden, wenn Uhlemann, II. S. 60, die Künstler von den Priestern unterscheidet und die Künste mit den Handwerken von den erobernden Priestern und Kriegern den Ureinwohnern überlassen glaubt. Dass die Künstler und Handwerker streng abgeschlossne, erbliche Kasten, gleichsam Zünfte gebildet haben, wird allgemein angenommen: allein es können die Künste und besonders die Baukunst, die Sculptur, Malerei, vielleicht auch Holzschnitzerei, nicht den blossen Handwerken gleichgestellt und nicht den




    1) Vergl. darüber Uhlemann, ägyptische Alterthumskunde, II. S. 108 ff. Bezüglich der Literatur über Aegypten überhaupt wird verwiesen auf Jalowicz, bibliotheca Aegyptiaca, Leipzig 1858, und dazu Supplement I. Leipzig 1861.
    2) Uhlemann, II. S. 236.



Priestern entzogen werden, und zwar wesentlich aus zwei Ursachen; die Baukunst konnte nicht erlernt werden ohne die Arithmetik und Geometrie, ohne die mathematischen Hülfswissenschaften überhaupt, und mit diesen 1) muss daher auch jene den Priestern vorbehalten gewesen sein; ferner griff der Tempelbau mit den Tempelsculpturen und Tempelmalereien in die innerste Religion ein und musste daher von der Priesterschaft nothwendig beaufsichtigt und geleitet werden. Eben so wurden die Fluss- und Canalbauten, die Tempel- und Palastbauten, die Pyramiden und Obelisken, die Felsengräber für die Könige und die herrschenden Kasten nothwendig von Staatswegen oder als öffentliche durch die Staatsbeamten ausgeführt, aber die ganze Staatsverwaltung war den Priestern anvertraut. Die Baumeister, die Baukünstler, Bildhauer und Maler, auch vielleicht Holzschnitzer wurden demnach in den Priesterschulen erzogen und geweiht, und die Priesterschulen, die Mysteriensitze waren zugleich Bauschulen, Bauhütten, wiewor dieselben theologische Seminare, Rechtsschulen, Aerzteschulen u. s. w. gewesen sind. Es darf die ägyptische Daukunst zu der ägyptischen Priesterschaft in dasselbe Verhältniss und dieselbe Verbindung gestellt werden, in welchen die Kirchenbaukunst zu den Klöstern und Bischofssitzen, zu den Aebten und Bischöfen stand, und die Oberpriester waren Obermeister der Baukunst, wie die Hauptbauhütten sich zu Theben und Memphis befunden haben mögen. Handelte es sich um die Ausführung von Bauten, zog natürlich dazu die bauleitende Priesterschaft die eigentlichen Handwerke, besonders der Maurer und Steinmetzen, ja gewiss nicht selten ganze grosse Volksmassen, selbst militärische Hülfe hinzu, wie aus den auf den Denkmalen vorhandenen Darstellungen und aus den durch Wilkinson besonders gegebenen Abbildungen entnommen werden kann. 2)

Die Aegypter sind die ersten und ältesten Architekten der Erde, weil, sobald sie zu bauen anfingen, sie in Stei-




    1) Schnaase, Geschichte der bild. Künste, I. S. 300.
    2) Vergl. auch Uhlemann, II. S. 115.



nen 1) bauten, indem das Land an den beiden Ufern des Nils (d. i. des Flusses von dem phönicischen Nahar, Nahal, Nachal = Fluss, woraus nach Röth, Geschichte unserer abendländischen Philosophie, I. S. 201 und 203, die Griechen ihren Gott Nereus gemacht haben sollen) in dem engen, holzarmen Thale zwischen zwei Bergzügen durchaus kein anderes Baumaterial darbot und keinen andern Baustyl zuliess. Der gleiche Holzmangel oder die Steine als einziges Baumaterial wirkten auch auf den Baustyl selbst gestaltend ein. Da selbst die Decken der Gebäude aus Steinen, aus Steinbalken angefertigt werden mussten, wurde es erforderlich, die schweren Decken mit Säulen zu stützen und mit keinem weitern Dache zu belasten, das flache Steindach einfach zu belassen. Innerhalb dieser von der Natur und der Nothwendigkeit gezogenen Schranken bewegte sich die ägyptische Baukunst, als deren Princip daher Lübke, Geschichte der Architektur, S. 60 ff. (der zweiten Auflage) die flache Steinbalkendecke. im Innern mit Säulenbau bezeichnet. Die Steinsäule, bestimmt die Steindecke zu tragen, gestaltete sich dieser Bestimmung gemäss weniger zu einem schönen Schmucke des Gebäudes, als zu einer starken und festen Stütze desselben, wie in diesen wesentlichen Eigenschaften bei den Griechen die dorische Säule hervortritt und wie die sechszehnkantige ägyptische Säule mit ausgetieften Rinnen nach Art des dorischen Säulenschaftes eben deshalb die vordorische, die ur- oder protodorische genannt wird. 2) Die dorische, die ägyptische Steinsäule darf gleichsam als Ursäule in dem Sinne angesehen werden, dass eine steinerne Säule kaurn anders und schmuckloser zu ihrem Zwecke gestaltet werden konnte, weshalb auch Vitruv dieselbe unter den verschiedenen Säulenordnungen für die erste und die älteste erklärt. Der ägyp-




    1) Ueber die Streitfrage. ob der Stein- oder Holzbau ursprünglicher sei, vergl. z.B. Romber und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 9. Beide Bauarten sind gleich ursprünglich je nach dem Baumateriale und Bedürfnisse eines Landes. Zu dem Steinbau, eigentlich Quaderbau, darf auch der babylonische Backsteinbau gerechnet werden.
    2) Lübke, Geschichte der Architektur, S. 50.



tische Steinbau wurde sehr bald zu einer mit Bewusstsein geübten Kunst, zur Architektur, indem mit der Baukunst bei den ägyptischen Priestern sich gleichzeitig die Messkunst (Geometrie) und die Beobachtung der Gestirne, besonders des Mondes und der Sonne und des Hundsternes (die Astronomie), wegen ihrer Beziehungen zu den regelmässig wiederkehrenden und die Fruchtbarkeit Aegyptens bedingenden Ueberschwemmungen des Nils entwickelte. Die Steine, die Gebäude wurden gemessen und Alles in ein bestimmtes Mass gebracht; es entstand der Quaderbau, der Bau mit regelmässig behauenen Steinen. Dieser Bau war ebenso ein Wasserbau, der Fluss-, Kanal- und Deichbau, worauf die Aegypter durch den Nil geführt wurden, da derselbe im Interesse der grösseren Bewässerung und Befruchtung des Landes beherrscht, gedämmt werden musste. Die Flussüberschwemmungen des ebenen Landes, des Thalgrundes wiesen endlich den Todten die Berge und die darin ausgehöhlten Felsgräber als ihre Ruhestätte an. Auf diese Weise sehen wir bei den Aegyptern die ihnen eigenthümlichen Künste und Wissenschaften gewissermassen dem Boden entwachsen, örtlich bedingt und Lübke, a. a. O., S. 47, sagt deshalb nicht ohne Grund: "Wenn irgend ein Land unter dem Banne scharf ausgeprägter Naturbedingungen liegt, so ist es Aegypten."

Die Baukunst in Aegypten muss jedenfalls als eine sehr alte betrachtet und Jahrtausende vor Christus, vielleicht selbst vor der pelasgisch-hellenischen Zeit hinaufgesetzt werden, auch wenn man den Ausführungen und Ansichten von Bunsen, Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte, Va. S. 333, über Aegypten und die Weltalter nicht ganz bestimmen und sonach die ägyptischen Anfänge nicht 10,000 bis 11,000 Jahre v. Chr. hinaufrücken sollte und wollte. Bunsen (Va. S. 367) setzt bei den Aegyptern weit über 3000 Jahre v. Chr. die Erfindung des Quaderbaues, die Entwickelung der Schrift, der Landmesskunst und Astronomie, die Rechnung nach dem Sonnenjahr von 365 Tagen, - die Erbauung der grossen Pyramiden, die Anfänge der Heilkunde u. s. w., so dass also schon im alten ägyptischen Reiche oder vor den Hyksos die ägyptische Bildung begründet und entwickelt war, um so-





dann im neuen Reiche während des 15., 14. und 13. Jahrhunderts v. Chr. in den Tempelbauten zu Theben ihre höchste Entfaltung und Höhe zu erreichen. 1) Die Bauart mit behauenen Steinen, welche Dionysius in der römischen Archäologie auf die Tarquinier zurückführt und als eine wichtige Neuerung in der Geschichte der römischen Civilisation hervorhebt, soll schon unter Sesortosis-Sesostris, nach Manetho einem der ersten Könige der dritten Dynastie, fallen.2) Bunsen setzt die Regierungszeit des Sesortosis von 3348 - 3319 v. Chr.; nach Bachofen wäre Sesortosis der ägyptische Urgesetzgeber und würde unmittelbar auf die Regierung der Götter folgen. Mit der ägyptischen Steinbaukunst war ihrer Natur nach die Ausbildung einer Steinmetzkunst und zwar als eigentlicher Kunst wie als eines blossen Handwerks innigst verbunden, wobei wir die Steinmetzkünstler gleich den Baukünstlern unter die Priester, in die Bauschulen und Bauhütten einreihen möchten. Die Aufgabe der Steinmetzkünstler war es, die kahlen Steinflächen der Tempel Paläste, Gräber, Obelisken entweder mit Hieroglyphen oder mit versenkten Reliefs (basreliefs en creux) zu schmücken und zu beleben, wie sie es mit eben so grosser Geschicklichkeit als Thätigeit längs der beiden Ufer des Nils bis hinein nach Meroe gethan haben; 3) als grösste Leistung der ägyptischen Steinmetzen sind die kolossalen Steinfiguren, z. B. die berühmte Sphinx, die Kolossalstatuen des Hofes im Palaste zu Medynet-Abu. 4) die ähnlichen Statuen bei Ipsambul in Kubien, 5) anzusehen. Wie die Baumeister und Steinmetzkünstler des christlichen Mittelalters sich in künstlichen Zahlen und Massen, in den genauesten Berechnungen, namentlich des Achtorts gefielen, sollen die ägyptischen Steinmetzkünstler schon frühe ihren menschlichen Figuren einen genauen Canon zu Grunde gelegt und nach




    1) Lübke, Geschichte der Architektur, S. 53 ff.
    2) Bunsen, Va. S. 367; Bachofen, Mutterrecht, S. 102. § LIII.
    3) Schnaase, I. S. 428.
    4) Schnaase, I. S. 405; Lübke, S. 55.
    5) Lübke, S. 56.



deren Berechnung dieselben angefertigt haben. 1) Die Aegypter haben nach Diodor den ganzen menschlichen Körper in Theile eingetheilt, wornach sie dann die Verhältnisse der einzelnen Glieder zu einander berechneten. 2) Die Skulptur, die architektonische Skulptur, und die ähnliche Malerei folgten mithin bei den Aegyptern genau dem Entwicklungsgange ihrer Architektur und wurden durch die gleichen Priester und Priesteranstalten gepflegt und getragen. In der Architektur mit den bezeichneten Nebenkünsten wurden die Aegypter frühe und zuerst die Lehrer und Vorbilder der die Küsten des Mittelmeeres bewohnenden Völker, besonders der Phönicier, Griechen und Etrusker, - aller steinbauenden Völker des Abendlandes.

Ohne hier die viel bestrittene Frage über die Einflüsse der Aegypter auf die abendländische Bildung 3) erschöpfen und endgültig entscheiden zu wollen, möchte dabei besonders und mehr zu berücksichtigen sein:

  1. Die Lage der in Betracht kommenden Völker an den Küsten und auf den Inseln des Mittelmeeres, welche seit den ältesten Zeiten durch Schifffahrt und Handel, Wanderungen und Kriege mit einander in der innigsten Verbindung und in dem regsten Verkehre standen. Die gegenseitigen Einflüsse dieser Völker mussten auf vielfachen sichtbaren und unsichtbaren Wegen unausbleiblich erfolgen, selbst wenn jede bestimmte urkundliche Nachricht darüber mangeln sollte. 4)

  2. Das hohe Alter und die frühe Vortrefflichkeit des ägyptischen Steinbaues, dessen Bedürfniss und Vortheile die übrigen Völker empfinden und erkennen mussten, sobald sie sich zum Steinbau hinneigten und entschlossen, und dessen Wesen und Hauptsache keinen Stylveränderungen nicht dem blossen Geschmacke unterworfen ist,




    1) Meine Symbolik, II. S. 493.
    2) Schnaase, I. S. 431 ff.
    3) Vergl. auch Schnaase, II. S. 175 und 203 Anm.; Thiersch, die Epochen der griechischen Kunst, München 1829.
    4 ) Beck, Geschichte der Griechen und Römer, Hannover 1858. S. 42 Anm.; Herrmann, Lehrb. der griech. Staatsalterthümer, §. 4.



    sondern unverändert beibehalten werden muss. Dieses gilt von dem Quaderbau als solchem namentlich in seiner Anwendung auf Hafen- und Flussbauten, worin bei den Aegyptern schon König Mares, Moeris (2677 - 2635 v. Chr. nach Bunsen Va. S. 370 und 371) durch die Ausmauerung und Schleusenwerke des Mörissees glänzte und womit die anfänglich und lange im ausschliesslichen Besitz der Schifffahrt und des Handels auf dem Mittelmeere befindlichen Phönicier gewiss bekannt geworden waren. In dem Hafenbau waren daher die Phönicier aller Wahrscheinlichkeit nach die Schüler der Aegypter, sei es, dass bei ihnen ihre Bauleute lernten oder dass sie ägyptische Bauleute bei sich bauen liessen, wie das Letztere von dem nach Menander durch König Hiram erbauten Heraklestempel zu Tyrus namentlich berichtet wird. Den ägyptisch-phönicischen Hafenbau verbreiteten sodann auf ihren Handelszügen die Phönicier an allen Küsten des Mittelmeeres, zumal wenn sie bleibende Handelsniederlassungen oder sich selbst in fernen Gegenden die nöthigen Häfen bauten. Der durch einen kostbaren Damm befestigt gewesene Hafen von Samos 1) möchte z. B. unter phönicisch-ägyptischem Einflusse und Vorbilde entstanden sein. Die sogenannten cyklopischen Mauern 2) in Griechenland, z. B. zu Tiryns, Argos und Mycenae, - in ltalien, - auf Sardinien und Malta, - in lrland (Kist-vaen oder Trilithon genannt), möchten als die ersten rohen Versuche des Steinbaues bei den arischen Pelasgern zu betrachten sein, weshalb sie auch von den rohen und unbehauenen Steinen zu den stets mehr und mehr behauenen fortschreiten und durch geschicktere Baumeister und Baustyle bald verdrängt werden. Bachofen, das Mutterrecht, Seite 102 Anmerkung, hat jüngst mit R. Rochette, Hercule, §. 5, p. 35 ff., die Behauptung zu begründen versucht, dass die (mythischen) Cyklopen, welche die Mauern von Tirynth und Mycenae erbauten, eine wirkliche Handwerksgenossenschaft asiatischen und zwar lycischen Ursprungs gewesen seien; diese Genossenschaft von Bauleuten und Erzarbeitern




    1) Funke, Real-Schullexikon, unter Samos.
    2) Vergl. Schnaase, II. S. 162 und 376; Schoemann, I. S. 8.



    habe sich wandernd aus Asien über Griechenland, Thracien und Sicilien ausgebreitet, Städte und asiatischen Kultus und Kultur gegründet; die Siebenzahl, welcher der cyclopische Religionskult angehöre, und der phönicische Kanon, nach welchem sie ihre Bauten errichteten, erhebe die Herkunft ihrer Kunst über jeden Zweifel; Lycien erscheine als Bindeglied assyrisch-asiatischer und hellenischer Kultur. Wohl mit grösserem Rechte hält Schwarz, Ursprung der Mythologie S. 15 ff., die Cyclopen für himmlische Gewitterschmiede und die cyclopischen Mauern für die von ihnen aufgethürmten Wolkenberge, deren Mythus gleich vielen andern Mythen später nur irdisch localisirt wurde. An Bachofen schliesst sich aber H. Barth, das Becken des Mittelmeeres in natürlicher und kulturhistorischer Beziehung, Hamburg 1860, S. 18, insofern an, als er glaubt behaupten zu dürfen, dass wir selbst die kleinsten Motive der bei den Griechen üblichen architektonischen Ornamente bei den Assyriern wiederfinden. - Die alten Rundbauten auf Sicilien und namentlich in Sardinien, die sog. Nuraghen sind nach Vergleichung mit ähnlichen auf Gozzo gefundenen Bauwerken und mit etruskischen Rundbauten zufolge Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 58, orientalisch-phönicischen Ursprungs, welche dem mythischen Daidalos zugeschrieben werden. Auch der Gewölbebau, der Keilsteinschnitt, welchen wir am frühesten bei den Etruskern, z. B. am Thore zu Volterra, und durch sie an der Cloaca maxima zu Rom aus der Zeit des Tarquinius Priscus finden, 1) könnte nach Kugler, Kunstgeschichte, I. (dritte Ausgabe) S. 92, den Etruskern aus Aegypten zugekommen sein, indem er sich hier, nach den Ziegelgewölben der Urzeit, bereits in den Gräbern der 26. Dynastie vorfindet. Von dem sog. Grabe des Osymandias zu Theben bemerkt Lübke, a. a. O., S. 55, es seien einige weitgedehnte, von Ziegelsteinen ausgeführte Hallen tonnengewölbförmig bedeckt. Schnaase, II. S. 377, will dagegen die Erfindung der Wölbungskunst den etruskischen Baumeistern beilegen und erklärt sich (II. S. 394) überhaupt gegen die frühere Meinung vieler Archäologen, wor-




    1) Meine Symbolik, I. S. 360.



    unter auch Strabo, dass die etruskische Kunst gleich der altgriechischen der ägyptischen verwandt und nahestehend sei. Dennoch möchten die ägyptischen Einwirkungen auf die etruskische wie auf die altgriechische 1) Sculptur oder Plastik nicht abzuweisen und zu erwägen sein, dass ägyptische Bildwerke und Götterbilder besonders anfänglich als eine blosse Waare von den Phöniciern den Etruskern und den Insel- und Küstengriechen zugeführt worden sein können, da die inländischen Künstler solche noch nicht zu liefern verstanden und erst nach den fremden Mustern den eigenen Geschmack und die eigene Kunst biIdeten; ähnlich wie die keltischen Kunst- und Götterbilder griechisch-römische sind. Die Griechen, weniger schon die Etrusker, schufen schnell die eigene Kunst und ohne alle eigenen Kunstschöpfungen blieben die Kelten in Gallien und Helvetien. Die seebeherrschenden, handeltreibenden und bergbauenden Phönicier hatten gewiss Jahrhunderte lang und bis in die Zeiten des trojanischen Krieges (nach Peter, Zeittafeln der griechischen Geschichte, 1193 - 1184 2)) und selbst noch Homers viele Küsten der Inseln und Festländer des mittelländischen Meeres sich wirklich bleibend unterworfen, daselbst Handelsniederlassungen gegründet oder sonst den Handel und die Schifffahrt an sich gebracht, so dass die griechischen und italischen, gallischen und hispanischen Insel- und Küstenbewohner die Einwirkungen der phönicischen Herrn und Kaufleute tragen mussten, bis sie selbst unabhängige Handelsstaaten und Handelsstädte und namentlich gleich den Griechen ein schifffahrendes und handeltreibendes Volk wurden, auch in Kunst und Wissenschaft die Phönicier einholten oder gar übertrafen. Als die Pelasger, die Griechen zuerst mit den Phöniciern zusammentrafen, waren sie weit ungebildeter als diese und besonders als die mit ihnen verkehrenden Aegypter, daher der fremden höheren Bildung bedürftig und eben deshalb auch dafür empfänglich. 3) Die




    1) Meine Symbolik, II, S. 493.
    2) Vergl. auch Hermann, Lehrbuch der griech. Staatsalterthümer, §. 4, Anm. 2.
    3) Peter, a. a. O., S. 8, Anm. 8; Schoemann, I. S. 10.



    Phönicier brachten die Bildung den Pelasgern gleichsam als einen Handelsartikel und nicht blos die phönicische Schrift, sondern auch den phönicischen Bergbau und Metallguss, die phönicischen Webereien und Färbereien, die Glaswaaren und den Glasguss, die Glasfabrikation, - die Schifffahrt und Schiffsbaukunst u. s. f., sowie gewiss viele ägyptische und assyrisch-babylonische, vielleicht selbst indische Waaren. Auf den phönicischen Ursprung der Schifffahrt und des Handels bei den Griechen deutet auch die Argonautensage, 1) welche auf das Innigste mit dem Heraklesmythus verwandt ist und mit ihm ein Ganzes ausmacht, in welchem die Heldenthaten des griechisch-orientalischen Helden Herakles , 2) Melkarth, Melikertes zu Wasser und zu Lande erzählt werden.

  1. Die Austreibung des Hyksos aus Aegypten, von Bunsen (Va. S. 353) auf das Jahr 1626, beziehungsweise 1540 (Abzug aus Pelusium) angesetzt, und ebenso der spätere Auszug der Israeliten aus Aegypten, welcher zufolge Bunsen im Jahr 1320 statthatte, mussten unter den Völkern an den Küsten des Mittelmeeres von Aegypten an bis über Phönicien hinaus eine gewisse Bewegung, ein Drängen und Verdrängen, ein Ein- und Auswandern hervorbringen, welche Bewegung über die griechischen Inseln hin, besonders über Kreta, bis auf die Küsten des griechischen Festlandes sich erstreckte. In die Zeit nun nach der Vertreibung der Hyksos aus Aegypten fallen die griechischen Sagen 3) von den Einwanderungen des Kekrops aus Sais in Niederägypten nach Athen (um 1533 4)), des Danaos aus Chemnis in Oberägypten nach Argos (um 1466), des Kadmos 5) aus Tyros in Phönicien nach Theben (um 1366) und des Pelops aus Kleinasien nach Elis (um




    1) Vergl. darüber Peter, S. 11, Anm. 21; Hermann, Alterthümer, §. 6.
    2) Peter, S. 10, Anm. 17.
    3) Schoemann, I. S. 12 ff., welcher die Sagen alexandrinische Hirngespinnste nennt.
    4) Thiersch, Epochen S. 28 Anm.
    5) Vergl. auch Giseke, thrakisch-pelasgische Stämme der Balkaninsel, Leipzig 1858, S. 95ff.: "Kadmos auf Samothrace;" Thiersch, Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen, S. 24, Anm. 13.



    1266), welche Sagen, um mit Peter, S. 7 Anm. 2, zu reden, wenigstens insofern eine gewisse geschichtliche Bedeutung haben, als sie die Ueberzeugung der Griechen selbst von einem in der ältesten Zeit stattgefundenen Einfluss des Auslandes. der Aegypter und Phönicier auf die Entwickelung Griechenlands darstellen. Sollten nun diese Sagen selbst erst im 4. Jahrh. v. Chr., d. h. nicht früher als in der Zeit entstanden sein, in welcher wir die ersten urkundlichen Nachrichten darüber erhalten, sind sie dessen ungeachtet von hohem Werthe, weil sie die Ansichten der über 2000 Jahre näher stehenden Griechen über die Ursprünge ihrer eigenen Bildung enthalten, welche Ansichten unbedingt den Vorzug vor denjenigen der heutigen nichtgriechischen Geschichtschreiber verdienen. Mit diesen geschichtlichen Sagen, wohin auch noch gehört, dass Lelex, der Stammvater der Leleger, 1) nach Pausanias seinen Ursprung aus Aegypten herleitete, - steht in Uebereinstimmung, dass sehr häufig die Griechen auf die Aegypter als die Quelle ihres Wissens hinweisen und überhaupt vor dem ägyptischen Wissen die grösste Achtung bezeugen. Herodot z. B. behauptete, dass die Namen und die Aemter fast aller griechischen Götter ägyptischen Ursprunges seien, welche Behauptung freilich unsere gelehrten Neugriechen als irrig verdammen, - Thiersch, Epochen S. 34, Anm. 27, aber vollkommen rechtfertigt. Thiersch findet es schwer zu begreifen. wie man jemals eine so offenliegende Sache habe übersehen und da Nacht machen können, wo das Alterthum hellen Tag hatte. Röth, 2) um den Zusammenhang der phönicisch-ägyptischen Bildung mit der griechischen zu erklären und zu erweisen, behauptet zahlreiche Einwanderungen nach Griechenland, der nach ihm zu Ende des 19. Jahrhunderts vor Chr. aus Aegypten vertriebenen Phöniker (Hyksos), oder der Pelasger (d. i. nach Röth Philister, Pelischti, ursprünglich Pelaschi oder Auswanderer), Karer und Kreter. Aehnliches nimmt auch Wetter, der Mythus vom Atlas, Mainz 1858, S. 8 - 11,




    1) Peter, S. 4, Anm. 11.
    2) Geschichte unserer abendländischen Philosophie, I. S. 90 ff., und II. S. 7 ff.



    an. Allein es wird bestritten, dass die Pelasger (Karer und Kreter) Phönicier oder Semiten gewesen seien und Bunsen (Va. S. 250), Peter, S. 3, Schoemann, griech. Alterthümerl I. (1. Ausgabe), S. 2 ff., - Beck, Geschichte der Griechen und Römer, Hannover 1858, §. 26, - Hermann (griech. Staatsalterthümer, §. 8) und Andere erklären die Pelasger für Indogermanen; ebenso ist zweifelhaft, ob und wann von Aegypten her nach Griechenland grössere Völkerzüge eingewandert seien. In einem in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Jahr 1861 gehaltenen Vortrage (Monatsberichte 1861, S. 704 ff.) hat sich dagegen Kiepert in Uebereinstimmung mit Röth für den semitischen Ursprung der vorzüglich an den Ost- und Nordküsten und in den Ebenen von Griechenland niedergelassenen Pelasger erklärt und dafür besonders auch angeführt, dass fast alle Eigennamen im alten Griechenland, auch der der Leleger, nur aus dem Semitischen und Phönicischen erklärlich seien.

  1. Durch die Zeit seines Eintrittes in die Geschichte und durch den ihm zugefallenen Wohnplatz auf den Inseln und Küsten des Mittelmeeres war dem pelasgisch-hellenischen Volke die weltgeschichtliche Aufgabe gesetzt, die Einflüsse und Bildungen der Aegypter, der Phönicier und der kleinasiatischen Völker bei sich in einen gemeinschaftlichen Brennpunkt zusammenzuleiten, das Orientalische zu dem Griechischen und Occidentalischen, zum schönen und freien Menschlichen in Kunst und Wissenschaft zu gestalten und durch die Etrusker und Römer der christlich-europäischen Nachwelt zu überliefern. Die Vorläufer der Griechen auf dem vermittelnden Wege zwischen Asien und Europa waren die Phönicier, bis dieselben die Griechen zum grösseren Theile von dem Mittelmeere verdrängten und selbst die Waaren und die Bildung aus Asien, aus Aegypten holten. Aus ihrer weltgeschichtlichen Aufgabe und Stellung gingen auch die Kämpfe der Griechen mit den Persern hervor, die in ihrem tieferen Grunde ein Kampf zwischen den orientalischen und occidentalischen, asiatischen und europäischen Wesen oder zwischen der Gewalt und der Freiheit sind; das Griechenthum siegte ob, und der Sieger hatte damit seine höhere Aufgabe gelöset, weshalb





    nun unmittelbar nach den Perserkriegen das Griechenthum in seiner ganzen herrlichen Kraft und Blüthe sich entfaltet, aber auch eben so schnell von der Höhe wieder herabsinkt. Der Eroberungszug Alexanders an der Spitze der Griechen nach Asien ist nur die Vollendung des in den Perserkriegen Begonnenen und sollte die alte und neue Menschheit dauernd mischen und verbinden, was auch geschehen ist und vorzüglich zuerst in Alexanders Stadt an der Küste des mittelländischen Meeres unter den Ptolemäern seit dem Jahr 320 v. Chr. geschieht. Von da an bildete Aegypten gewissermassen einen Bestandtheil Griechenlands, verschmolz mit ihm zum Neugriechenthum, besonders nachdem Griechenland und Aegypten dem grossen römischen Reiche als Provinzen einverleibt worden waren; im Jahr 146 vor Chr. wurde Korinth zerstört und Griechenland der römischen Herrschaft unterworfen; das griechisch-ägyptische Reich unterlag dieser Herrschaft vollständig und für immer erst im Jahr 30 vor Chr. Von Aegypten aus durch die Phönicier über die Inseln Samothrace, Lemnos, Thasos, Thera, Melos, Rhodos, Kypros und Kreta hatten die Griechen die höheren geistigen Anregungen empfangen, waren gewissermassen auf die Bahn des Griechenthums geleitet worden 1) und nachdem sie diese Bahn durchlaufen hatten, kehrten sie nach Aegypten und Alexandrien zurück, um mit den beiderseitig geschwächten und letzten Kräften noch ein Nachleben zu versuchen.

  1. Nicht allein in Beziehung auf die Baukunst, auf die bildenden Künste, sondern überhaupt in geistiger Hinsicht stand Griechenland zu Aegypten in dem Verhältnisse, von dorther zu empfangen und aufzunehmen, was geschichtlich unumstösslich dargethan sein möchte. Wenn das uralte und in Griechenland älteste Orakel zu Dodona 2) eine ursprünglich-ägyptische Priesteranstalt und die Seller, Heller, Helloper eingewanderte ägyptische Priester gewesen, darf vermuthet werden, dass sie den ganzen da-




    1) Vergl. Schoemann, I. S. 10 ff.
    2) Vergl. meine Symbolik im Register unter Dodona; Peter, Zeittafeln S. 3, Anm, 6; Thiersch, Epochen, S. 33, Anm. 24.





    maligen Kreis des ägyptischen Wissens und Könnens nach Griechenland mit hinübergebracht, obschon als ein Gebeimniss zu bewahren gesucht haben. Das Taubenorakel zu Dodona soll, was nicht gerade unwahrscheinlich ist, durch eine schwarze Taube gegründet worden sein, die aus dem ägyptischen Theben geflogen kam, 1) d. h. Dodona war eine Zweiganstalt des ägyptischen Orakels. Die , , welche bei dem Tempel zu Dodona den Dienst versahen, auf dem Boden schliefen und die Füsse nicht wuschen, d. i. ein streng ascetisches Leben führten, sieht Gerlach für einen aus Aegypten stammenden priesterlichen Orden an. Den Namen der Seller will Gerlach als Sonnenpriester und Dodona mit Trigland als Haus des Adonis, des Sonnengotfes erklären (S. 30). Creuzer, Symbolik, IV (zweite Ausgabe) S. 153, und Schwenk, mythologische Andeutungen, S. 50, meinen, dass der Name mit zusammenhänge und Licht-, Sonnen- und Mondsdiener bezeichne. Nach Beck, Geschichte der Griechen und Römer, §. 27, bedeutet Hellas, Hellopia das Lichtland, das helläugige Land und Heller sind die Hellen, Lichten. Rinck, Religion der Hellenen, II. S. 429 ff., lässt das Orakel zu Dodona von dem ägyptischen Theben aus gleich dem lybischen Amunsorakel durch Vermittelung der Phönicier gestiftet werden und auch Bachofen, Mutterrecht, S. 42, betrachtet eine Verbindung zwischen der ägyptischen und dodonischen Priesterschaft als erwiesen. Rinck meint auch, dass die Tauben von Theben, Libyen und Dodona vielleicht der Grund der altchristlichen Symbolik seien, den offenbarenden, gleichsam Orakel gebenden Gott in Taubengestalt darzustellen; ebenso erinnert Rinck an die Taube des Noah. Ferner billigt Rinck die Ansicht, dass die Sellen, welche die Weissagungen, vielleicht auch blos Winke und Sinnbilder der drei betagten Frauen () in Verse setzten, gleich allen ägyptischen Priestern beschnittene ( oder , nach Triglandius von ) gewesen seien. Was aber am entschiedensten und am tiefsten für die ägyptische Abstammung der Priesterschaft von Dodona zeugt, besteht darin, dass




    1) Gerlach, Dodona, S. 22 und 28 ff.



    sie Gott, zu Dodona natürlich Zeus genannt, in der ägyptischen Weise als den allmächtigen Baumeister (), als den Demiurgen der Welt aufgefasst und dargestellt hatte. 1) Darf eine derartige Verwandtschaft zwischen der dodonäischen und ägyptischen Priesterschaft angenommen werden, könnte daraus weiter gefolgert werden, dass auch im alten Griechenland die Wissenden und besonders die Baukünstler einen streng geschlossenen ägyptischen Verein mit priesterlichen Weihen gebildet haben. Bestätigt wird diese Vermuthung durch den von Pythagoras zur Verbreitung und Erhaltung seines ägyptischen Wissens versuchten ägyptischen oder geheimen Bund. 2) Dass die ganze Wissenschaft des Pythagoras und der ihm vorausgehenden oder gleichzeitigen ionischen Weisen, eines Thales, Anaximander, Pherekydes u. s. w., eine ägyptische, eine oft unmittelbar in den ägyptischen Mysterienanstalten geholte gewesen sei, steht fest und ist nicht zu leugnen. Dass die Jonier und die lnselgriechen, besonders die Samier, zuerst und mehr als die übrigen Griechen mit den Aegyptern verkehrten und in ihren Schulen lernten, war in dem allgemeinen Schifffahrts- und Handelsverkehre begründet. Der Verkehr Griechenlands mit Aegypten wurde lebhafter und inniger seit den Zeiten (um 670 v. Chr.) des Königs Psammetich, 3) welchem karische und ionische Hilfstruppen den Thron erkämpft hatten und von nun an seinen Nachfolgern erhalten mussten. Der um das Jahr 570 (nach Bunsen Va. S. 415 am 13. Jan. 569) vor Chr. auf den ägyptischen Thron gelangte König Amasis hatte sogar die griechischen Miethtruppen. die Schweizerregimenter des Alterthums, von Bubastis nach Memphis gezogen und mit dem ältern Polykrates, dem Tyrannen von Samos Gastfreundschaft geschlossen. Von diesen Zeiten der Eröffnung des bis dahin den Griechen verschlossenen und weniger bekannten Aegyptens an, seit der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts vor Chr., holten also die Griechen ihre Kunst und Wissenschaft förmlich aus Aegypten. Früher waren




    1) Symbolik, I. S. 139.
    2) Symbolik im Register unter Pythagoras.
    3) Vergl. Uhlemann, II. S. 125 und 129.



    den Griechen die ägyptische Kunst und Wissenschaft, besonders auch die bildenden Künste, über die Inseln durch die Phönicier oder auch selbst durch Aegypter zugetragen worden. Kadmos (nach Beck und Bensen vielleicht vom semitischen Kedem, Ketem, d. i. Morgenländer, wogegen Schoemann und Gieseke , a. a. O., S. 98, den Namen gleich dem der Gattin Harmonia für einen ächt griechischen halten und von als den Ordner ableiten) ist für die ältere griechische Zeit der Repräsentant, die Personification der ägytisch-phönicischen Schrifteinflüsse, der kadmeischen Buchstaben auf die Griechen, 1) wie Dädalos in ähnlicher Weise die etwas späteren ägyptisch-phönicischen Kunsteinflüsse repräsentirt und personificirt. Funke setzt den Kadmos in das Jahr 2489 der Welt und den Dädalos (a. a. O. unter Dädalus) in das Jahr 2700. An Dädalos, welcher in der Sage auch mit Aegypten und Memphis in Verbindung gebracht wird und dort wegen der von ihm angefertigten Kunstwerke vergöttlicht worden sein soll, knüpft sich die griechische Sculptur, der Erzguss und die Baukunst und, was geschichtlich bedeutend ist, vorzüglich Kreta und Sicilien, die Hauptinseln der phönicischen Niederlassungen, werden als die Hauptorte der künstlerischen Wirksamkeit des Dädalos bezeichnet; auf Kreta soll er das Labyrinth 2), in Nachahmung des ägyptischen Labyrinthes, 3) und auf Sicilien Kolymbethra, wodurch sich der Fluss Alabo in das Meer ergoss, - ein unüberwindliches Schloss für den König Kokalos u. s. w. gebauet haben, wie bei Thiersch, die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen, 2te Auflage, München 1829, S. 17, Anm. 12, S. 36, Anm. 28 und bei Funke das Einzelne angegeben ist. Dädalos ist, womit auch Preller zusammentrifft, der ägyptische Weltbaumeister und Weltkünstler Phtah-Hephaestos, der dodonäische Demiurg Zeus, auf die griech. Länder localisirt. Die , wie die Schnitz-




    1) Peter, S. 8, Anm. 8; Funke, Real-Schullexikon unter Cadmus; Alpina für 1860, S. 133.
    2) Creuzer, Symbolik, IV. S. 103; Pyl, die griechischen Rundbauten, Greifswalde 1861, S. 54 ff.
    3) Plinius, hist. nat. 36, 13; Diodor I, 61.



    werke, die Holzbilder, die Kunstwerke nacb, Daedalos bei den Griechen genannt werden, sind eigentlich die Welten. Schnaase II, S. 171 erblickt in Dädalos (d. i. dem Künstler, dem Schmücker) die mythische Personification und Gestalt der unverändert überlieferten Technik unbekannter Generationen. Nach Thiersch, a. a. O., S. 24 ff., wird die ägyptische Kunst, wenn nicht als die wirkliche Mutter, doch als die älteste und wirksamste Pflegerin der altgriechischen zu nennen sein und aus Aegypten erhielt Athen den Phthas-Hephästos und die Neitha-Athene, welcher Phidias daher eine Sphinx auf den Helm setzte und zu Füssen legte. Dädalos soll nicht allein zuerst Bildsäulen lebendig gestaltet haben, sondern ihm wird auch die Erfindung des Hobels, des Bohrers und des Winkelmasses zugeschrieben; nicht minder verstand er das Bleimass, ein an einer Schnur hängendes Gewicht, geschickt zu gebrauchen. Des mythischen Gewandes entkleidet, drückt dieses aus, dass die Phönicier bei den Griechen aus Aegypten die Handwerke, besonders auch des Schreiners, des Zimmermanns und Maurers, eingeführt haben. Zu Athen führte ein Geschlecht, ein Demos den Namen der Dädaliden, was Hermann, a. a. O., §. 5, Anm. 6, auf die bei diesem Geschlechte ursprünglich erblichen technischen Kenntnisse und Beschäftigungen bezieht und als Spuren einer sehr alten Kastenverfassung ansieht. A. Böckh in seinem Commentare zu Pindar Olymp. V. 9 sagt:

    "Tam Athenas quam Lindum Polias Minerva ex Aegypto advecta esse una cum artis seulpturae initiis, qua de re dixi ad Ol. VII (S. 172) . . . Et Trözene multa sunt rerum Aegyptiarum vestigia."

    In dem gleichen Sinne spricht Preller, griech. Mythol, II. S. 345, aus, dass die älteste Technik der bildenden Künste und der Baukunst den Griechen gewiss aus dem Oriente gekommen sei. Stieglitz, die Baukunst der Alten, Leipzig 1796, S. 13, bemerkt, dass es nicht unwahrscheinlich sei, dass aus Aegypten, wo verschiedene Nationen die Künste aufsuchten und die Wissenschaften studirten, auch die Griechen die erste Idee von der Baukunst entlehnt haben, obwohl diese Kunst, sobald sie nach Griechenland ver-





    pflanzt worden, so viele Veränderungen und Verbesserungen erhalten, dass man nicht im geringsten mehr den Stamm erkennen konnte. Klenze, über die Architektur der Alten, in Böttiger's Amalthea, III, leitet die ganze Baukunst der Pelasger aus Phönicien her und Plass, Vor- und Urgeschichte der Hellenen, Leipzig 1831, S. 72 - 79 und 93 - 154, stimmt ihm darin bei. Hirt hat sich vielfach gleichfalls für den ägyptischen Ursprung der griechischen Kunst ausgesprochen, z. B. in Böttiger's Amaltbea, II. S. 27 ff., - in der Geschichte der Baukunst und in den Berliner Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik, 1827, S. 231: allein er lässt die gesammte griechische Kunst und die ägyptischen Einflüsse darauf viel zu spät beginnen, nämlich erst in den Zeiten des Königs Psammetich, wie vielfältig gegen ihn nachgewiesen worden ist, besonders von K. O. Müller und von Thiersch, Epochen, S. 84. - Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. (Leipzig 1844) S. 28 a, halten es für höchst wahrscheinlich, dass die Aegypter und Phönicier die Lehrer der Griechen in der Bildung gewesen seien und dieselben von ihnen namentlich auch die ersten Kunstanregungen erhalten haben. Der von den Griechen mit allen Bewohnern und Anwohnern des Mittelmeeres den Aegyptern entlehnte, wenn gleich leichter und heiterer und darin auch schöner gefasste Baustyl ist der sog. altdorische, oder überhaupt und noch ursprünglicher der ältestgriechische und altgriechische, auch altitalische und besonders etrurische Steinbau. Den Steinbau, die Steinbaukunst haben die Aegypter unter allen Völkern am Mittelmeere und des ganzen Alterthums in sehr frühen Zeiten zuerst gefunden, und auf eine seltene Stufe der Ausbildung und Vollkommenheit gebracht, so dass sie darin die Lehrer und Vorbilder aller übrigen Völker geworden sind, werden konnten und selbst werden mussten. Die Mittheilung des Steinbaues und der Steinbaukunst von den Aegyptern an die Völker des Mittelmeeres erfolgte nach dem Gange der Menschen- und Völkergeschichte weder urplötzlich und mit einem Male, noch allein unmittelbar, sondern allmählig durch lange Jahrhunderte hindurch und auf sehr verschiedenen Wegen und Vermittelungen, vorzüglich aber vermittelst der Schifffahrt





    und des Handels, also durch die Phönicier, welche sich am frühesten in jenen Gegenden und Welttheilen durch Schifffahrt und Handel hervorthaten. Die Aegypter sind die priesterlichen semitischen Baukünstler , die Phönicier die semitischen seefahrenden Handelsleute, die Juden die semitischen Monotheisten und die Griechen die freien arischen Künstler, welche alle zuletzt die gewaltigen Römer, als das arische Kriegsschwert, als der arische Ares oder Mars, in ihrem einzigen Reiche unterjochend vereinigten. Es ist nicht zufällig, sondern es ist der deutliche Fortpflanzungs- und Verbreitungsweg der Baukunst und der Kunst überhaupt, dass die ältesten und berühmtesten Kunstwerkstätten entweder auf den griechischen Inseln, auf Kreta, Rhodos, Samos, Chios, Aegina u. s. w., oder in den griechischen Küstenstätten, zu Athen, Korintli, Sikyon, Argos u. s. f., und ähnlich die ältesten Baudenkmale, z. B. zu Tiryns in Argolis am argolischen Meerbusen, und die altdorischen Kunstdenkmale in den Küstenstädten Siciliens, z. B. zu Syrakus, Agrigent oder Akragas und Selinus, 1) - und Unteritaliens, z. B. zu Paestum, 2) gefunden werden. Der dorische Styl 3) wenigstens, wenn auch jedenfalls nicht erst der Steinbau, könnte von den Inselgriechen und von den Griechen des Festlandes nach Sicilien und nach Unteritalien zwar allerdings aus dem Heimathlande mitgebracht oder geholt worden sein, würde also auf Sicilien nicht über das Jahr 735 oder oder 734 vor Chr. hinaufreichen, indem im Jahr 735 Naxos (das spätere Tauromenium, Taormina) von Chalcis aus durch den Athener Theokles und Syrakus im Jahr 734, mit Korkyra als Seestation, von Korinth unter der Leitung des Archias gegründet wurde . 4) Kiepert in seinem historisch-geographischen Atlas der alten Welt, Weimar 1860, S. 16, lässt es unentschieden, ob Naxos nicht schon im Jahr 759 gegründet worden sei. Selinus wurde nach Peter, S. 29, und nach Kiepert, S. 17, im Jahr 628 v. Chr., nach




    1) Schnaase, II. S. 193 u. 255; Thiersch, Epochen, S. 404 ff.
    2) Lübke, Geschichte der Architektur, S. 75 und 84; Schnaase, II. S. 191.
    3) Vergl. darüber noch Stieglitz, S. 29 ff.
    4) Peter, Zeittafeln, S. 25



    Thiersch, Epochen, S. 420, aber erst im Jahr 532 oder in dem Zeitalter des Pythagoras, von Megara Hyblaea gegründet und erbauet. Thiersch glaubt weiter, dass die Absteckung und Anlage der ersten Tempel zu Selinus nach den aus der Mutterstadt (Megara) dazu mitgebrachten Massen mit der Gründung der Stadt zusammenfalle, wenn auch ihre Vollendung nicht augenblicklich geschehen sei, sondern das erste Menschenalter der jungen Stadt ganz oder theilweise ausgefüllt habe (S. 422). Selinus, welches im vierten Jahre der 92. Olymp. von einem karthagischen Heere zerstört wurde, hatte sechs Tempel dorischen Styls, nämlich drei kleinere, die ersten und ältern, auf der Burg, die andern und jüngern kolossalen, der jetzt sog. Riesenpfeiler, welche bei der Zerstörung der Stadt noch nicht einmal vollendet waren, ausserhalb der Burg auf einer Anhöhe bei einander. In dem mittleren der drei kleinen Tempel auf der Burg von Selinunt sind im Jahre 1823 durch zwei englische Architekten, William Harry und Samuel Angell, sehr merkwürdige, altdorische Bildhauerwerke ausgegraben worden, die dermalen zu Palermo sich befinden und wovon auch Thiersch, S. 404 ff. nach Klenze Bericht und Abbildung gibt. Denkt man sich die dorische Baukunst, wie Thiersch es thut, auf Sicilien und in Unteritalien rein griechisch, d. h. aus dem übrigen Griechenland gebracht und geholt, kann dieselbe nichts Eigenthümliches haben und bieten: allein eine solche Betrachtungsweise möchte kaum die angemessene und natürliche sein und würde zugleich in sich schliessen, dass es vor und neben den Griechen in Sicilien und Unteritalien gar keine Baukunst gegeben habe, was doch wenig glaublich ist. Vielmehr möchte der Steinbau, die ägyptische Baukunst mit den dazu gehörenden technischen Fertigkeiten, Kenntnissen und Einrichtungen gleichzeitig, jedoch langsam und allmählig über alle Inseln und Küsten und pelasgischen Völkerstämme durch die Semiten und besonders durch die Phönieier, also nach Griechenland und den griechischen Inseln, nach Sicilien und Sardinien, nach Unteritalien und nach Etrurien 1) gebracht und verbreitet worden sein, wo




    1) Vergl. Schnaase, II. S. 379.



    von den Pelasgern, von den Hellenen und Etruskern der gemeinsame Stoff zu der dorischen, attischen, zur etruskischen, sicilischen, samischen, rhodischen, äginetischen, u. s. w. Baukunst und Kunst gebildet wurde, obwohl wir diese Künste nicht mehr zu unterscheiden vermögen und unter dem gemeinsamen Namen der griechischen zusammenbegreifen, oder höchstens die griechische Kunst von der etruskischen oder toskanischen, später die griechische von der römischen trennen. Dorisch wird auch der ziemlich erhaltene Minervatempel genannt auf der Insel Aegina, aus dessen beiden Giebelfeldern die berühmten äginetischen Säulen stammen. 1) Thiersch sagt S. 246: "Wenn demnach bald von attischer, bald von äginetischer Kunst bei Pausanias geredet wird, so kann hierbei nur an zufällige Eigenheit, an solche, die ein späterer Gebrauch mit diesem Namen verband, nicht an eine innere Verschiedenheit gedacht werden." - Uns ist z. B. die sog. toskanische Säule, welche Stieglitz aus Griechenland nach Etrurien gebracht werden lässt und mit der ältesten griechischen für einerlei hält, nichts Anderes als die ägyptische oder altdorische Säule in Etrurien, die etrurische Säule, zumal alle geschichtlichen Zeugnisse dafür mangeln, dass Etrurien nur eine in sehr frühen Zeiten entsendete, griechische Colonie gewesen sei. Man findet vielfach es unglaublich und unzulässig, dass von Aegypten her durch die Phönicier auf die Griechen technische und architektonische Einwirkungen in alten Zeiten stattgefunden haben: aber wenig Anstoss wird daran genommen, dass die Griechen vom Festlande oder von den Inseln aus alle Baukunst und Kunst nach Sicilien, Unter- und Mittelitalien sollen hinübergebracht haben. Für die ägyptischen Einflüsse in unserem Sinne scheinen neben den in der Symbolik, II. S. 493, berührten alterthümlichen Apollostatuen besonders auch die altdorischen Bildwerke zu Selinus zu sprechen, darunter aber ganz vorzüglich das Bildwerk der ersten Metope, Herakles, welcher die Kerkopen Passalus und Akmon, an einer Stange schwebend trägt. Die beiden nackten Kerkopen haben die Arme über die Brust gekreuzt,




    1) Schnaase, II, S. 195 und 208 ff.



    jeder trägt über dem Knöchel am Fusse ein dreifaches Band und von den beiden Seiten ihres Hauptes herab hänglen je drei Haarflechten. Nach allen Verhältnissen der während des 7. und 6. Jahrhunderts v. Chr. so mächtig und reich emporblühenden Städte Grossgriechenlands ist nicht allein anzunehmen, dass sich bei ihnen eine selbstständige griechische Kunst entwickelt habe, sondern auch, dass dieselbe der Kunst in dem eigentlichen Griechenland vorausgeeilt sei und auf diese anregend zurückgewirkt habe, wie sich ja auch am Ende des 6. Jahrhunderts die philosophischen Wissenschaften und die Naturwissenschaften in den unteritalischen Städten unter Pythagoras und Demokedes zuerst erhoben, - Grossgriechenland vor Kleingriechenland wissenschaftliche Lehranstalten besass. Der im Jahr 730 v. Chr. mit Leontini oder Leontium von Naxos gegründeten Stadt Catana auf Sicilien gehört auch der berühmte Gesetzgeber Charondas an, dessen Gesetze nach Rhegion, Mazaka in Kappadocien, Thurii und nach mehreren anderen Städten in Italien und Sicilien verpflanzt wurden. 1) Hermann, griechische Staatsalterthümer, §. 89, glaubt, es lassen sich Zaleukos und Charondas mit ziemlicher Sicherheit um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. setzen, Da die sicilischen und unteritalischen Städte vorzüglich durch die Schifffahrt und den Handel Reichthum, Macht und Bildung erwarben, konnten auswärtige Einwirkungen und Berührungen, besonders mit den Phöniciern, mit welchen sie gewiss in dem lebhaftesten Verkehre standen, nicht fehlen.

    Aus dem Verhältniss, welches Dädalos als der Erfinder der Sculptur und Architektur, als der Urbildner und Urbaumeister in den griechischen Kunstsagen einnahm, ging es auch hervor, dass er der heroische Begründer und Vorstand aller mit der Sculptur und Architektur beschäftigten Innungen in Griechenland und besonders der Künstlerinnungen in Attika wurde, weshalb wir in der Symbolik den Dädalos auch dem maurerischen Herakles ver-




    1) Peter, Zeittafeln, S. 25, Anm. 36; Gerlach, Zalenkos, Charondas, Pythagoras, - zur Kulturgeschichte von Grossgriechenland, Basel 1858.



    glichen haben. Dädalos ist gleichsam der Herakles der Künstler, der Dädaliden. Funke bringt selbst mit der Schifffahrt den (phönicischen) Dädalos in Zusammenhang, indem er die Sage von dem Fluge des Dädalos und seines Sohnes Ikaros auf die Erfindung der Schiffssegel deutet. Ikaros, d. h. das ikarische Meer, der südöstliche Theil des ägeischen Meeres, und die gleichfalls nach ihm benannte kykladische Insel (lkaria) weisen auch nur auf die jenen Meertheil und jene Insel beschiffenden Phönicier hin. Uebrigens galt schon im Alterthume nach Plinius VII. 57 Dädalos als der Gründer des Seewesens, der Masten, der Segelstange und der Segel. 1) Minos, mit welchem Dädalos sich vielfach berührt, wird von Bock als der Repräsensant der phönicischen Seeherrschaft betrachtet und ebenso von Schoemann. Dass Dädalos, welcher bei Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 9 a, höchst ungeeignet um 1350 v. Chr. gesetzt wird, als der Begründer und Beschützer der Handwerker- und Künstlerinnungen erscheint, ist zugleich der sicherste Beweis, dass die griechischen Handwerker- und Künstlerinnungen phönicisch-ägyptischen Ursprungs seien, und die Orte oder Gegenden der Thaten des Dädalos sind die Orte oder Gegenden, wo die griechischen Gewerbe und Künste zuerst emporblühten und erstarkten. Die Dädaliden sind die Handwerker und Künstler und ihre Werke die dädalischen; die ältesten und ausgezeichnetsten Künstler aber sind gleich Dädalos, oder ein Dädalos ist ein solcher Künstler, so dass von drei Dädalos geredet werden konnte. 2) Uebrigens will Uhlemann, ägypt. Alterthumskunde, II. S. 110, nicht allein die dorische Säule, sondern auch die korinthischen Säulenknäufe aus Aegypten herleiten, indem zu den letztern die ägyptische Pflanzensäule, 3) die ägyptische Säule mit dem Lotoskelche oder der Lotosknospe die erste Idee gegeben zu haben scheine. Wenigstens ist die Vermuthung von Uhlemann weit wahrscheinlicher als die sagenhafte Erzählung, welche Vitruv über das Entstehen der korinthi-




    1) Thiersch, S. 18, Anm.
    2) Thiersch, S. 49, Anm. 39.
    3) Vergl. auch Lübke, S. 62.



    schen Säule gemacht hat, dass um einen zufällig bei einem Grabmale zu Korinth stehen gebliebenen und mit einem Ziegelstücke zugedeckten Korb sich im Frühjahre eine Akanthuspflanze herumgerankt und herumgesenkt habe, 1) und dann von dem atheniensischen Bildhauer Kallimachus als Vorbild zu einem Säulencapitäl benützt worden sei. Für die Vermuthung von Uhlemann könnte und dürfte vielleicht angeführt werden, dass in Griechenland die korinthische Säulenordnung jedenfalls der Zeit nach die letzte und jüngste ist; noch später aber ist natürlich die daraus hervorgegangene oder damit zusammengesetzte römische Säule. 2) Nach Stieglitz, S. 45, gebrauchte Skopas in der 96. Olympiade in der Zelle des Tempels der Athene zu Tegea korinthische Säulen, und da Pausanias VIII. 45 keiner ältern Tempel erwähne, wobei diese Säulenart vorkomme, sei es wahrscheinlich, dass sie ungefähr um diese Zeit sei erfunden worden. 3) Schnaase, II. S. 255, ist der Ansicht, es möge der Tempel zu Tegea die erste Anwendung der korinthischen Säule in ganzen Reihen gewesen sein.

  1. Bezüglich der Tempel, der heiligen Gebäude, des heiligen Baustyls sind die Griechen nicht die Schüler und Nachahmer der Aegypter, sondern sie entlehnten von den Aegyptern einzig den Steinbau als solchen, das darauf bezügliche Technische, die Kunst des Steinwerkes, um sich Tempel in ihrem Geiste und in ihrem Sinne aus Steinen erbauen zu können. Vergleicht man den heiligen Baustyl der Aegypter (und der Inder) mit demjeingen der Griechen, ergeben sich sofort nicht blos auffallende Unterschiede, sondern ganz entgegengesetzte Grundsätze. Die Aegypter verbergen das Gottesbild in dem tiefsten und engsten Dunkel und ihr Allerheiligstes ist eine unnahbare, abgeschlossene, enge und dunkele Stätte, wie es in Nachahmung des ägyptischen Vorbildes das Allerheiligste




    1) Stieglitz, S. 53.
    2) Vergl. Stieglitz, S. 55 ff.
    3) Ueber die Anwendung des ionischen Styls zu Athen siehe Schnaase, II. S. 247, vergl. mit S. 190.



    des salomonischen Tempelg gewesen ist. 1) Die griechischen Götterbilder wurden dagegen nur aufgestellt, um gesehen zu werden, und standen daher ursprünglich entweder ganz frei oder nur auf und in Bäumen, in heiligen Hainen, in natürlichen Grotten, worauf z. B. die weidengefesselte Artemis noch hinweiset. 2) Der griechische Tempel ist Seiner Grundidee nach blos ein hölzernes, später steinernes Schutzdach und Schutzhaus für das sichtbare Götterbild und deshalb sind der sog. Monopteros, Pseadoperipteros und das Templum in Antis wohl die ältesten und usprünglichsten Tempel. Unter dem Monopteros versteht man nach Vitruv IV. 7 einen Rundtempel ohne Zelle, unter dessen von den Säulen getragenem Dache das Götterbild steht. 3) Ein solcher gleichsam natürlicher Rundtempel entstand, wenn man die Zweige der in dem Haine das Götterbild umgebenden Bäume über dem Bilde zu einem Schutzdache vereinigte, oder auch auf ihnen ein künstliches Schutzdach anbrachte. Wollte man das Bild etwas mehr schützen, führte man zwischen den Bäumen, - zwischen den Säulen, welche dadurch zu Halbsäulen wurden, eine niedrige Wand auf; dieser Tempel hiess dann Pseudoperipteros. Ueberbleibsel aus dem Alterthume eines Monopteros hat man in den Ruinen zu Puzzuoli gefunden; er wird der Tempel des Serapis genannt und war von einem viereckigen Hofe oder Peribolos umgeben, der von einem Gebäude eingefasst wurde, woran sich Zellen befanden, die unstreitig zur Wohnung der Priester und zur Aufbewahrung der Opfergeräthe dienten. 4) Dass Rundtempel bei den Griechen und Römern selten waren, ist bekannt. 5) Eine andere ursprüngliche Art der Tempel neben den angegebenen




    1) Vergl. meine Symbolik, II. S. 136 und 141.
    2) Symbolik, I. S. 349.
    3) Schnaase, II, S 61; Stieglitz, S. 86; Guhl und Koner, das Leben der Griechen und Römer, S. 44.
    4) Stieglitz, S. 87.
    5) Meine Symbolik, II. S. 482; Guhl und Koner, S. 43; Pyl, die griechischen Rundbauten im Zusammenhange mit dem Götter- und Heroenkultus erläutert, Greifswald 1861.



    Rundtempeln war es, dass man das Bild entweder in einer offenen und natürlichen Felsvertiefung, Grotte, aufstellte oder über dem Bilde ein viereckiges, aber an der vordern Seite ganz offenes, kleines Holz- oder Steingebäude errichtete. Derartige einfache heilige ländliche Gebäude kann man noch heute überall in katholischen Ländern, namentlich auch in den Rheinlanden erblicken, denn Land und Leute bleiben in vielen Dingen sich ewig gleich. Wenn nun, um das offene Holz- oder Steindach besser zu sichern und zu stützen, zwei einfache runde Stützen oder Säulen angebracht wurden, entstand der Tempel, welcher in Antis genannt wird. 1) Auf diesen Grundlagen bildete sich das griechische lichte Gottesbildhaus (denn mehr war der griechische Tempel niemals gewesen) und wurde blos aus einem einfachen ländlichen Gebäude zu einem herrlichen Kunstgebäude umgeschaffen; der ägyptische Tempel dagegen war zwar auch ein Gottesbildhaus, jedoch zugleich und hauptsächlich auch ein Gemeindehaus, ein Gebäude des gemeinsamen Gottesdienstes, eine Art christliche Kirche. 2) Aus den Beschreibungen, welche in architektonischen Werken, z. B. bei Lübke, S. 82, Schnaase, I. S. 384 ff., nach Strabo XVII. von der Anordnung der ägyptischen Tempel gegeben werden, leuchtet in Verbindung mit den Abbildungen und Grundrissen (z. B. bei Lübke und bei Bunsen, IV, S. 126, vorzüglich von Karnak) hervor, dass ein vielsäuliger Raum, ein grosser Säulensaal den Haupt- und Mittelpunkt des Tempelgebäudes bildete, in welchen man durch einen oder mehrere Vorhöfe gewöhnlich eintritt und aus dem häufig wieder mehrere, in der Regel kleiner und enger werdende Räume zu dem Allerheiligsten mit dem Götterbilde geleiten. Schnaase, I. S. 391, sagt: "Wenn man ihn (den Vorhof oder Vortempel) durchschritten hat, gelangt man niemals sogleich in das innerste Heiligthum, sondern stets in andere vorbereitende Räume, den vielsäuligen Raum und zwei oder drei Vorsäle, die aber alle wesentlicher waren, als der Hof, denn wir finden Tempel von ziemlich bedeutender Grösse, denen die Höfe feh-




    1) Stieglitz, S. 82; Guhl und Koner, S. 11.
    2) Meine Symbolik, II. S. 176 ff.



    len, aber keinen, zu welchem nicht ein vielsäuliger Raum führte." - Dieser vielsäulige Raum, welcher durch die höher ragenden mittleren gedeckten Säulen mit Lichtern an den oberen Seitenwänden zu einem dreischiffigen Gebäude gestaltet wird, 1) muss schlechterdings dem gemeinsamen Gottesdienste bestimmt gewesen sein, war der Hauptversammlungsort der Gläubigen. Zu dem Allerheiligsten gelangte man entweder gar nicht (was Schnaase, I. S. 294, auch anzunehmen scheint) und es wurde blos in der Nähe desselben, wie bei dem salomonischen Tempel, gehandelt - oder dann näherte man sich dem Allerheiligsten nur bei besonderen Veranlassungen und nur einzeln, weil das Letztere nicht anders geschehen konnte. Die ägyptischen Gemeindetempel hatten nach dieser ihrer Bestimmung einen viel grösseren Umfang, eine reichere Gliederung und Abstufung als das griechische Säulenhaus für ein einziges Gottesbild, und neigten nicht selten selbst zum Kolossalen hin. Auch das an dem ägyptischen Tempelbaue oft getadelte Unbestimmte und Unbegrenzte, die Anwachsungs- und Einschachtelungsfähigkeit, möchte vielleicht daraus entspringen. Den vorbereitenden Säulensaal vor dem engen und dunklen Allerheiligsten mit dem Götterbilde findet man übrigens auch in einer merkwürdigen und vielleicht nicht blos zufälligen, aber freilich noch nicht zu klärenden Uebereinstimmung bei den Indern, z. B. in der grossen Pagode zu Chalambron bei Pondichery, wofür besonders auf Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 48 ff., mit dazu gehörigem Grundrisse, verwiesen wird. Wenigstens zu Chalambron herrscht überhaupt vollkommen der ägyptische Tempelbaustyl, der Säulenbau mit flacher Steindecke über den Säulen. Die Nerba Chabeï oder Kapelle der Freude enthält einen Saal von 1000 Säulen, die in der regelmässigsten Ordnung aufgestellt sind; zwischen diesen Saulen liegt in der Mitte gegen die hintere Seite hin in dem dunklen ummauerten Raum mit einem Vorsaale der ehemals mit Goldplatten geschmückte Altar. Zu dem Säulensaal schreitet man durch eine Säulencolonnade von 24, in 4 Reihen von je 6 aufgestellten, Säulen




    1) Lübke, S. 53; Schnaase, I. S. 392.



    mit einer Treppe von 7 - 8 Stufen am Ende der Colonnade. Auch in der Pagode zu Kandjeveram befindet sich ein Säulenraum von 1000 Säulen und diese grossen Säle sollen nach Romberg und Steger, I. S. 54 a, bestimmt gewesen sein, um darin bei den grossen Processionen mit dem Götterbilde Halt zu machen und auszuruhen. Wenn zwischen der indischen und der ägyptischen Baukunst ein vorbildlicher Zusammenhang bestehen sollte, dann muss zu einer Zeit, worüber wir keine Nachrichten mehr besitzen, die ältere ägyptische Baukunst nach dem jüngeren indischen Lande getragen worden sein; nicht umgekehrt, wie Romberg und Steger glauben und als die Strasse aus Indien nach Aegypten diejenige über Meroe bezeichnen. Auch den ägyptischen Pylonen ähnliche Thorzugänge werden bei den indischen Pagoden angetroffen, z. B. zu Chalambron, auf der kleinen Insel Ramiseram (Ramisura 1)). Selbst darin kommen die Inder mit den Aegyptern überein, dass sie die äussern Wände der Pagoden mit Basreliefs und andern Ornamenten, auch Malereien wahrhaft überladen, und überhaupt die Sculptur bei ihnen die Baukunst fast beherrscht und überwiegt. Ferner lieben Inder und Aegypter gleichmässig die Monolithen, das Kolossale, die kolossalen Steinfiguren der Götter und Thiere. Die scheinbare oder absichtliche Unregelmässigkeit der indischen und ägyptischen heiligen Gebäude erklären Romberg und Steger, I. S. 49 b, mit Langés, monuments anciens et modernes de l'Hindostan, tome II, aus der symbolischen, auch bei den Mahommedanern erscheinenden Absicht, die Unvollkommenheit aller menschlichen Werke anzudeuten. In dem gleichen Sinne sitzt in dem Tempel zu Boro-Dudor auf Java oben in dem krönenden Sanctuarium das unvollendete Bild Buddha's, wie Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II (Wien 1856), S. 115, berichtet. - Das Ueberraschendste ist jedoch, dass sich auch die ägyptische und maurerische Schürze 2) als das gewöhnliche einzige Kleid der Götter- und Tempelfiguren in Indien findet, worüber man z. B. die bei Romberg und




    1) Romberg und Steger, I. S. 52.
    2) Symbolik, I. S. 71 ff.



    Steger, Taf. I. Fig. 7, abgebildete Façade des Heiligthums des Grottentempels von Keneri vergleichen mag. Die Indischen Götter werden regelmässig nackt und nur die Lenden umgürtet dargestellt, 1) dagegen aber übermässig mit Schmuck, besonders mit Perlenschmuck beladen. 2) Namentlich trägt auch Çiwa-Wuotan einzig eine kurze, um die Mitte des Leibes geschlagene Kleidung (Hose 3)). Damit hängt zusammen, dass die den Çiwa verehrende Secte der Dandi oder Tridanti nach altem Herkommen als ganze Kleidung ein um die Lenden gewickeltes Tuch trägt. 4) Ebenso kleiden sich viele Jogi und heissen das Stück Tuch dhoti. 5) In dem von Belzoni im Thale der Gräber oberhalb Theben aufgefundenen Königsgrabe tragen die dort abgebildeten vier gefangenen Juden als einzige Kleidung einen zierlichen Schurz und ebenso die drei Aethiopier einen weissen Schurz. 6) Es darf hieraus gefolgert werden, dass die Schürze die Urkleidung der Semiten und Arier, - der Aegyptier, Phönicier, Juden und Inder, - ja sogar der Aethiopier oder Chamiten, zu welchen letztern auch die Urägypter gehörten, gewesen. Deshalb hat auch schon Bohlen, das alte Indien, I. S. 48, auf die so auffallende Annäherung des zweiten oder semitischen (neben den Negern) ägyptischen Volksstammes an den hindostanischen hingewiesen. Bei den Wettläufen zu Olympia waren in früheren Zeiten die Läufer mit einem Schurz um die Lenden versehen, seit der 15. Olympiade aber wurde es Sitte, ganz nackt zu laufen. 7) Herder in seinen Briefen über schöne Literatur und Kunst (Werke, VII. S. 207), hatte gesagt: "Die Kleidung unserer Weiber entsprang aus der armen Schürze, die man noch bei Negern und Wilden sieht; als sie endlich rings die Lenden umgab, ward sie zu einem Rock, der aus Armuth kaum über dem Nabel den Unterleib zusammenschnürt; Jahrtausende haben




        1) Paulin, voyage aux indes orientales, II. S. 386.
        2) Romberg und Steger, I. S. 38 a.
        3) Wolf, Beiträge zur deutschen Mythol., I. S. 67.
        4) Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 621.
        5) Lassen, IV, S. 629.
        6) Büttiger, kleine Schriften, II. S. 201 oben.
        7) Schoemann, a. a. O., II. S. 52 oben.



    diese Lendensehürzen fortgedauert." - Bei den Aegyptern trug jeder im Tempeldienst Begriffener eine knapp um die Schläfe und das Hinterhaupt herumgefaltete und anliegende Kappe oder Haube von feiner Leinwand, welche gewöhnlich in zwei Enden über die Schultern herabfiel, aber auch um den Hals zugleich eine Binde bildete, oder wenigstens mit den zwei Haubenflügeln zusammenhing und oft in prächtigen Brustdecken sich erweiterte. Von dieser ägyptischen Priesterkleidung, Priesterhaube, welche auch an den weiblichen ägyptischen Sphinxen, bemerkt wird, unmittelbar stammt die ganze Verschleierung unserer 2Nonnen mit den herabhängenden Flügeln und der den Hals bis an das Kinn umfassenden Verhüllung, 1) von dieser Nonnentracht aber wieder vielleicht das ganze neu-europäische Haubenwesen. Neben dieser Flügelhaube trugen im Tempeldienste die Priester besonders und zuerst noch ein mit Trotteln oder Franzen oder sonst verziertes Tuch um den Hals und auf der Brust, daher bei Apulejus genannt cinctus pectoralis. Diese ägyptischen Brust- und Halstücher sind gleichfalls vorbildlich für das heilige und profane Leben der Spätern geworden; 2) den Maurern haben sie den sog. Halssehmuck gegeben. 3) Die heilige Farbe, die Farbe der heiligen und priesterlichen Kleidung, der Schürze und Haube war die weisse bei den Aegyptern und nach oder mit ihnen bei vielen andern Völkern. So lange die alte Hellenenwelt und später auch Rom sich von der Vermischung mit den Barbaren frei erhielt, war gewiss die herrschende Farbe aller Kleider der Frauen und Jungfrauen, und bei den höheren Ständen stets, die weisse, dass es in Athen und Rom sogar als Abzeichen leichtfertiger Frauen von nicht ganz unbescholtenem Rufe galt, purpurfarbige und anderer hellfarbige Gewänder zu tragen. 4) Das farbige Kleid vertrat zu Athen und Rom bei den Damen die Stelle des heutigen Blumenbouquets in Paris und in andern modischen Städten. An die weisse Kleidung der Götter und Menschen reihen




    1) Böttiger, a. a, O., II. S. 42, und III. S. 259, Anm. **.
    2) Böttiger, III. S. 259, Anm. ***.
    3) Symbolik, I. S. 76.
    4) Böttiger, III. S. 44.



    sich die weissen heiligen Thiere, wie die Kühe und Stiere, die Pferde, die Elephanten, die Hirsche, die Tauben u. s. w., vorzüglich im Gengensatz zu den schwarzen Thieren, als den unterweltlichen, den Thieren des Todtenreiches. Zu Djogokarta auf Java wird in einem Teiche von den dortigen Muhammedanern noch heute eine weisse Schildkröte als heilig verehrt. 1) Den unterirdischen Göttern werden in der Odyssee schwarze Schafe als Opfer verheissen; ein schwarzes Lamm opferte man zu Athen den Stürmen und Ungewittern. Auch dem Meergotte Poseidon werden bei Homer schwarze Stiere geopfert; doch auch röthliche und selbst weisse Rinder werden als Opfer desselben erwähnt. 2) Bei den Griechen wurde der Sonne ein weisses Lamm, der Erde ein schwarzes geopfert. 3) Der sonst immer weiss gekleidete erste Beamte der Plataeer erschien bei den jährlichen Todtenopfern zu Ehren der in der Schlacht gegen den Mardonius Gefallenen in einem dunkelrothen Rock. 4) Zu Athen, wenn Pest, Hunger oder andere Plagen wütheten, wurden am Rüsttage der Thargelien, eines Festes des Apollo und der Artemis, zwei Männer als Sühnopfer, der eine für das männliche und der andere für das weibliche Geschlecht, jener mit einem Halsbande von schwarzen, dieser von weissen getrockneten Feigen versehen, unter Flötenspiel ausgeführt und getödtet, nachdem sie auf öffentliche Kosten ernährt worden waren. 5) Die Ordner der religiösen Opferzüge, die religösen Ceremonienmeister () trugen ebenfalls ihr Haupt mit einer weissen Binde umwunden. 6) Die Kleidung der griechischen Priester war überhaupt in der Regel weiss, welche Farbe Plato als die den Göttern am meisten gefällige bezeichnet. 7) In dem Heraia genannten Feste der Hera zu Argos musste sich die Priesterin auf einem von weissen




    1) Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II. S. 122.
    2) Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 210.
    3) Rinck, Religion der Hellenen, II. S. 4.
    4) Rinck, II. S. 9.
    5) Rinck, II. S. 20.
    6) Rinck, II. S. 23.
    7) Schoemann, II. S. 384.



    Rindern gezogenen Wagen nach dem Tempel begeben. Weiss soll auch die heilige Farbe auf den Marquesas-Inseln sein. 2) Die Väter der Trappisten tragen eine weisse Kutte mit schwarzem Scapulier, welche aus grober Wolle bestehen. 3) Bei den Christen wurden schon seit dem 4. Jahrhundert die Engel mit weissen glänzenden Gewändern gemalt. 4) Mit dem weiss als der Farbe des himmlischen Lichtes berührt sich übrigens blau als die Farbe des Himmelsäthers sowohl bei den Aegyptern, als anderwärts, namentlich auch bei den Christen. 5) Das Blau, Indicum, von den Römern nach Plinius, nat. hist. XXXV, cap. 6, §. 27 genannt, weil aus Indien stammend, scheinen seit sehr alten Zeiten die Aegypter aus Indien bezogen zu haben, jedoch zufolge Weber, indische Skizzen, Berlin 1857, S. 73, nur durch den alten innerasiatischen Verkehr oder durch die Phönicier. Schon die ältesten christlichen Kirchen scheinen die blaue Sternendecke getragen zu haben, da z. B. Gregor von Nazianz von der um das Jahr 340 von seinem Vater zu Nazianz erbauten bischöflichen Kirche angibt, dass deren Gewölbe mit Sternen bemalt gewesen sei. 6) Bei den Griechen hatten die Metopen gewöhnlich einen blauen Grund, durch welchen die darauf angebrachten Reliefs dem Auge sichtbarer wurden; 7) eine gleiche Färbung erhielt wohl auch die Giebelwand, damit die davor gestellte Statuengruppe deutlicher hervortrete. Auch die Apsaras tragen ein himmelblaues Gewand, mit Edelsteinen (Sternen) geschmückt. 8) Der ägyptische Gott Kneph als der Gott der Himmelskraft hat einen himmelblauen Körper, wie auch bei den Indern viele Götter, besonders Narayana, eine blaue Körperfarbe tragen. 9) Dem himmelblauen Körper verwandt sind die tau-




    1) Schoemann, II. S. 457.
    2) Melville, vier Monate auf den Marquesas-Inseln, aus dem Englischen übersetzt von Garrigue, II. S. 85, Anm.
    3) Ausland für 1834, S. 1411 a.
    4) Mone, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, III. S. 7.
    5) Symbolik, I. S. 79 ff.
    6) Mone, III. S. 10 Anm. 8.
    7) Schnaase, II. S. 144.
    8) Hirzel, Sakuntala, S. 114.
    9) Volney, ruines, Paris 1792, S, 264.



    send Augen, z. B. des Indra, des Argos u. s. w. Vulcan wurde mit einem eiförmigen himmelblauen Hute bei den Alten gemalt, wie vermuthlich auch solche Hüte die Arbeiter bei der Arbeit getragen haben. 1) In einem Gemälde einer alten Handschrift, welches Montfaucon aufgefunden hat, trägt die Nacht (), deren fliegendes Gewand blau ist, eine umgekehrte Fackel. 2) - Die weisse und auch die blaue Kleidung bei Göttern und Menschen sind nur das Symbol, dass Gott und der Mensch aus dem Lichte stammen, Licht seien und zu dem Lichte zurückkehren werden, um darin unvergänglich zu wohnen. Wenn ein Tugendhafter stirbt, geht nach dem germanischen Volksglauben die Seele als weisses Wölklein aus dem Munde und die Seelen werden durch die Winde, durch die Lüfte zu den Wolken, zu ihren himmlischen Wohnsitzen emporgetragen. 3) Deshalb sollen bei dem Sterben einer Person die Stubenfenster geöffnet werden, damit die Seele durch die Lüfte sich entfernen und erheben könne. Die im Himmel wohnenden Lichtseelen strahlen von Schönheit. 4) In den Dämisagen wird es als die wichtigste der Schöpfungsthaten Allvaters hervorgehoben, dass er den Menschen geschaffen und ihm den Geist gegeben habe, der leben und nie vergehen soll, wenn auch der Leib in der Erde fault oder zu Asche verbrannt wird. 5) Von der zweiten oder künftigen Welt nach dem Untergange der ersten und alten sagt die Schicksalsgöttin oder deren Prophetin in der Wöluspa:

    Einen Saal sieht sie scheinen heller als die Sonne,
    Mit Gold bedeckt auf Gimils Höh'.
    Da werden tugendsame Völker wohnen
    Und durch Weltalter Wonne geniessen. 6)

    Die Mandäer oder Johannischristen am Euphrat haben die Schöpfungsmythe, dass, als der Vater der Engel in die




    1) Winckelmann, Allegorie, S. 44.
    2) Winekelmann, a. a. O., S. 72.
    3) Mannhardt, german. Mythen, S. 711.
    4) Wolf, Beiträge, II. S. 232.
    5) Simrock, deutsche Mythol., S. 170.
    6) Bunsen, Gott in der Geschichte, III. S. 510.



    uranfängliche Tiefe und Leere und das ganz unten in der Tiefe befindliche trübe schwarze Wasser hinuntergeblickt und sein Bild sich darin wiedergespiegelt habe, dadurch Petáhil oder Fetáhil, auch Gabriel genannt (die Seele, des Urmenschen), entstanden sei, der die Doppelnatur des Lichtes und des trüben Wassers hat. 1) Die Unschuld, die Reinheit, die Fleckenlosigkeit wird daher bei den Germanen im Feuer und im weissen Kleide bewährt, indem der Angeschuldigte im "gewihsset hemde", d. h. in einem mit Wachs bestrichenen Hemde, unversehrt durch das Feuer geht, wie auf diese Weise die Kaiserin Richardis, die Gemahlin Karls des Dicken, ihre Unschuld wegen Ehebruchs bewiesen haben soll. 2) Dem Genius, dem Geiste, dem Lichte musste bei den Römern in weissen oder lichtvollen Kleidern geopfert werden und nach Horat. Od. I. 35, 21 hatten Diejenigen, welche der Fides opferten, das Haupt mit einem weissen Tuch umhüllt. Bei den Muhammedanern auf Java ist Weiss die Farbe der Trauer, um anzudeuten, dass der Verstorbene in das Licht hinübergegangen sei. 3) Die schöne Frau des Raubschlosses Neuenbürg in Unterfranken erscheint in einem weissen oder himmelblauen Gewande und mit sehr feinem Schleier. 4) Im Umkreis von Remiremont im Departement des Vosges ist ein weisses Huhn das Symbol der Unschuld und ein solches wird daher einer reinen Jungfrau an ihrem Hochzeitstage zum Ehrengeschenk dargebracht. 5) In keltischen Sagen kommen auch die weissgekleideten Todten auf dem Angstweier in kleinen Barken vor. 6) - Gewiss aus der alten Janusgestalt, aus den zwei Tempelsäulen hervorgegangen ist auch das mittelalterliche Bild der Welt, eine nach der vordern Seite blühende und liebenswürdige Frau,




    1) Petermann, Reisen im Orient, II. S. 450.
    2) Stüber, Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, Nr. 131; Grimm, deutsche Sagen, II. S. 459.
    3) Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II. S. 134.
    4) Wolf, Zeitschrift, I. S. 293.
    5) Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte und Mythologie, III. 1, S. 26.
    6) Eckermann, III. 1. S. 29.



    welche auf der hintern Seite von Würmern zerfressen und in der Verwesung begriffen ist. 1)

  1. Die Baugewerker und Baukünstler müssen bei den ohnehin Alles ordnenden, zählenden und wägenden Aegyptern nothwendig die sorgfältigsten Einrichtungen, Verbindungen und Gliederungen gehabt haben, indem sonst die Unternehmung und Ausführung der ausserordentlichen Bauten, besonders in dem neuen Reiche und zu Theben nicht möglich gewesen wäre. Man lese nur die sehr allgemeine und unvollständige geographische Uebersicht der ägyptischen Bauten bei Schnaase, I. S. 334 ff., um eine Ahnung, nicht einen Begriff von den nothwendigen baupolizeilichen, baucorporativen Einrichtungen der Aegypter zu gewinnen. Besonders nach den Spitzen hin waren die Einrichtungen priesterliche, - Weihen, welche blos an Glieder der Priesterkaste verliehen wurden. Auch hier wurden namentlich Ausländer so wenig oder so schwer zugelassen, wie zu dem Mysterienwissen überhaupt; indemen Einzelne empfingen die Weihen und stets mehr in den Zeiten nach Psammetich und Amasis. Ueberdem war schon der blose prüfende Anblick der Bauten und des Bauens eine sehr wirksame theoretisch-praktische Bildungsschule. Das allgemeinste Bausymbol, gleichsam der maurerische flammende Stern, scheint die schlangengeflügelte Sonnenscheibe gewesen zu sein, wovon sich bei Lübke, S. 61, eine Abbildung befindet und die an den Gesimsen, und vorzüglich über den Eingängen der heiligen Gebäude stets und überall angebracht wurde; über der Pylonenthür des Tempels zu Edfu erscheint sie z. B., von unten nach oben aufsteigend, viermal, wenn die Abbildung bei Lübke, S. 51, nicht täuschet. Schnaase, I. S. 404, nennt dieses stets wiederkehrende Symbol das geflügelte Ei, welches gleichsam segnend über dem Eingange schwebe und in seiner mittleren Kreisgestalt den perspectivischen Augenpunkt sehr deutlich bezeichne. - Bemerkenswerth ist, dass zuweilen auch über den Portalen der Kirchen der Schweiz, z. B. der Peterskirche in Genf und der St. Gallus-Kapelle bei Schännis im Kanton St. Gallen, sich das Sym-




    1) Schnaase. IV. 1. S. 95.



    bol der Sonne, ein älteres männliches Gesicht mit starken Haarlocken in der Stirne, angebracht findet oder fand. 1) - Aus der griechisch-römischen Symbolik des Asklepios, welchen Bötticher, kleine Schriften, I, S. 95, mit Jablonsky für den ägyptischen, durch phönicische Kauffahrer zuerst nach Epidauros gebrachten Esmun hält und der eigentlich , der Schmerzlindernde, heisse, ist die Heilsschlange, die Schlange als Symbol des ewigen Lebens, 2) der sittlichen Gesundheit und Reinheit auch in die christliche Symbolik aufgenommen worden. Seit dem 3. Jahrhundert wird dem Evangelisten Johannes nämlich gewöhnlich als Attribut in die Hand ein Kelch gegeben, aus welchem sich in ähnlicher Weise eine Schlange erhebt, wie aus der von der Hygiea, der Tochter oder Gemahlin des Asklepios, getragenen Schale. 3) Auch ist zu berühren die gnostische Seete der Ophiten oder der Schlangenbrüder in den ersten christlichen Jahrhunderten, welche die Schlange symbolisch beim Abendmahl anwandten. Um über die Bedeutung der Schlange in der Schale der Hygiea und über dem Kelche Johannis des Evangelisten als Schlange des Lebens einen jeden Zweifel auszuschliessen, erhebt sich über oder neben derselben oft noch ein grünender Zweig von dem Baume des Lebens. 4) An diese Schlange, aufsteigend unter einem grünen Zweige, erinnert auch ein in den höheren Maurergraden gebräuchliches Symbol der Wiederauferstehung und Unsterblichkeit, indem Hiram aus dem Sarge und weissen Leichentuche unter einem grünen Akazien- und Palmenzweige zum neuen Leben auferwacht. - Die Sage, dass Johannes der Evangelist den Giftbecher ohne Nachtheil für seine Gesundheit getrunken habe, 5) steht wohl auch mit jener Schlange des Lebens in Ver-




    1) Anzeiger für schweiz. Geschichte und Alterthumskunde für 1861, S. 70.
    2) Symbolik, II. S. 64 ff.
    3) Vergl. bei Böttiger, kleine Schriften, I. S. 93 ff., die Abhandlung: "Die heilbringenden Götter, eine Netzjahrsgabe" und Tat. II; Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 66; Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. (Göttingen 1860) Nr. 759 ff.
    4) Symbolik, I. S. 144 ff.
    5) Symbolik, I. S. 639.



    bindung. Die Johannesminne, der Johannessegen, der im Namen des Johannis gesegnete Wein ist ein gegen alle Leiden, Feinde und Gefahren siegreich stärkender Trank. In einem alten Volksliede "Sanct Johannes Minne" bei Uhland, alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder, Stuttgart 1845, S. 819, heisst es daher:

    Diz ist sanct Johans minne,
    die gesegen wir mit gutem sinne!
    und mit ganzer innikeit
    drank er vor in und was bereit
    und erfüllet mit godes kraft,
    davon er doch wart sigihaft
    gein allen den di wider in
    ie gestifter iren sin:
    also müsse uns helfen got
    durch sinen bitterlichen dot,
    durch sin barmherzigkeit
    und durch sins namen heilikeit
    das uns diser drank also gesegent si
    daz wir davon werden fri
    vor schaden und vor schanden
    hie und in allen landen!
    uff velde, uff wage, in busch, uff allen wegen
    kome uns zu troste diser segen
    in stetten oder in dörfen,
    wo wir sin bedörfen
    so müsse got immer mit uns beliben,
    an der seit und an dem libe, amen!

    Karl der Grosse, da er zu Zürich weilte, bekam zufolge einer Sage bei Grimm, deutsche Sagen, II. Nr. 473, von einer dankbaren Schlange einen kostbaren Edelstein zum Geschenke, welcher die geheime Kraft hatte, beständig den Kaiser an sich oder an seinen Besitzer oder an den Ort zu ziehen, wo der Stein lag; durch diesen Stein wurde zuletzt Karl in die Gegend von Aachen gefesselt. Die magische Kraft der Schlange ist hier nur auf ihr Geschenk übertragen. Dieselben schützenden Kräfte gegen Gefahren und besonders auch gegen Gift (contra venena) wie der Johannesminne, dem Johannessegen wurden übrigens auch den Diamanten seit dem Ende des 13. Jahrhunderts in Deutschland nach dem Berichte des Albertus Magnus bei-





    gelegt. 1) Die heidnischen Symbole von dem Baume des Lebens (lignum vitae), von dem Tranke der Vorgessenheit und der Unsterblichkeit, und von der Schlange des Lebens und der Ewigkeit verbinden sich in den christlichen Zeiten mit der christlichen Vorstellung von dem zur Erlösung und Errettung der Menschheit vergossenen Blute Christi und dem zu dessen Andenken getrunkenen Kelche, welchen Kelch Johannes der Evangelist mit der heidnischen Heilsschlange und dem heidnischen Lebensbaume in der Hand hält, um die dürstende Menschheit leiblich und geistig mit dem Blute und dem Worte Christi zu tränken und ihr das ewige Leben und die Befreiung von allen irdischen Fehlern und Feinden zu verleihen. Der Kelch des Evangelisten Johannes mit dem Zweige von dem Lebensbaume erscheint auch in der Gralssage des Titurel, indem der Gral eine Wünschelruthe hat und durch diese seinem Besitzer Speise und Trank, leiblich und geistlich, und damit auch das Leben schenkt. 2) Mit Recht rügt es Mone, dass der Titurel die heidnische teutsche Wünschelruthe der Nibelungen hier ganz unnatürlich mit dem christlichen Blutkelche, Abendmahlkelche oder Grale zusammengefügt habe. - Uebrigens hält bei den Indern auch Çiwa, z. B. auf dem gigantischen Trimurtibilde gegenüber dem Eingange in dem Grottentempel zu Elephanta, eine ihm in das Gesicht blickende, aufgerichtete Schlange in der Hand; Çiwa blickt dabei zufolge der in allen Tempeln unverbrüchlich befolgten Regel nach Osten. 3) - Erwägt man die ägyptischen Pyramidal-, Gräber-, Tempel-, Palast-, Damm- und Wegbauten u. s. w. und den ganz ungeheuren Aufwand an Material jeder Art, an Menschenzeit und Menschenkräften, welche diese Bauten erforderten, kann man die Ansicht nicht abweisen, dass Jahrhunderte lang in dem alten wie in dem neuen Reiche alle Kräfte und alle Thätigkeit des Volkes mit der gewaltsamsten und unerbittlichsten Anstrengung den Bauunternehmungen seien zugewandt und dienstbar gemacht




    1) Ettmüller, Pfaffentrag und Bürgerzwist, S. 8 und 89.
    2) Mone, zur teutschen Heldensage, S. 177 ff.
    3) Romberg und Steger, I. S. 66 a.



    worden. Kein anderes Volk der gesammten Weltgeschichte hat auch nur annähernd so viel, so gross und so bleibend in Stein gebauet, als die Aegypter es thun mussten, und niemals werden dieselben von einem nachfolgenden Volke darin übertroffen oder auch nur in weitem Abstande ein geholt werden. Man fühlt sich versucht, das ganze ägyptische Staats- und Volksleben als das rastlose und harte Leben einer einzigen grossen Hütte von Bauleuten, Steinmetzen und Maurern unter dem Oberpriester und König als ihren Obermeistern und Obertreibern zu betrachten. Das ägyptische Reich war eine erdrückende und kaum zu beschreibende Baudespotie, gleichsam eine grosse Steinpyramide, und selbst im Oriente weiss man kaum die ägyptischen Bauten mit den Bauten anderer Völker und Staaten zu vergleichen; die grosse chinesische Mauer, die medische Mauer der Babylonier und noch einige ähnliche Bauten bieten sich einzig zur Vergleichung dar. Eine Abbildung des Transportes eines Steinkolosses bei Wilkinson, manners and customes of the ancient Egyptiens (London 1837), III. S. 328, gibt zugleich ein Bild des ganzen ägyptischen Staats- und Volkslebens. Dem Zuge voraus schreiten 7 Reihen Krieger, denn nur mit Kriegsgewalt konnte das Volk vermocht und gezwungen werden, den Baulaunen seiner Herrscher und Bedrücker sich zu fügen. Hinter dem siebenfachen Kriegerzuge folgt auf einer grossen Schleife das kolossale Steinbild, welches an vier dicken und langen Seilen von einer grossen Menge von Männern mit schwerer Anstrengung fortgezogen wird. Vorn am Fusse des Steinkolosses steht ein Mann mit einem Gefässe, welcher wohl Wasser auf den Boden vor der Schleife giesst, um die Entzündung zu verhindern oder sonst den Transport zu erleichtern, wie auch neben dem Zuge noch andere Männer mit bereit gehaltenen weitern Wassergefässen gehen. Den Zug schliesst eine Masse noch unbeschäftigter und unthätiger Leute, damit ihnen die Last und das Joch aufgebürdet werde, wenn dieselbe die Vorangehen den nicht mehr zu tragen im Stande sind. In solcher Weise schleppten die ägyptischen Könige Steinmassen von 74 Millionen Kubikfuss zusammen, wie es die französischen Ingenieure bei einer der grossen Pyramiden von





    Ghizeh berechnet haben; 1) die Leiden und Schmerzen des Volkes aber sind unberechenbar. Um die Menschenmassen zu dem bestimmten Ziele übereinstimmend zu bewegen und gleichsam als Maschinen zu gebrauchen und zu beherrschen, wurde gewiss von den ägyptischen Priestern vom Haupte bis zu den niedrigsten Gliedern Alles geregelt, eingetheilt und eingeordnet, so dass Aegypten als die Heimath und das Ursprungsland der Bauordnungen, Steinmetzordnungen, Aufnahmsrituale und Rituale jeder andern Art u. s. w. angesehen werden darf, zumal ja Gesetz und Ordnung, - Zahl, Mass und Gewicht die Seele und das Wesen aller Baukunst und daher Zirkel und Winkelmass die untrennbaren Attribute des himmlischen und irdischen Baumeisters sind. Dass die Priester und priesterlichen Bauleute namentlich gewissermassen sich im militärischen Takte und in militärischer Ordnung bewegt und gestellt haben, ist an den gleichmässigen Stellungen zu entnehmen, welche sie ihren kolossalen Steinfiguren gegeben haben, wie überhaupt vorherrschende Gleichförmigkeit und Unabänderlichkeit und der Mangel an lndividualität und Veränderlichkeit das Gebrechen der ägyptischen Sculptur und Malerei sind. Was aber besonders auffallend und beachtenswerth erscheint, sind die Händerichtungen oder Händehaltungen der ägyptischen priesterlichen Steinfiguren, indem ganz in derselben Weise noch heute die Freimaurer oder die katholischen Priester die Hände und Arme bewegen und halten. Bezüglich des Kreuzens der Arme findet sich in meiner Symbolik, II. S. 493 u. 534, schon das Geeignete bemerkt, womit zugleich nach dem Register die Stellen über das Kreuz zu vergleichen sind. Das Beten der Griechen und Römer, sowie der alten Christen, stehend und mit ausgebreiteten Armen und erhobenen Händen, so dass dieselben mit dem Rumpfe des Körpers ein Kreuz bilden, 2) möchte ebenso dem ägyptischen Kultus und Ritus entlehnt sein, indem nach den vorhandenen Denkmalen auch die Aegypter mit erhobenen Händen beteten. 3) Ferner findet sich




    1) Schnaase, I. S. 377; Lübke, S. 49.
    2) Symbolik, I. S. 411.
    3) Uhlemann, II. S. 193.



    das noch heute bei den Freimaurern überall übliche Stehen im Lehrlings- und Gesellenzeichen, nämlich das Auflegen der Hand auf die Brust gleich unter dem Kinn, während der linke Arm eng anliegend am Körper hinabgestreckt wird, was zugleich eine wirklich militärische Stellung ist - als eine feierliche oder gottesdienstliche Stellung der ägyptischen Priester, z. B. an den riesigen Steinfiguren in den Felsengrotten zu Girscheh im untern Nubien, wovon bei Lübke, S. 567 eine Abbildung in freilich sehr undeutlichem Massstabe gegeben ist, - ebenso in dem Vorraume des Felsentempels zu Ipsambul (Abu Simbel), wovon bei Rosengarten, die architektonischen Stylarten, Braunschweig 1857, S. 29, eine Darstellung enthalten ist. Es steht nicht entfernt zu bezweifeln, dass an den ägyptischen Denkmalen noch weit mehr mit der christlichen oder maurerischen Symbolik Uebereinkommendes aufzufinden, aber bis jetzt entweder nicht beachtet oder nicht erkannt worden ist. Das Stehen im Lehrlingszeichen scheinen von den ägyptischen Priestern sodann vorzüglich die Pythagoräer und nach ihnen die Essäer angenommen zu haben. Von den Essäern berichtet Philo von Alexandrien, dass dieselben in einer dem jetzigen maurerischen Lehrlings- oder Gesellenzeichen ganz entsprechenden Stellung stehend, dem Unterrichte ihrer Lehrer zuhörten. Dass auch durch das ganze Mittelalter hindurch den Bauleuten dieses (ägyptische) Lehrlingszeichen wohl bekannt gewesen sei, beweiset z. B. die nach Lisch im J. 1386 erbaute und durch viele maurerische Symbole sich auszeichnende Cistercienserkirche zu Doberan, indem darin auf einem Altarblatte, welches das heilige Abendmahl darstellt, die Apostel ganz in dem Lehrlingszeichen stehen. 1) - Sehr wahrscheinlich ist weiter, dass das taktvolle oder regelmässige Händeklatschen, welches bei sehr vielen Völkern des Alterthums und der Neuzeit sich findet und auch bei den Freimaurern sich in lebendigem Gebrauche erhalten hat, 2) von den Aegyptern, und zwar verbunden oder verstärkt mit besonderen Schlag-




    1) Freimaurerzeitung vom Jahr 1858, S. 388.
    1) vergl. darüber Symbolik, I. S. 116 ff.; Bötticher, kleine Schriften, I. S. 321 ff.



    instrumenten (crusma genannt 1)), bei der Aufführung ihrer Riesenbauten, z. B. beim Brechen, Heben und Fortziehen grosser Steinlasten, angewandt worden sei, um eine möglichst gleichzeitige und dadurch stärkere Bewegung und Wirkung der Menschenkräfte hervorzubringen. In derselben Weise und zu einem ähnlichen Zwecke bedienten sich die Aegypter bei ihren Heeren der Trommel 2) und die grosse Heertrommel mit 2 Fellen, caisse de tambour, die schon Plutarch in der vita Crassi bei den Parthern beschreibt, lernten die Europäer erst in den Kreuzzügen von den Arabern kennen. 3) Das Händeklatschen (battement des mains) als begleitender Ausdruck der menschlichen Gefühle, der Lust und des Schmerzes, der Zufriedenheit und der Unzufriedenheit, - des Tanzes, des Gesanges und der Musik, ist etwas sehr Gewöhnliches und Natürliches und findet sich in dieser Gestalt bei den Aegytern, Griechen, Römern, Indern, 4 ) bei den Negern auf der Westküste von Afrika in Congo 5) u. s. w.: jedoch als Mittel zur Erhaltung der Ordnung und zur Anspornung des Eifers möchte es doch vorzüglich und zuerst bei den Aegyptern und Assyriern gebraucht worden sein. Bei den Negern gebietet der König durch Händeklatschen Stillschweigen. 6) In Brasilien schlagen die Indianer, nachdem sie einen Kauf abgeschlossen haben, zum Zeichen ihrer Zufriedenheit gewöhnlich in die Hände. 7)

  1. Nicht so fast das griechische Volk, welches noch gar nicht als ein freies und selbstbewusstes vorhanden war, sondern die volksbeherrschenden Könige und Fürsten verkehrten eigentlich mit den Phöniciern und eigneten sich von ihnen die ihnen nützlichen Gewerbe, Künste und Kenntnisse an. Noch überwiegender aber war in den pelasgi-




    1) Böttiger, kleine Schriften, II. S. 208.
    2) Uhlemann, II. S. 98.
    3) Böttiger, Kunstmythologie, I. S. 294, Anm. 8.
    4) Paulin, voyage aux Indes orientals, II. S. 369; Renand, nouvelle symbolique, Bruxelles 1861, S. 59.
    5) Bastian, ein Besuch in San Salvador, Bremen 1859, S. 35, 48 und 228.
    6) Bastian, S. 56.
    7) Ausland für 1833, S. 1413 a.



    schen, in den vorhellenischen Zeiten wohl der Einfluss und die Herrschaft der Priesterschaft, ja möglicherweise hatten in den ältesten Zeiten die Pelasger eine Art Kastenverfassung, wie die Aegypter und Inder, welche erst gebrochen und überwunden werden musste, bevor das Hellenenthum, das Griechenthum sich entwickeln und erblühen konnte. Lebten auch die ältesten Pelasger getheilt und getrennt in erbliche Kasten mit Königen und Priestern, Kriegern und Fürsten an der Spitze, erscheint es gewiss weit einleuchtender und leichter, dass die noch weniger gebildeten griechischen Kasten mit den schon gebildeteren ägyptischen, besonders die Priesterschaft mit der Priesterschaft, in Berührung getreten seien und unbeschadet der innern und nationalen Verschiedenheit das allgemein Brauchbare in Gewerben und Künsten herübergenommen haben; eine Geschichte der Menschheit und eine menschliche Entwickelung besteht ja nur in dem Gedanken und unter der Voraussetzung, dass nicht jedes Volk wieder ganz von Neuem anfangen und das schon Gefundene nochmals suchen und finden müsse, sondern dass das nachfolgende weltgeschichtliehe Volk in dem allgemein Menschlichen, in dem rein Geistigen dort fortfahren könne, wo das vorangehende stehen geblieben. In dieser Weise sind die griechischen Künste und Wissenschaften durch die Römer den christlich-germanischen Völkern überbracht worden, um fortan ein unverlierbares Gemeingut der Menschheit oder die Kunst und die Wissenschaft zu sein. 1) Dass die Völker des vorgeschichtlichen Griechenlands übrigens auch den ägyptischen und indischen entsprechende Eintheilungen und Verhältnisse, namentlich einen abgesonderten Priesterstand gehabt haben mögen, - und dass es den geschiehtlichen griechischen Zeiten selbst nicht an einzelnen Erscheinungen fehle, die sich als Reste solcher Verhältnisse betrachten lassen, dafür darf verwiesen werden auf Hermann, griech. Staatsalterthümer, §. 5 und §. 97 ff. Diodor I. 28 und Plutarch vit. Lycurg. cap. 4 wollen sogar die




    1) Vergl. bei Schnaase, II. S. 523, die schöne Schlussbetrachtung über die weltgeschichtliche Bedeutung der römischen Kunst oder vielmehr der Römer für die griechische Kunst.



    Ständeverschiedenheiten in Attica und Lacedaemon aus Aegypten herleiten. Priester- und andere Aemter waren in Athen und an sonstigen Orten noch in den spätesten Zeiten erblich und berechtigen zu dem Schlusse auf die einstige allgemeine Erblichkeit der Aemter innerhalb der Priester- und der Kriegerkaste. Kreta z. B. besass Könige nur in sehr früher Zeit; ihre Stelle vertraten 10 Kosmen, die aus gewissen Familien ohne Rücksicht auf Würdigkeit gewählt wurden und namentlich auch im Kriege den Oberbefehl hatten. 1) Die Fragen über die ausländischen, besonders die ägyptisch-phönicischen Einwirkungen und Anregungen auf das erwachende Griechenland werden gewöhnlich aus zu einseitigem Standpunkte, entweder dem blos philologischen, mythologischen oder künstlerischen erörtert, ohne Kenntniss und ohne Berücksichtigung der damaligen gewissen oder doch wahrscheinlichen politischen Zustände; wollte man sich nur erinnern, was Römisches die Priesterschaft und was Französisches der Adel und die Fürsten nach Deutschland, - was die seefahrenden und seebeherrschenden europäischen Städte und Staaten Europäischisches nach allen Ländern der Erde verpflanzt haben, würde man wohl anders und mindestens weniger leidenschaftlich gegen Andersmeinende urtheilen. Das Beispiel von Kreta, welches sich ähnlich auch in Athen bezüglich des letzten königlichen Geschlechtes der Neliden oder Kodriden wiederholt, 2) zeigt deutlich den geschichtlichen Entwickelungsgang von dem unbedingten Erbrechte zu einer Wahl aus den Erbberechtigten, worauf dann mehr oder weniger schnell die ganz freie Wahl der Beamten folgte und zwar auf stets kürzere Zeiträume; es mögen im Allgemeinen das Königthum, die Aristokratie und Demokratie als die drei geschichtlichen Eutwicklungsstufen bezeichnet werden. 3)

  1. Den den Griechen so eigenthümlichen und bei ihnen bis auf die letzten Zeiten so hochgeschätzten Mysteriendienst, geheimen Gottesdienst, Gottesdienst an geheimen




    1) Hermann, St. A., §. 21.
    2) Schoemann, griech. Alterthümer, I. S. 318.
    3) Vergl. auch Hermann, §. 103 ff.



    dunklen und künstlich erleuchteten Orten möchte man kaum anders als für den Ueberrest, für die griechische Gestaltung des geheimen ägyptischen Priesterdienstes ansehen können. Nach ägyptischem (wie nach indischem) Begriffe ist Gott der Verborgene (Amun), der Unsichtbare, der Unerforschliche und Unnahbare, 1) und um dieses symbolisch anzudeuten, werden die Götterbilder, die göttlichen Symbole an dem verborgensten und dunkelsten Orte des Tempels aufgestellt, ohne dass das Allerheiligste von der Masse der Gläubigen betreten werden durfte, und selbst den Priestern oft nur zu bestimmten Zeiten zugänglich. Das Allerheiligste ist das (mit Ketten) verschlossene Allerdunkelste, wie dieses an dem in dieser Rücksicht ganz ägyptisch eingerichteten Allerheiligsten des salomonischen Tempels zu erkennen ist. 2) An die goldenen Ketten, welche an dem Allerheiligsten des salomonischen Tempels herabhingen, erinnern auch die goldene Kette, welche von dem schimmernden Dache des ältesten Tempels zu Upsala herabhing und den ganzen Bau umgab, wie überhaupt der Tempel zu Upsala gleich dem salomonischen von Gold erglänzt haben soll. Upsala heisst buchstäblich die Stadt des Tempels. 3) Nach Mannhardt, germanische Mythen, S. 675, soll die goldene Kette am Tempel zu Upsala ein Symbol des Nornenseiles gewesen sein, wie sich bei demselben auch ein immergrüner Baum und ein Brunnen befunden habe als Symbol der Esche Yggdrasil und des Urdarbrunnens. Schnaase behauptet dagegen (IV. 2, S. 435), es sei jetzt allgemein anerkannt, dass der sogenannte Odinstempel bei Upsala, ein von grossen rohen Steinen aufgeführtes schlichtes Gebäude, nicht aus heidnischer Zeit stamme. - Der Grundgedanke des ägyptischen Tempels, womit in jener höchst auffallenden und merkwürdigen Weise die unter allen Umständen der Zeit nach jüngern indischen Tempel oder Pagoden übereinstimmen, ist der,




    1) Vergl. Knötel, Cheops der Pyramidenerbauer, Leipzig 1861, S. 116.
    2) Symbolik, II. S, 141 ff.
    3) Leinburg, Hausschatz der schwedischen Poesie, III.(Leipzig 1860), S. 324.



    durch mehrere, stets feierlicher und grossartiger eingerichtete Räume, namentlich durch einen oder mehrere grosse oder zuweilen ungeheure Steinsäulensäle, z. B. in der grossen Pagode von Chalambron bei Pondichery durch einen Saal von 1000 Säulen, zu dem an dunkelem und verborgenem Orte aufgestellten Götterbilde hinzuleiten. Um sich über die indischen Tempel- und Grottenbauten zu unterrichten, kann wegen der vielen beigefügten Grundrisse und Abbildungen vorzüglich Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. Leipzig 1844, dienen, welcher erste Band die allgemeine Einleitung und die indische Baukunst enthält. Kürzer hat neuerlich Lassen, IV. S. 853 ff., von der indischen Baukunst, also auch von den Felsentempeln und Klosterhöhlen gehandelt. Wenig brauchbar ist, weil auf ganz falschen Voraussetzungen von hohem Alter beruhend, was Schnaase, Geschichte der bildenden Künste, I. S. 131 ff., darüber sagt; in ähnlichem Sinne berichtet die Apostelgeschichte des Geistes, I. S. 39 ff. Dagegen enthalten über die indische Baukunst und über die Grottenbauten Schätzenswerthes Robertson, historische Untersuchungen über die Kenntnisse der Alten von Indien, übersetzt von G. Forster, Berlin 1792, S. 262 ff. und 360 ff., - und A. W. Schlegel, indische Bibliothek, II. S. 453 ff. Sind die dunkelen Orte des Götterbildes vergoldet oder auch nur mit goldenen Bildsäulen, Altären, Thronen u. s. w. geschmückt, wie das Allerheiligste bei dem salomonischen Tempel, wird damit die zweite Eigenschaft der Gottheit symbolisirt, dass der Verborgene und Unsichtbare im ewigen Lichte, oder auch in einer unnahbaren Feuerburg wohne und throne. Die dunkele Götterwohnung, in Grotten und Höhlen besonders, welche sich gleichmässig bei den Semiten und Ariern, bei der Urmenschheit in Asien, Afrika und Europa findet, möchte auch weiter mit dem dualistischen Glauben an das Licht und die Finsterniss und das Hervorgehen des Lichtes und der Schöpfung aus der Urnacht durch das allmächtige Schöpfungswort, dass es werde, zusammenhängen. Die Verehrung und Anbetung der Gottheit in der Dunkelheit, in der dunkelen Grotte und Höhle, sollte dem Menschen vergegenwärtigen, dass alles Licht und alles Gute von der Gottheit komme und sie allein die Nacht,





    und das Böse zu überwinden vermöge. An dem dunkelen, abgesonderten und verborgenen Orte, welchen blos ein sparsames, künstliches Licht erleuchtet, kehrt der Mensch eher und leichter in sich selbst und zur Gottheit zurück; die Grotten und Höhlen sind die heiligsten Tempel, die stillsten Orte der Selbstsammlung und Gottbetrachtung, der Versenkung in sich selbst und in die Gottheit, der Erreichung des Yoga, der Busse und der Besserung, und namentlich haben darin die so viel besprochenen, so verschiedenartig gedeuteten und scheinbar so räthselhaften indischen buddhistischen und brahmanischen Grottenbauten ihre Entstehung und zwar in verhältnissmässig sehr späten Zeiten, womit allein schon eine ganze Reihe von Vermuthungen in Nichts dahinfällt. Diese Grottenbauten entstanden zunächst mit dem rasch und allgemein nach dem Jahre 543 v. Chr. über das eigentliche Indien, und namentlich über das Dekhan, sich verbreitenden Buddhismus und aus seinem Hange zum beschaulichen Büsserleben, zum klösterlichen Leben; die Thätigkeit, die Hingebung und begeisterte Unermüdlichkeit, welche einer jeden neuen Religion eigen sind, beurkunden sich bei den friedlichen indischen Buddhisten während mehrerer Jahr hunderte vor und nach Christus in den Grottenbauten, in dem Aushöhlen der Granitfelsen, wogegen die Araber ihren neuen Glauben mit dem blutigen Schwerte erobernd und zertrümmernd über die Erde tragen. Die brahmanischen Grottenbauten sind Gegenbauten, das Erzeugniss des anfänglich noch friedlichen und unblutigen religiösen Kampfes der Brahmanen gegen die Buddhisten, weshalb die buddhistischen und brahmanischen Grottenbauten oft neben einander liegen, wie im Anfange die Buddhisten und Brahmanen neben einander wohnten. Später mussten die Buddhisten den Verfolgungen der siegreichen Brahmanen erliegen und weichen, ihnen ihre jetzt abgeänderten und brahmanisch umgestalteten Grottentempel und Grottenwohnungen überlassen. Auch die vermuthlich aus den Buddhisten hervorgegangenen Gaina's liebten daher die Grottentempel und Grottenwohnungen. Die Höhlen und Riesenidole bei Bamian am Hindukusch sind gleichfalls bud-





    dhistischen Entstehens, wie auch Burnes annimmt. 1) Mit den heiligen Grotten-, Fels- und Gebirgsbauten berühren sich die gleichfalls in dem Alterthume und zumal in Aegypten so häufigen Felsengräber, in denen der unsterbliche Mensch dem ewigen Lichte und Morgen, der Wiederauferstehung entgegen schläft und harrt. Mit den Felsgräbern konnten auch leicht und natürlich Göttertempel, besonders zum Todtendienste, und selbst Wohnungen für fromme Büsser verbunden werden, wie es oft geschehen ist. Sehr beachtenswerth ist das ganz dunkle oder bei Tag wie bei Nacht mit künstlichem Lichte zu erleuchtende buddhistische Kloster auf einem Berge bei Gajâ-Buddha in Magadha, welches der chinesische Pilger Hiuen Thsang in der Mitte des 7. Jahrhunderts besucht und nach ihm Lassen, IV. S. 694, beschrieben hat. Dieses von einem reichen frommen Brahmanen erbaute Gebäude war zwar allerdings auf besondere Kultzwecke berechnet, es war ein freigebautes oder künstliches Grotten- oder Felsenkloster: aber kaum etwas besonders Geheimnissvolles, da es sonst am wenigsten von einem Andersgläubigen hätte erbauet werden können. Es war gleichsam eine Maurerloge, eine MaurerhöhIe. 2) Ganz dunkele Zimmer, zu besonderen cultlichen Handlungen bestimmt, finden sich zuweilen auch in den indischen Grottentempeln und Grottenbauten, z. B. zu Ellora in dem Tempel Dumar-Leyna, 3) - in dem Tempel von Dherwara, 4) - in dem Tempel von Djegueseri auf Salsette, 5) - in den Grotten von Keneri, welche mit den Monumenten von Syuth in Aegypten eine auffallende Aehnlichkeit haben sollen. 6) Die dunkelen indischen Pagoden im engeren und eigentlichen Sinne, die Allerheiligsten, - die einzig und allein durch die geöffnete Thüre Sonnenlicht empfangenden und darin auch vielen griechischen, nur gleich-




    1) Ausland für 1834, S. 900.
    2) Symbolik, I. S. 56 ff.
    3) Romberg und Steger, I. S. 56 b.
    4) Romberg und Steger, I. S. 64 a.
    5) Daselbst, S. 69 a.
    6) Daselbst, S. 69 b.



    mässig erleuchteten Tempeln gleichenden Räume und Wohnungen des Götterbildes, verglich De la Flotte, essais historiques sur l'Inde. Paris 1774, S. 214 und 219, dunkelen Löchern (à de fours). Vor den ganz dunkelen, oder auch nur durch ein einziges Fenster erleuchteten, Allerheiligsten oder Heiligen brennt eine Lampe und steht ein Tisch zur Aufnahme der Opfergaben. 1)

    Krypten, d. h. unterirdische Loealitäten oder Gemächer, befanden sich auch schon bei einzelnen griechischen Tempeln und die christlichen Krypten, auch Confessionen genannt. 2) wie sie im Mittelalter als unterirdisches Gräber- und Bethaus, als dem Todtencultus geheiligte Räume z. B. sogleich bei den ältesten sächsischen Kirchen zu Quedlinburg, 3) in der Stiftskirche zu Gernrode, 4) in dem Dome zu Bremen, 5) - ferner in dem im Jahr 1030 gegründeten Dome zu Speier, dessen Krypta die Familiengruft des salischen Kaisergesehlechtes bilden sollte, 6) - in der mit diesem Dome gleichzeitigen Klosterkirche zu Limburg bei Dürkheim a. d. H., - im Dome zu Augsburg, 7) - zu Freisingen, 8) zu Prag, 9) zu Utrecht, 10) in S. Clemente zu Rom, zu Verona in S. Zeno, in S. Minato bei Florenz, im Dom zu Modena 11) und zu Parma, - in Notre Dame du Port zu Clermont, 12) im Dome zu Auxerre, in der Abteikirche St. Benigne zu Dijon, 13) - in St. Philibert zu Tournus,14) - zu Jouarre mit dem




    1) Paulin, voyage aux Indes orientales, I. S. 101.
    2) Schnaase, IV. 1. S. 160 ff.
    3) Schnaase. IV. 2. S. 60 ff.
    4) Daselbst S. 65
    5) Daselbst S. 72.
    6) Daselbst S. 108.
    7) Daselbst S. 143 Anm. ***:
    8) Daselbst S. 145.
    9) Daselbst S. 150.
    10) Daselbst S. 154 Anm. *.
    11) Daselbst S. 205.
    12) Daselbst S. 271.
    13) Daselbst S. 285.
    14) Daselbst S. 289



    Grabmale des h. Angilbert (+ 680 1)), zu Canterbury, 2) zu Gloucester, - in dem Dome zu Viborg in Jütland, 3) in dem Dome zu Basel, vorkommen, sind gewiss nur eine Nachahmung und Fortsetzung derselben. Dergleichen unterirdische Räumlichkeiten, wie z. B. im Peribolos des Tempels des Poseidon auf dem Isthmus zu Corinth, wo Palaemon und Melikertes begraben sein sollte, - im Tempel zu Delphi, woselbst die Gräber des Dionysos und des Python geglaubt wurden, - in den Heiligthümern zu Lebadeia und Oropos mit den Gräbern des Trophonios und Amphiaros, - in dem Tempel der Athene zu Pallene u. s. w., hiessen Adyta oder Megara, obgleich Megaron in weiterer Bedeutung für die Cella des Tempels, besonders eine solche gebraucht wird, die nur den Priestern oder den Eingeweihten zugänglich war. 4) So z. B. durfte die Grotte der Rhea bei Methydrion in Arkadien blos von den Priestern betreten werden. Dass die unterirdischen Heiligthümer mit dem Todtendienste in Verbindung stehen, ist deshalb nicht zu bezweifeln, weil in ihnen oder doch bei ihnen sich so oft das Grab eines Heroen oder eines Gottes, oder auch beider befinden soll, worüber Pyl sehr fleissige Nachweisungen gegeben hat. Da die Mysterienweihen gewöhnlich Todtenculte waren oder sich an das Leiden und Sterben eines Gottes oder Heroen anlehnten, stehen jene unterirdischen Räume zugleich in Beziehung zu den Mysterien. Pyl zufolge waren diejenigen Gebäude, welche chtonischen Culten dienten, ganz oder zum Theil unterirdisch, während es sich umgekehrt mit den Heiligthümern der obern Gottheiten verhielt. Die sog. Schatzhäuser des Atreus und seiner Söhne zu Mykene, des Minyas zu Orchomenos, - zu Amyklae und Pharsalos u. s. w., welche als sehr schwerfällige, sich nach oben durch Ueberkragung gleichsam zuwölbende Rundbauten erscheinen, sieht Pyl als uralte gemeinschaftliche Cultlocale eines Gottes und eines




    1) Schnaase, IV. 2. S. 367 unten.
    2) Daselbst S. 386.
    3) Daselbst S. 432.
    4) Schoemann, griech. Alterthümer, II, S. 183; Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 68 ff.



    Heroen an, welche zugleich den Tempelschatz bargen und daher später vorzüglich den Namen der Schatzhäuser behielten; den Tempelschatz sollen die Heroen durch Seefahrten erworben haben, wodurch zugleich Beziehungen zu Poseidon begründet werden.

    Nach Winckelmann, Sendschreiben von den hereulanischen Entdeckungen, Dresden 1762, S. 28, fand sich zu Herculanum in einer am Meere gelegenen Villa ein kleines, völlig dunkeles Zimmer, etwa 5 Palmen lang, nach allen Seiten, und 12 Palmen hoch, welches mit Schlangen bemalt war, woraus geschlossen werden will, dass es zu dem eleusinischen Dienste gedient habe, weil auch ein schöner Dreifuss von Erz hier gefunden wurde. Der kleine Raum kann unmöglich zu einem gemeinschaftlichen Versammlungsorte, sondern blos zu einem Vorbereitungsorte oder zur Kammer des stillen Nachdenkens des Einzelnen gedient haben. Uebrigens wurden die Eleusinien zu Eleusis nach ägyptischem Vorbilde wesentlich als ein nächtlicher Weihedienst gefeiert, indem die Hauptweihe stets eben ein Sterben und Wiederauferstellen nach dem göttlichen Vorbilde war. Aristophanes in den Fröschen nennt daher auch die eleusinischen Weihen Nachtweihen. Als die christlichen Kaiser Constantius und Galerius alle Nachtfeiern verboten, wurden auf Verwendung des Proconsul von Achaia, Prätextatus, die Eleusinien von dem Verbote ausgenommen. 1) Da die unterirdischen Heiligthümer, die Felsentempel und Felsengrotten, die Höhlendienste von Indien an durch Mittel- und Westasien bis an die Küsten des Mittelmeeres und nach Kleinasien, sowie von Aegypten an über die Inseln des Mittelmeeres, Kreta, Sicilien, Sardinien u. s. w., sich nach Griechenland und Italien und selbst bis zu den Druiden nach Gallien und Britanien in höchst überraschender Uebereinstimmung ausdehnen, darf hieraus auch auf einen mehr oder weniger übereinstimmenden Todten- und Mysteriendienst geschlossen werden, dessen jüngste und letzte Ausläufer die Maurerlogen und Hiramweihen wären. Südindien ist jedoch keineswegs ein Ausgangsland, vielmehr wurden dahin diese




    1) Schoemann, II. S. 357.



    Bauten und Dienste mit den Ariern selbst von Norden und von Westen her verbreitet. Welcher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ländern und Völkern und zwischen diesen und den Maurerlogen und Maurerdiensten bestehe, kann allerdings noch nicht gesagt werden, ohne dass deshalb der Zusammenhang nicht vorhanden wäre oder geleugnet und bestritten werden dürfte; in England jedenfalls stehen die maurerischen Lehren und Einrichtungen mit denjenigen der Druiden und spätern Barden in vielfachen, sogar gegenwärtig schon urkundlich vorliegenden Berührungen.

    Unter der Peterskirche zu Rom befindet sich die Sacre Grotte, die Reste des von Constantin aufgeführten alten Gebäudes, aus mehreren langen und gewundenen Gallerieen bestehend mit Todtenurnen der Kaiser, Päpste und Heiligen. Das Musterbild aber einer maurerischen Meisterloge möchte die Kapelle unter der Kirche dell' Orazione zu Rom bei dem Todtenfeste darbieten, welche bei dieser Gelegenheit schwarz ausgeschlagen ist; die Altäre sind mit jedem melancholischen Attribute ausgestattet, und nur düster mit wenigen Lampen erleuchtet; an den Wänden der Kapelle stehen Haufen von Todtenknochen nach ärchitektonischen Regeln aufgerichtet, und in der Mitte erhebt sich, von Cypressen umschattet, ein Katafalk. mit dem schauerlichen Bildnisse des Todes, während das Ganze mit Arabesken aus Gebeinen, in der Gestalt von Herzen, Sternen, Dreiecken u. s. w. eingefasst ist; einige Altäre hat man ganz aus Todtenknochen aufgerichtet, die Leuchter sind aus demselben Material gebildet und selbst das Gefäss, welches das Weihwasser enthält, ist ein Todtenschädel. 1) Da die Bauleute einstens nicht allein katholisch, sondern selbst zum Theil wirkliche Klosterbrüder oder doch Laienbrüder waren, in den spätern Zeiten aber allgemein religiöse Bruderschaften mit der besondern Verpflichtung zum Todten- und Seelendienste bildeten, sind im vollsten geschichtlichen Sinne die Todtenfeiern der katholischen Kirche die Vorbilder des maurerischen Todtendienstes in der Meisterloge und Trauerloge, wie den Todtenfeiern der katholischen Kirche




    1) Ausland für 1834, S. 1286 a.



    wieder der ägyptisch-phönicische Adonisdienst zu Grunde liegt und vorausgeht. Aehnlich ist die maurerische Zeichensprache. besonders die Sprache der Hände und der Finger, nur ein schwacher Ueberrest der klösterlichen Zeichensprache, die einstens namentlich in Aegypten und Italien zu Hause war und theilweise noch heute es ebenso ist. 1) Bei den Trappisten ist das eigentliche Hauptbeiligthum des Ordens die Höhle des heiligen Bernhard. 2)

    Die für die Geschichte des Christenthums und namentlich auch für die enttehende christliche Kunst so bedeutungsvollen römischen Katakomben 3) waren christliche Felsengräber und Felsenkirchen, Todtenkirchen, Krypten und im Noth- und Unglücksfalle selbst Wohnungen. Bei dem Aufsuchen und Einrichten dieser Katakomben schwebten gewiss Erinnerungen an die ähnlichen Todtenstätten Aegyptens, Carthagos und anderer Orte vor. Hunderttausende von kreuzweis über einander gelegten Mumien soll z. B. die Grotte von Samum enthalten. 4) Auch die alten Römer schon bestatteten ihre Todten, die Aschenkrüge, zum Theil in Felsenhöhlen oder unterirdischen Kammern. 5) Aehnliche Katakomben wie zu Rom, jedoch vermuthlich aus ältern Zeiten stammend, finden sich auch zu Neapel, zu Syracus, zu Athen, auf den canarischen Inseln und anderwärts; 6) die jüngsten solcher Katakomben sind wahrscheinlich diejenigen von Paris. Nach einer isländischen Sage bestand im Mittelalter in Deutschland oder zu Paris eine Schule der schwarzen Kunst, welche in einem unterirdischen, fenster- und lichtlosen Gemache gehalten wurde und worin die Schüler je nach Umständen 3 - 7 Jahre bleiben und lernen mussten. 7) Die ägyptischen Felsengräber bei Theben 8) treten mit den römi-




    1) Ausland für 1833. Nr. 31 ff.; 1834, S. 1294 und 1417.
    2) Ausland für 1834, S. 1405 a.
    3) Schnaase, III. S. 54 ff.; L. Hutmacher, ein Besuch in den römischen Katakomben von San Kalisto, Mainz 1861.
    4) Ausland für 1834, S. 765.
    5) Schnaase, II. S. 470.
    6) Ausland für 1833, S, 1367 b. ff.
    7) Maurer, isländische Volkssagen, S. 120.
    8) Schnaase, I. S. 356.



    schen Katakomben noch dadurch in eine ganz besondere Beziehung, dass auch sie während des 4ten Jahrhunderts zahlreichen christlichen Einsiedlern zum Wohnorte dienten, wie diese sog. thebaische Wüste auch jetzt noch in ähnlicher Weise von mehreren hundert Arabern bewohnt wird. Fast gleichzeitig findet man demnach in einer höchstmerkwürdigen Uebereinstimmung die buddhistischen und brahmanischen frommen Einsiedler in Vorderindien, die christlichen in Aegypten und in Italien in dunkelen Felsenhöhlen und Felsengrotten, in Felsentempeln und Felsenwohnungen. Ein Auswuchs und Nebenzweig des gottgefälligen Lebens in den Felsen sind die sog. Styliten oder Säulenheiligen, welche sich auf hohe steinerne Säulen zurückzogen und darauf lange Jahre verweilten. Der Stifter der Styliten-Sekte, der fanatische Säulenheilige Sisanites, Sohn eines syrischen Hirten, soll 37 Jahre in heiliger Beschauung auf fünf Säulen von steigender Höhe zugebracht haben. Er starb um das J. 461. Die letzte Säule, die er bewohnte, war 40 Ellen hoch. 700 Jahre lang gab es Menschen, welche diese Lebensart nachahmten und Sancti columnares (Säulenheilige) hiessen. Selbst in Deutschland, im Trierschen, versuchte man Luftklöster anzulegen, aber die Bischöfe widersetzten sich der gefahrvollen Unternehmung. 1) Auch in der Schweiz werden deutliche Spuren des frommen Einsiedlerlebens in den Felsen getroffen, z. B. bei Solothurn und beim Uebergange über die Gemmi von Lenk aus. - Nach Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 56, würde das Wort gleichbedeutend mit Höhle sein und namentlich wäre das Gortynische Höhlenlabyrinth auf Kreta der dortigen Höhle gleichzustellen, in welcher Zeus geboren sein sollte.

    Die schlüsseltragenden oder die eröffnenden und beschliessenden Gottheiten, wie Osiris und Isis bei den Aegyptern, - Hades, Pluto und Hekate, 2) Athene bei den Griechen, Janus und Diana, Jana bei den Römern, 3) oder




    1) Humboldt, Ansichten der Natur, I. S. 221.
    2) Wieseler, Denkmäler, II. Nr. 884, 891 und 894 a.
    3) Vergl. darüber besonders Böttiger, Ideen zur Kunstmythologie, I. S. 247 ff.



    der Schlüssel der Lichtgötter als Symbol der Herrschaft über Tag und Nacht, Aufgang und Niedergang, Ober- und Unterwelt, Himmel und Erde möchten den Phöniciern, den den Tubalkain oder Telchinen, d. h. den Ursemiten angehören und von ihnen zunächst und am frühesten auf die Aegypter übergegangen sein. Ganz ursprünglich ist dieser Schlüssel nur der Blitz, der Stab, womit die Gewitterwolken geschlagen und geöffnet werden, damit ihnen der befruchtende Regen entströme; daher berührt sich der Schlüssel in seiner frühesten oder ältesten Gestalt so innig mit dem Stabe, - ist nur ein Stab mit einer Krümmung, mit einem Haken oben, wie denselben namentlich Osiris gleichsam als Scepter in der Hand hält, und wie wir ihn noch heute bei den Schlossern sehen können. Auch der indische Ganeça, wörtlich der Herr der Zahlen, ein Sohn des Çiwa und der Parvadi oder der Sonne und des Mondes, welcher allgemein mit dem römischen Janus verglichen wird, trägt häufig einen Hakenschlüssel, - einen Schlüssel mit einem umgebogenen Haken, um die hölzernen Riegel an den Thüren aufzuheben, welche anfänglich allein das Thürschloss bildeten. 1) Als Gott oder Erfinder der Schreibkunst und der Wissenschaft tritt jedoch Ganeça auch dem ägyptischen Thot-Hermes zur Seite. Der Stab des Moses, der Schlüssel des Petrus und der Krummstab des Papstes sind ursprünglich ganz gleichbedeutend und derselbe jüdisch-christliche Nachklang des asiatischen Blitzsymboles, welches auch der griechische Zeus und der indische Wischnu als Flammenrad hält. Der Stab als blosser Wander- und Hirtenstab ist kein Lichtsymbol, sondern das ursprünglichste und dem Hirtenleben entlehnte Attribut Gottes, der Priester und der Fürsten als himmlischer und irdischer Fürsten der Völker; diesem Hirtenstabe reiht sich das heilige Zelt der Juden mit dem Zelt- oder Tempelvorhange, - das Tabernakel der katholischen Kirchen, der Altarvorhang der Maurerlogen u. s. w. an. Auch rechnet Böttiger, Kunstmythologie, I. S. 94, den krummen Massstab (lithuus) der etruskischen Auguren dahin. Wenn zwei




    1) Paulin, voyage, I, S. 112 ff. und II, S. 26.



    Schlüssel als Symbol oder Attribut der Gottheiten vorkommen, ist es nur eine stärkere Betonung oder Hervorhebung des ewigen Wechsels und Umschwungs von Tag und Nacht, Sonne und Mond, Sommer und Winter, - der Tages- und der Jahreszeiten. Die zwei Schlüssel sind die zwei Säulen der Tempel, welche zu Tyrus abwechselnd während des Tages und der Nacht leuchteten, - die zwei Gesichter der Götter und besonders des Janus, - die zwei Zwillingsbrüder oder Dioskuren als die Sterne des Abends und Morgens, - der Tagesgott mit seiner nächtlichen Schwester, die Latonenkinder Apollo und Artemis, - das zweischneidige Schwert der Götter, wie z. B. des Tyr, Sonne und Mond, die zwei grossen Lichter oder Leuchten des Tages und der Nacht, Osiris und Isis, Helios und Selene (Helene), Bel und Bela u. s. w. 1) Gleich dem Schlüssel ist auch die Harpe (des Kronos) ein Licht- und Blitzsymbol und die Entmannung des Ouranos wohl kaum etwas Anderes als die Bezwingung und Eröffnung der Gewitterwolke (das mare apertum); der niederfallende Samen des Ouranos ist der Regen. Janus ist zugleich der italische Melkart der Phönicier und der Herakles der Griechen, - der Gott der 12 Monate und Arbeiten des Jahres, und die Keule des Herakles ist gleichfalls ein Symbol des allesüberwindenden Blitzes. In der Offenbarung Johannis, I. 18 , sagt der leuchtende Sonnengott Christus, welcher in seiner rechten Hand 7 Sterne trägt und aus dessen Mund ein scharfes zweischneidiges Schwert geht: "Ich habe die Schlüssel der Hölle und des Todes ()." Der Doppelkopf des Janus pater, Jovis pater, möchte von den Aegyptern ausgegangen und aus der ägyptischen Symbolik den italienischen Küstenbewohnern von den Phöniciern zugeführt worden sein. Das zweischneidige Schwert Christi und Johannis könnte nur eine andere Gestalt, die Umgestaltung der zwei Gesichter der ägyptischen Götter im Jehovacultus und im Christenthum sein. Als Gründer der hundertthorigen Stadt Theben steht Osiris auch gleich dem Janus als dem Gotte der Thüren und der Pforten (janua)




    1) Böttiger, K. M., I. S. 21 Anm. und S. 247 ff., II. S. 214 ff.



    oder Januarius. Ebenso reihen sich die Doppelhermen oder Hermathenen, d. h. die Doppelköpfe des Hermes und seiner Gattin Athene an. 1) Die in ganz Flandern und Brabant sich findenden Fechtergesellschaften, welche den heil. Michael zum Schutzpatron, haben und dessen zweischneidiges Schwert verehren, 2) sind jedenfalls heidnisch-römischen oder heidnisch-germanischen Ursprungs und der Verehrung einer Lichtgottheit geweiht. Das Schwert kann das Schwert des Mithra, nach Andern des Mars sein und seine Streiter sind die Genossen; oder es ist das Schwert das Symbol des Sahsnôt, wozu sich Wolf neigt. Der Stab, welchen die kymrischen Barden in der Bardenversammlung trugen, kann auch nur ein Lichtsymbol gewesen sein und steht in seiner symbolischen Bedeutung dem maurerischen Schwerte zur Seite. In den eleusinischen Mysterien wurde den Eingeweihten zum Symbole des zu beachtenden Stillschweigens ein Schlüssel auf den Mund gedrückt, der Mund geschlossen. 3) Nach der Legende hatten Demeter und Kore ihren Dienern den Eumolpiden, selbst mit goldenen Schlüsseln den Mund oeschlossen. Der tropische Ausdruck, Jemandem den Mund schliessen, wäre somit dem Mysteriendienste entlehnt. Auf einem Steine des Stossischen Musei wird zufolge Winckelmann, Allegorie, S. 47, die Liebe. dargestellt mit einem Gebunde Schlüssel in der Hand nach Euripides als Herr des Sehlafgemachs der Venus; in dieser Gestalt hiess die Liebe , Claviger. - Nach einer Sage bei Grimm, deutsche Sagen, I. S. 235, wird einst die im Soester Berge verfluchte Jungfrau ein fremder Edelmann erlösen und mit einem feurigen Schlüssel den bei ihr befindlichen, von einem schwarzen Hunde bewachten Kasten mit dem Gelde eröffnen. Einen Schlüssel in der Rechten trägt auch die bei Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. (Göttingen 1860) Nr. 967, als Aeon bezeichnete, nach Lajard aber für Mithras zu haltende Menschengestalt mit Löwen-




    1) Böttiger, K. M., I. S. 253 und 54.
    2) Wolf, Beiträge, I. S. 128 ff.
    3) Vergl. Schneidewin, Oedipus auf Kolonos, Berlin 1857, S. 121.



    gesicht, geflügelt, von einer Schlange umwunden, deren Kopf gerade über der Mitte des Gesichtes liegt, mit einem Blitz mitten auf der Brust und mit einer Fackel, sowie mit einem Scepter oder Massstabe in der linken Hand; zu den Füssen rechts ein Hammer und eine Zange, links ein Caduceus, ein Hahn und ein Pinienapfel. Nach der auf der Figur befindlichen Inschrift wurde dieselbe im Jahr 190 nach Chr. geweiht. - Auf einer Broncemünze von Thessalonike trägt ein makedonischer Kabeiros in der Rechten einen Schlüssel und in der Linken einen Hammer. 1) - Der Hahn ist oben dem Asklepios wohl als dem Verkündiger des wiedererstehenden Morgens, der Wiedergenesung, des Telesphoros beigegeben, 2) wie auch der der Kybele geheiligte Hahn 3) blos die ewig wieder sich verjüngende Kraft der Mutter Erde andeuten soll und eben darauf auch der von zwei Schlangen getragene goldene Ring zu beziehen ist, welchen der verschnittene Erzpriester der Kybele, Archigallus, bei Wieseler, II. Nr. 817, um den Hals trägt. Derselbe Priester trägt auf der Brust einen Schild mit dem Bilde des Atys, welcher zum Zeichen des in den Mysterien der Kybele zu beobachtenden Stillschweigens die rechte Hand auf den untern Theil des Gesichtes gelegt hat, gewissermassen in dem maurerischen Halszeichen steht. Plutarch gedenkt eines Apollo mit einem Hahnen auf der Hand, die Sonne anzuzeigen, deren Aufgang der Hahn meldet. 4) Auch neben dem Mercur steht zuweilen ein Hahn, welchen Lucian auf die Vielredenheit deutet. 5) Auf dem Schilde einer Statue des Idomeneus, Königs zu Kreta, und auf Münzen. der Stadt Carystus bezeichnete der Hahn die Sonne. - Nach Paulin, voyage aux Indes orientales, II. S. 273, wird bei den Indern der Gott Chani oder Dchani, welcher von ihm dem Saturn verglichen wird, auf einem Hahne, "symbole du temps auquel préside ce dieu,"




    1) Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. Nr. 820.
    2) Vergl. Wieseler, II. Nr. 787 ff.; Preller, griech. Mythol., II.. S. 327.
    3) Wieseler, II. Nr. 813.
    4) Winckelmann, Allegorie, S. 37.
    5) Winckelmann, S. 40.



    reitend dargestellt. - Auf dem Schnellerts in Hessendarmstadt kräht ein geisterhafter Hahn. 1) Wenn am Morgen der Hahn kräht, verschwinden die Spukgeister und Hexen, 2) endet die Gewalt der bösen Finsterniss und es herrscht wieder das siegreiche Licht. Zu Frankfurt a. M. auf der Sachsenhauser Brücke steht ein goldener Hahn zum Wahrzeichen, dass der Baumeister der Brücke den Teufel, welcher für ihn in der Nacht hatte die Brücke vollenden müssen, und sich dafür das erste darüber gehende lebende Wesen zum Lohne ausbedungen hatte, durch einen vor sich hergetriebenen Hahn überlistete. 3) Eine ähnliche Sage wird von der Erbauung der Reusbrücke erzählt, nur wird hier der Teufel durch eine Gemse betrogen. 4) Diese Teufelssagen erinnern an die isländische Sage bei Maurer, isländische Volkssagen, S. 117, von dem Zauberer Thorleifr, welcher sich dem Teufel unter der Bedingung ergeben hatte, dass er ihm zuvor noch drei Wünsche währe; durch diese bannte er den Teufel in einen Sack und prügelte ihn durch, bis er davon fuhr. - In Böhmen hatte der als Jüngling dargestellte St. Veit in der Regel einen Hahn neben sich und das böhmische Landvolk brachte bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts dem Heiligen an seinem Gedächtnisstage (15. Juni) in dem Dome zu Prag einen Hahn dar. Auch dem böhmischen Swantewit (nach Stöber, Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, S. 245 vergl. mit S. 259, das heilige Licht) soll der Hahn heilig gewesen sein. Der heilende St. Veit könnte eine Umgestaltung des Heilgottes Asklepios sein und der Hahn, welcher sich zugleich mit dem eröffnenden Schlüssel berührt, der Heilschlange gleichstehen. Im untern Elsass zu Hürtigheim werden dem h. Veit noch jetzt schwarze Hennen geopfert, damit die Kinder von den Gichtern befreiet werden. 5) Im Dunzenbruch, d. h. auf den diesen Waldhügel bedeckenden Wurzelstöcken alter




    1) Wolf, hessische Sagen, Nr. 9.
    2) Wolf, Zeitschrift für deutsche Mythol., I. S. 22 und 300.
    3) Grimm, deutsche Sagen, I. Nr. 185.
    4) Grimm, I. Nr. 336.
    5) Wolf, Zeitschrift, I. S. 407.



    Eichen wurde früher als eine Opfergabe auch eine Henne mit ihrer Brut niedergelegt. 1) Stirbt im Elsass auf dem Lande ein Huhn, soll man dafür Gott danken, weil das Huhn an der Stelle oder als Opfer eines Hausgenossen stirbt. - Am Versöhnungstage schlachtete bei den Juden der Mann einen Hahn, die Frau eine weisse Henne; eine schwangere Frau opferte wegen des erwarteten Kindes, dessen Geschlecht sie nicht kannte, einen Hahn und eine Henne; diese Opfer heissen im Talmud Cappóro, d. i. Versöhnung, und auf sie gingen von den Opfernden die Sünden und alle übrigen Uebel über; wer weder Hahn noch Henne opfern konnte, schenkte einem Christenbettler einige Pfennige. 2) - In Malabar werden der Bhagavadi, der Gemahlin des Çiwa und auch Mondsgöttin (nach Paulin Hekate), beim Eingange des Tempels Hähne geopfert und mit deren Blut die Thürflügel der Tempelpforten besprengt. 3) - Die Helden im Walhalla werden jeden Morgen durch einen Hahn mit goldenem Kamine geweckt. In der Wöluspa Str. 25 (nach Bunsen, Gott in der Natur, III. S. 494) heisst es:

    Den Göttern gellend sang Gullinkampi,
    Weckte die Helden beim Heervater:
    Unter der Erde singt ein Anderer,
    Der schwarzrothe Hahn in den Sälen Hels.

    Auf Island heisst noch heute eine Pflanze, Tringa lobata, Odins Hahn. In der deutschen Mythologie ist der rothe Hahn ein Symbol des Blitzes und der Blitz- und Gewittergottheiten. Nach vielen Sagen fährt der Hausgeist in Gestalt eines rothen Hahns, oder auch eines feurigen Drachens oder eines glühenden Baumstammes durch den Schornstein in die Häuser, um seinen Lieblingen oder Herren Geld, Korn, Milch u. s. w. zuzutragen. 4) Der noch heute beim Volke gebräuchliche Ausdruck, Jemandem den rothen Hahn auf das Haus setzen, anstatt das Haus




    1) Stöber, a. a. O., S. 269.
    2) Wolf, Zeitschrift, I. S. 408.
    3) Paulin, voyage, I. S. 205 und 418, II, S. 102 und 339.
    4) Mannhardt, germanische Mythen, S. 720.



    anzünden bezeichnete wohl ursprünglich das Einschlagen des Blitzes und den daher entstandenen Brand, - In einem auf dem Rohracker bei Westhofen im Elsass wegen seines gottlosen Lebens versunkenen Kloster hört man noch den Hahn krähen, 1) wo also der Hahn als unterweltliches Thier und Symbol, als Verkünder des letzten Gerichtes erscheint. In Wolf's Zeitschrift, I. S. 138, Anm. 17, hat Rochholz auch Einiges über den Hahn der Volkssage zusammengestellt, ohne jedoch tiefer einzutreten. Rochholz macht aufmerksam auf die Wortverwandtschaft zwischen Goggel, Güggel und . Zufolge Kuhn, Märkische Sagen, S. 376, erkennt man die Hexen, wenn man das erstgelegte Ei einer schwarzen Henne in der Tasche trägt. Nach der elsässischen Sage (bei Stöber, S. 283) erkennt man die Hexen, wenn man die Leute in der Kirche durch ein in der Charfreitagsnacht gelegtes Ei betrachtet. - Persephone oder Kora neben Hades, oder Dionysos auf einem Terrakottenrelief im königl. Museum zu Neapel 2) hält auf ihrer Rechten einen Hahn, bei der Persephone zwar ein seltenes, aber durch Porphyrios de abstin. IV. 16. bezeugtes Attribut. Ein Hahn erscheint auch auf einem Streifen um den Leib der Marmorgruppe der Hekate in der Bruckenthal'schen Sammlung zu Hermannstadt. 3)

    Wie weit und vielfach sich die Verbreitung des ägyptischen Glaubens ausdehne , ist an den Mandäern oder Johannischristen, welche später noch weiter berührt werden werden, ersichtlich. Nach ihrem, hierin offenbar ägyptischen Glauben, gemengt mit dem parsischen, sitzt der Vater der Engel, welcher auch der Alte, der Verborgene, der Wächter, genannt wird, an der äussersten Grenze der Lichtwelten bei dem grossen Thore zu den niedern und untern Regionen, haltend in der Hand die Wage, um darauf die Thaten der abgeschiedenen Geister, welche dahin gelangen, abzuwägen und diese je nach dem Ergebniss der Abwägung zurückzuschicken oder in den Him-




    1) Stöber, a. a. O., S. 224.
    2) Wiesler, Denkmäler der alten Kunst, II. Nr. 856.
    3) Wieseler, II. Nr. 893.



    mel einzulassen. 1) Der hier erscheinende Todtenrichter ist Osiris. In einzelnen deutschen Volkssagen werden nach dem Tode die guten und die bösen Thaten des Verstorbenen zwischen einem Engel, z. B. dem Erzengel Michael, und dem Satan abgewogen. 2) Zu Bamberg ist auf Kaiser Heinrichs Grab die Gerechtigkeit mit einer Wagschale in der Hand eingehauen. Es gehet hierüber ein altes Gerücht, dass, sobald das Zünglein an der Wage ins Gleiche komme, die Welt untergehen werde. 3)

    Auf einem herculanischen Gemälde, abgebildet bei Böttiger im zweiten Bande seiner kleinen Schriften, Taf. IV vergl. mit S. 210 ff., hat auch der Isispriester zwei Diakone oder Pastophoren, welche bei der Emporhebung und Vorzeigung des heiligen (Nil-) Wassers in ähnlicher Weise mit zwei Sistren dreimal klapperten, wie die katholischen Messdiener bei der feierlichen Emporhebung des Kelches mir dem Weine als dem Symbole des Blutes Christi, oder bei der segnenden Darbietung des Brodes als des symbolischen Leibes Christi dreimal schellen, worauf die niedergebeugte Gemeinde sich dreimal bekreuzet und dreimal reuevoll an die Brust schlägt. Das Wasser (Osiris als der befruchtende Nil) war den Aegyptern das Symbol alles leiblichen und auch ewigen Lebens, 4) wie Christus in der Gestalt des Weines und des Brodes den Christen das Symbol des geistigen und ewigen, des himmlischen Lebens ist. Es kann gar nicht in Zweifel gezogen werden, dass das Sanctissimum und besonders der heilige Kelch oder Gral der Katholiken nur eine Nachbildung des heiligen Wasserkruges, des heiligen Kruges mit dem Nilwasser, des Isiscultus sei. Auch umfasste der Isispriester das heilige Wassergefäss nicht mit blossen, sondern in ähnlich durch feine (weisse) Leinwand, durch einen weissen Ueberwurf (piviale) verhüllten Händen, wie der katholische Priester den h. Kelch, die Monstranz umfasst und vorzeigt. Das heilige Wassergefäss (Hydrium, ) hatte nach Hora-




    1) Petermann, Reisen im Orient, II. S. 450.
    2) Grimm, deutsche Sagen, II. Nr. 506, 479.
    3) Grimm, a. a. O., I. Nr. 294.
    4) Symbolik, I. S. 162.



    pollo die Gestalt eines Herzens bei den Aegyptern, weil der Nil für das Land Aegypten war, was das Herz mit dem von ihm ausströmenden Blute für den Körper ist, der Verleiher alles Lebens. 1) Auch bei der Aufnahme in die britischen oder keltischen Mysterien wurde dem Neuaufgenommenen ein Mischtrank () gereicht. 2) Wie in den Handwerksgebräuchen so vieles Kirchliche mehr oder weniger versteckt nachgebildet ist, z. B. die Weihe des Gesellen oft eine Art Taufe sein soll, ist der Zunftbecher, der Willkomm ähnlich zum heiligen Becher der Zünfte geworden, der auch nur feierlich und mit rein verhüllten Händen angefasst werden durfte. - Die doppelte Gestalt oder das doppelte Symbol des Weines und des Brodes als des Symboles der Wiederauferstehung ist den Mithramysterien von den Christen entlehnt worden, 3) wie dieses mit Ausdehnung zugleich auf die Beichte oder das Bekenntniss der Sünden schon Volney, ruines, Paris 1792, S. 149, nach Tertullian de praesc. cap. 40, behauptet hatte. Die Beichte möchte jedoch mit so manchem Andern buddhistischen Ursprungs sein. - Sehr anführungswerth aber ist, dass auch bei dem Gesellenmachen der Seiler am Schlusse der Handlung dem neuen Gesellen Brod (ein eigens zubereitetes feines Gebäck) und etwas Salz, bei andern Handwerkern nur Brod, das sog. Gesellenbrod verabreicht wurde, was Stock, Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker, Magdeburg 1844, S. 30, gewiss unrichtig als ein Symbol der Armuth deutet.

    Die Worte: , womit nach der allgemein angenommenen Ansicht von Meursius in den Eleusinien die Eingeweihten entlassen wurden, sind wohl eine uralte orientalische oder ägyptische Mysterienformel. Die Brahmanen sollen nach Wilford die gottesdienstlichen Versammlungen mit den Worten oder der Formel schliessen: Cansita - Om - Pacsha. 4 ) Rinck, Religion der Hellenen, II. S. 375,




    1) Büttiger, Kunstmythol., II. S. 251 Anm.
    2) Eckermann, III. 2. S. 114.
    3) Symbolik, I. S. 52.
    4) Creuzer, Symbolik, IV. S. 399 (der zweiten Ausgabe).



    will die Worte aus dem Ilebräischen erklären als: "Kein Falsch sei in dir." Kant, zum ewigen Frieden, Königsberg, 1795, S. 44 Anm., will die Worte aus dem Tübetanischen ableiten und glaubt, sie bedeuten wohl das heilige (Konx), selige (0m) und weise (Pax), durch die Welt überall hin verbreitete höchste Wesen (die personificirte Natur). Die Formel soll durch den alten Seidenhandel mit China überTübet dem Abendlande überbracht worden sein. Die Schlussformel des katholischen Priesters: "Ite, missa est," ist gleichfalls eine Erklärung. - Volney, a. a. O., S. 262, betrachtet das katholische Dominus Vobiscum als die wörtliche Uebersetzung der eleusinischen Aufnahmsformel.

    Um bei ihrer Ankunft im jenseitigen Reich den Trank des Vergessens und der Unsterblichkeit, des ewigen Lebenswassers trinken zu können, trugen bei den Aegyptern daher die Mumien auf den Brustbinden Becher zum Schöpfen des Wassers angemalt, 1) ähnlich wie man den Todten auch das Fährgeld mitgab. Gewiss in Nachahmung der diesfälligen ägyptischen Vorstellungen und Bilder wird auch bei den Römern, z. B. auf dem neuerlich veröffentlichten Gemälde der Apotheose des Titus, den im Todtenreich Ankommenden aus vollen Trinkhörnern der Unsterblichkeitstrank dargereicht. 2) Nach Apuleius Met. 6 hat Psyche zwei Brode in den Händen und zwei Münzen in dem Munde, das eine Stück zum Einlass, das andere zur Rückkehr.

    Einen höchst merkwürdigen Nachklang des alten orientalischen dualistischen Licht- und Sonnenglaubens findet man auch noch in einem geistlichen Schauspiele des 15. Jahrhunderts. Da erzählt unter den drei Königen, welche nach Jerusalem gekommen waren, um dem neugeborenen Christus nachzuforschen, Kaspar: er habe auf seinem Hofe einen Strausss, welcher zwei Eier ausgebrütet, aus dem einen sprang ein Löwe, aus dem andern ein Lamm. 3) Der Volksglaube auf Island legt




    1) Böttiger, kleine Schriften, II. S. 220 und III. S. 263, Anm. *
    2) Böttiger, II. S. 321 ff.
    3) Pfeiffer, Germania, III. S. 272.



    der Sonne das Gesicht der Eva und dem Monde dasjenige des Adam bei, macht also Sonne und Mond zugleich zu den Symbolen der Urmenschheit. 1) Derselbe symbolische Gedanke wird durch die göttlichen Mannweiber bei den Indern, z. B. in dem Bilde des Çiwa und seiner Gemahlin Parbutti in dem Grottentempel zu Elephanta 2), und bei den Griechen ausgedrückt; es ist das Symbol der Vereinigung zwischen der zeugenden kosmischen oder himmlischen und empfangenden irdischen Kraft, zwischen Himmel und Erde. Castor und Pollux, deren zwei eherne Bildsäulen vor dem Hafen zu Samothrace standen, 3) deuten nur auf den zeitlichen Gegensatz, auf Tag und Nacht und Sommer und Winter. Vor manchen indischen Tempeln, z. B. vor demjenigen zu Tirupalor, wird das Symbol durch zwei kolossale Kühe ausgedrückt. 4) Vor einem Felsentempel auf der Insel Salsette stehen zwei massive Säulen. 5) Anstatt zweier Kühe erscheinen bei den Indern und bei den Aegyptern ein Stier (Osiris, Çiwa, Dionysos, Jakchos) und eine Kuh (Isis. Bhawâni. Ichani, Jo), welche nach Paulin, I. S. 36, bei den Malabaren ama oder tala (die Mutter) und appen, appa genannt werden sollen und woher der ägyptische Apis benannt sein könnte, was indessen nicht glaublich sein dürfte. Wie bei den spätern Aegyptern das irdische Königspaar als die sichtbaren Vertreter, als die menschgewordenen Kinder des Sonnengottes Osiris und der Mondsgöttin Isis gelten und namentlich Cleopatra und Antonius sich in der Malerei und Plastik als Isis, Selene und Osiris, Dionysos haben darstellen lassen, ebenso vertraten im peruanischen Reiche der Inka's der König und die Königin die Sonne und den Mond, beherrschten den Tag und die Nacht und erhielten im Sonnen- und Mondtempel ihren Sitz. 6) Die Araucanas-Indianer in Chili nennen sich Ilijos del Sol, Kinder der Sonne, und ver-




    1) Maurer, isländische Volkssagen, S. 185.
    2) Romberg und Steger, I. S. 66 a und Taf. 1. Fig. 6.
    3) Rinck, I. S. 261, Anm. 1 und S. 267.
    4) Paulin, voyage aux Indes orientales, I. S. 37 und II. S. 385.
    5) Lassen, IV. S. 867.
    6) Bachofen, Mutterrecht, S. 111.



    ehren Sonne und Mond als das Licht des Tages und der Nacht. Der Tod ist ihnen blos ein langer, nicht zu fürchtender Schlaf, während dessen der Schlafende in ein glücklicheres Land jenseits des Meeres versetzt wird. Mehrere geeignete Geräthschaften werden daher auch mit dem Verstorbenen in dem Glauben begraben, dass er sie im künftigen Leben wieder gebrauchen werde. Bevor sie essen oder trinken, tauchen sie den Zeigefinger dreimal in das Gefäss und spritzen ihn dreimal über das gegen die Sonne gesenkte Haupt aus. 1) Lassen, IV. S. 710 und 749 ff., hält es auch für möglich, dass sich der Buddhismus von China aus nach Mexiko verbreitet und diesem Lande die erste Bildung gebracht habe; höchst wahrscheinlich erscheint es ihm (S. 754), dass die Bevölkerung Amerika's über Kamschatka und die Beringsstrasse aus Asien eingewandert sei. F. Hermes, über die Natur der amerikanischen Indianerspraehen, in Herrig's Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, XXIX s. 231 ff., hat aus der Sprachbildung, aus dem in sämmtlichen amerikanischen Indianersprachen geübten System der Einverleibung, wie es zuerst W. v. Humboldt und dann Steinthal genannt haben, die Urverwandtschaft des amerikanisehen Sprachstammes mit dem hochasiatischen und insbesondere mit dem mongolisch-tartarischen zu begründen gesucht. In Uebereinstimmung mit unsern, Symbolik, I. S. 276, geäusserten Ansichten fragt A. v. Humboldt, Ansichten der Natur, I. (Stuttgart und Tübingen 1849), S. 21 und 22: "Sollte vielleicht, als das lang erschütterte Reich der Hiognu (Türken, nicht Hunnen oder Finnen) zerfiel, das Fortwälzen dieses mächtigen Stromes auch im Nordosten von China und Korea Völkerzüge veranlasst haben, bei denen gebildete Asiaten in den neuen Continent übergingen?" Die Azteken, welche um das Jahr 1160 aus dem unbekannten Lande Aztlan (in Asien?) nach Anahuac in Nordamerika einbrachen, hatten z. B. künstlich bemaltes irdenes Geschirr, mit dessen Scherben die ganze Ebene des räthselhaften alten Azteken-Palastes am californischen Meerbusen bedeckt ist (Humb. I. S. 205). Eine




    1) Ausland für 1834, S. 1460.



    auffallende und kaum erklärliche Erscheinung bleibt es dagegen, dass den alten amerikanischen Völkern bis zur Ankunft der Europäer in Amerika das Hirtenleben mit der Viehzucht, der Zucht der Hausthiere, sowie das Mehl aus schmalährigen Grasfrüchten (Hordaceen und Avenaceen) und Milchnahrung im Ganzen ursprünglich unbekannt waren (Humb. I. S. 207 ff., 136, 130 und 72). Ein Negersklave des grossen Cortes war der Erste, welcher in Neu-Spanien Waizen baute und Humboldt sah im Franziskanerkloster zu Quito als Reliquie den irdenen Topf aufbewahrt, in welchem der erste Waizen enthalten gewesen, den der Franziskanermönch Jodoco Rici de Gante (aus Gent in Flandern) aussäete. Auf dem Topfe steht in altdeutschem Dialekte geschrieben: "wer aus mir trinkt, vergesse seines Gottes nicht." Dass die sog. Urbewohner Amerika's aus dem Norden kamen, die gemässigte nordische Temperatur liebten, beweiset der Umstand besonders, dass man in ganz Mexiko und Peru die Spuren einer grossen Menschenkultur nur auf den hohen Gebirgsebenen findet (Humb. I. S. 211). Dass die westlichen Völker des neuen Continents lange vor Ankunft der Spanier in Verkehr mit Ost-Asien gestanden, glaubt Rumboldt in seinem Werke über die Monumente amerikanischer Urvölker durch Vergleichung des mexikanischen und tübetanisch-japanischen Kalenderwesens, der wohl orientirten Treppenpyramiden und der uralten Mythen von den vier Zeitaltern oder Weltzerstörungen, sowie von Verbreitung des Menschengeschlechts nach einer Ueberschwemmung wahrscheinlich gemacht zu haben. Die seitdem aufgefundenen wundersamen Bildwerke in den Ruinen von Guatimala und Yacatan, fast im indischen Style, haben diese Ansichten noch mehr bestätigt. Auch wirft Humboldt bei Gelegenheit der Besprechung der in Felsen gegrabenen symbolischen Bilder, kolossalen Figuren von Crocodilen, Tigern, Hausgeräth, Mond- und Sonnenzeiehen im Innern von Südamerika (l. S. 238), welche Bildersäulen sich über eine Fläche von 12,000 Quadratmeilen (nach der Rechnung von 15 Meilen auf einen Grad) ausbreiten und die Bassins von Corentyn, Essequibo und Orinoco umfassen, zuletzt die Frage auf: "Stammen die grossäugigen, weisslichen Menschen an der





    Nordwestkügte Amerika's, deren Marchand unter 54° und 58° Breite erwähnt, von den Usün in Innerasien, einer alano-gothischen Race, ab?" - - In einer Grasflur bei Uruana in Guyana liegt ein isolirter Granitfels, in welchem in der Höhe von 80' Bilder der Sonne, des Mondes und mannichfaltiger Thiere, besonders von Crocodilen und Boaschlangen, fast reihenweise eingegraben sind. In eben dieser wunderbaren Lage befinden sich die hieroglyphischen Steinzüge von Uruana und Encamarada (Humb. I. S. 271). Einst sollen die Wasser bis zu jenen Höhen gestanden und die Bilder von den Schiffern eingegraben worden sein. - Auch schon Kant, zerstreute Aufsätze, Frankfurt und Leipzig 1793, S. 86, hatte behauptet, dass Amerika nur aus dem Nordosten von Asien seine Bewohner habe erhalten können. Zu ähnlichen Ansichten bekennt sich Berchtold-Beaupré, Isis on l'Initiation maçonnique, Fribourg en Suisse 1859, S. 319 ff. Unter den berühmten alten Bauten auf der Halbinsel Yucatan finden sich sogar gewölbartige Constructionen bei Kabah, ja in den Ruinen von Labnah gekuppelte Säulen, in den von Zayi Säulen von fast korinthischer Ordnung und in denen von Chichen grosse ornamentirte Pilaster (Humb. I. S. 213). Gewölbte Blenden finden sich auch in dem Palaste des Inca Atahuallpa in dem Hochland von Caxamarca in Südamerika (Humb. II. S. 349). -

    Die älteste heilige Schrift, Hieroglyphik, möchten gleichfalls die ägyptischen Priester in ihrer ursprünglichen Bilderschrift besitzen; die Bilderschrift ist die anfängliche und deshalb auch die heilige und heiligste, wie es sich gleichmässig mit dem heiligen Worte, Kleide u. s. w. verhält. Die Buchstabenschrift bildet sich erst im Verlaufe der Zeiten als eine stets wachsende Abkürzung der schwerfälligen Bilderschrift, - bei den Aegyptern als die hieratische und demotische, sobald die Schreibkunst bei den Priestern und bei dem Volke aufkommt und sich ausdehnt; die alte Bilderschrift bleibt im Ganzen nur als die monumentale übrig, jedoch mit bedeutenden Ansätzen und Anfängen der rein phonetischen Buchstabenschrift. Die Bilderschrift ist theils reine und wirkliche Bilderschrift bei den körperlichen und abbildbaren Gegenständen der





    Natur und des Lebens, theils eine blos symbolische und allegorische bei allen blossen Begriffen, unkörperlichen oder blos geistigen Dingen. Die ägytischen Priester sind deshalb nicht allein die Erfinder der Bilderschrift, sondern auch der Symbolik und der Allegorie, wie dieses die Griechen ausdrücklich an- und zugeben. 1) Winckelmann nennt daher die Allegorie (die Symbolik) die heilige Sprache der Aegypter, wie sie auch die heilige, den Aegyptern entlehnte Sprache der Bauhütten, der Maurer zu nennen sein möchte. Ganz unbestreitbar gehört die astronomische und architektonisehe, geometrische und mathematische Symbolik den Aegyptern an, welche von den Aegyptern empfangen zu haben die Griechen gerne eingestanden und wir gerne oder ungerne werden eingestehen müssen. Die Symbolik im engsten und ursprünglichsten griechischen Sinne ist die Lehre von den Zeichen (), woran d. h. durch deren Zusammenpassen () sich die Gastfreunde, die Brüder, die Innungs- und Zunftgenossen erkennen, - die die Gastfreundschaft, brüderliche und genossenschaftliche Aufnahme und Unterstützung zu fordern berechtigen und zu geben verpflichten. Das diesfällige griechische Hauptsymbol, Haupterkennungszeichen war ein in zwei Theile gebrochener und durch vollkommenes Zusammenpassen zu prüfender und zu bewährender Ring, welcher vermuthlich von den Aegyptern sich ableitet und im weitern und wahren symbolischen Sinne nur der Ring der Ewigkeit, der ewigen Liebe und Treue ist. Der Ring ist daher auch das uralte und besonders ägyptische, auch keltische Mysteriensymbol des Verschlossen- und Geheimseins, des Verbunden- und Gebundenseins, der umschliessenden Ringkette. Nach einer Sage bei Grimm, deutsche Sagen, II. S. 73, würde die in so vielen deutschen Sagen erwähnte Sitte des Ringbrechens, besonders unter Eheleuten, schon unter den Merowingern bei den Franken bekannt gewesen sein. Der gebrochene Ring ist jedoch




    1) Winckelmann, Versuch einer Allegerie besonders für die Kunst, Dresden 1766, S. 4.
    2) Symbolik, I. S. 348; Böttiger, K. M. II. S. 124; Wolf, Beiträge, I. S. 4 und 7.



    dabei gewiss nur der symbolische Anfangsgedanke, der wegen seiner Unbequemlichkeit und wegen der Gefahr des Verlustes, womit er die zwei einzelnen Ringstücke bedrohte, bald verlassen und entweder durch gleiche und gleichbezeichnete Ringe oder durch andere hörbare (Worte und Schläge), sichtbare (Zeichen besonders mit den Händen und Fingern, Füssen u. s. w.) und fühlbare (Griffe) Erkennungszeichen ersetzt wurde. Auch diese Symbolik im weitern Sinn, eine Erfindung und ein Bedürfniss aller Mysterien oder engern Verbindungen, stammt aus Aegypten, als dem Vaterlande der Mysterien, und wurde in demselben Verhältniss beschränkt und geschwächt, in dem die Mysterien der Priester selbst zurücktreten oder öffentlich werden mussten. In Symbole, in nur den Eingeweihten verständliche Zeichen und Bilder wurden auch alle Lehren eingekleidet, damit diese Lehren eben geheime seien und geheim bleiben; man könnte sagen, die symbolische Sprache ist die Geheimsprache, wie die Bilderschrift die Geheimschrift, denn auch die Symbole sind Bilder und deshalb die Symbolik und Hieroglyphik so innig verbunden. Dass und in welcher Gestalt die ägyptisch-griechische Symbolik nach dem Norden, nach Schweden gedrungen sei, ist ersichtlich aus Mohnike, altschwedische Balladen, Mährchen und Schwänke, Stuttgart 1836, S. 24, wornach im alten Schweden Trauungen und Ehen dadurch geschieden wurden, dass man ein Handtuch zwischen den Verlobten und Ehegatten zerschnitt und jedem Theile ein Stück gab. Schwestern bekräftigten ihre Verwandtschaft durch Zusammenpassen der gebrochenen halben Ringe:

    Und die Braut hielt einen halben Ring,
    Schön Anna die andere Hälfte.
    Und zwei so liebe Schwestern waren sie,
    Und die Ringe, sie liefen zusammen. 1)

    Die ägyptische Symbolik und Hieroglyphik mit den Fortbildungen und Bereicherungen, welche sie bei den Griechen und Römern empfangen hatte, - die ägyptische Geheimwissenschaft oder ägyptische Mysterienkunst wurde




    1) Mohnike, S. 61,



    daher zur nährenden und belehrenden Quelle für alle spätern geheimen Verbindungen, wie vorzüglich auch an den westphälischen Freigerichten zu ersehen ist. Die westphälischen Freischöppen hatten ein Nothwort (Reinir dor Feweri), Erkennungszeichen bei Tisch, drei geheime Alphabete, einen wirklichen Erkennungsgruss, ein Examen zur Erkennung der wirklichen Freischöppen u. s. w., namentlich aber die geheimen Buchstaben S.S. G.G., welche Strick, Stein, Gras, Grein bezeichneten, deren nähere Bedeutung man indessen nicht kennt. 1) Diese Buchstaben erinnern lebhaft an die ähnlichen maurerisehen, 2) wie in Uebereinstimmung mit den Maurern die Freischöppen ihre allgemeinen Versammlungen auch Capitel, gemeines Capitel nannten. 3) N. Müller, Mithras, S. 8, sagt von jenen Buchstaben: "- die ältesten mythischen Gebilde heissen heilige Buchstaben, die älter sind als die Hieros Logos." - Im Vehmgerichte wurde der heimliche Schöffengruss ausgesprochen, indem der eintretende Schöfe seine rechte Hand erst auf seine linke Schulter, dann auf diejenige des andern Schöffen legte. Ferner waren den Vehmrichtern die Zahlen 12 und 7 bedeutungsvolle; zu einem vollkommenen Gerichte gehörten wenigstens 7 Richter (Wächter, Beiträge zur deutschen Gesch., Tübingen 1845, S. 181 ff.). Bei dem sog. Vollgerichte, d. h. bei dem letzten entscheidenden Urtheile der westphälischen Vehm- oder Freigerichte war es üblich, dass der das Gericht haltende Freigraf, der von dem Stuhlherrn 4) belehnte Stuhlrichter, einen Strick über sich weg aus den Schranken des Gerichts warf, die Freischöppen ausspieen und des Verurtheilten Namen in das Blutbuch eingetragen wurde, worauf der Freigraf die Freischöffen bei ihrem Eide ermahnte und ihnen gebot, den Vervehmten, wo sie ihn fänden, am nächsten Baume aufzuhängen. 5) Tausende




    1) Thiersch, der Hauptstuhl des westphälischen Vehmgerichts auf dem Königshofe von Dortmund. Dortmund 1838, S. 8 ff.
    2) Symbolik. I. S. 99.
    3) Thiersch, S. 16 und 35 ff.
    4) Gaupp, deutsche Stadtrechte, II. S. 194.
    5) Voigt, die westphälischen Vehmgerichte in Beziehung auf Preussen, Königsberg 1836, S. 20.



    von Freischöffen waren durch ihren Eid verbunden, ein solches Strafurtheil zu vollziehen. Das Werfen des Strickes ist hier nichts anderes als das alte symbolische Brechen des Stabes, des Halmes und dessen Werfen nach den 4 Weltgegenden bei der Ausfällung des Todesurtheils. 1) Nach Grimm wäre der gebrochene Stab dem Missethäter vor die Füsse geworfen worden zum Symbole, dass er nichts weiter zu hoffen habe und seines Lebens verzichte. Beim Vehmgerichte, bei welchem der Angeschuldigte in der Regel gar nicht anwesend war, kann der aus den Schranken des Gerichtes geworfene Strick nur die Bedeutung gehabt haben, dadurch den Verurtheilten dem Straf-Arme der Gerechtigkeit, - dem Stricke zu überantworten. - Die westphälischen Freigerichte wurden nach ihrem Ausdrucke auf rother Erde abgehalten und die Vehmrichter hiessen daher die Richter der rothen Erde. 2) Durch die rothe Erde wird vermuthlich die durch die Morgensonne roth gefärbte Erde bezeichnet. Höchst verwandt mit den westphälischen Vehmgerichten sind, wenn gleich durch Zeit und Ort weit von einander getrennt, die Mysterienverbindungen oder Weihen bei den Negern in Congo. 3) Zuletzt hat Bastian, ein Besuch in San Salvador, Bremen 1859, S. 82 und 83, über die Verhältnisse dieser wegen ihrer Macht an der ganzen Westküste Africas von Cameroon bis zum Gambia gefürchteten Mysterienverbindungen berichtet, wobei dem Berichterstatter aber dies jedenfalls unrichtig angegeben worden war, dass in Ambamba ein Jeder die Procedur der Wiedergeburt durchgemacht habe oder eingeweiht sei. Sind die weiteren Berichte von Bastian zuverlässig, dann hat die Mysterienverbindung im Innern des Buschlandes, d. h. im innern Africa einen geheimen Obern, der grosse Fetisch genannt, dessen Knochen bei seinem Tode von den Fetischpriestern, sorgfältig gesammelt werden, damit sie aufs Neue Fleisch und Blut gewinnen und wieder belebt werden. In West-




        1) Grimm, deutsche Rechtsalterthümer, Göttingen 1828, S. 135, Nr. 5.
        2) Voigt, a. a. O., S. 165; Wächter, a. a. O., S.175 ff.
        3) Symbolik, I. S. 637.



    africa liegt gewissermassen die Polizei und die Gerechtigkeitspflege in den Händen der geheimen Verbindungen, welche dieselben im Namen ihres Fetisches ausüben. Die Wirksamkeit der durch den Egbo-Orden ausgeübten Polizei von Alt-Calabar hat zuweilen europäische Capitäne veranlasst, sich in die untern Grade aufnehmen zu lassen. Weithin gfürchtet war das Vehmgericht der Belli-Paaro im alten Quoja-Reich, das nur alle 25 Jahre neue Mitglieder zuliess, damit die Verbindung in der kommenden Generation fortlebe. Die vor dasselbe Geladenen wurden dicht verschleiert, denn ein schrecklicher Tod würde die Folge gewesen sein, sollten ihre uneingeweihten Augen die Geister geschauet haben, von denen sie dort umgeben waren. Wenn nach 3 Jahren langer Vorbereitungen, über deren Natur die schreckbarsten Gerüchte im Volke umliefen, der Neugeborne zum ersten Mal wieder aus dem dunkeln Walde zum Sonnenlichte emporstieg, und sich in dm Figuren des Bellitanzes den Meistern als Bruder kundgegeben hatte, so durfte er fortan bei der "Rache des Bundes" schwören und Niemand würde es gewagt haben, die von ihm aufgestellten Zeichen zu verletzen. Unter den Timmanchs erbitten sich Reisende von den Purrah ein sicheres Geleite, wie es unter den Bheels die Bhauts gewähren. In den republikanischen Colonien der Soasaos zittert Jeder bei dem Namen dieser geheimnissvollen Macht und noch hat Keiner ihre Gebote ungestraft verachtet. Auf offenem Marktplatze tritt ein maskirter Krieger an ihn heran und stösst ihm vor der Versammlung des Volkes das Messer in die Brust, denn die Worte: "Der Gross-Purrah (Grossmeister) sendet dir den Tod," lähmen jeden Widerstand. 1)

    An die rothe Erde, auf welcher die westphälischen Gerichte abgehalten werden, schliesst sich übrigens an §. 30 des Stadtrechtes von Altenburg: "Sententias extra civitatem requirendas Goslarie in rufo ostio (an der rothen Thüre oder am rothen Thore) requiretis." 2) Die Bezeichnung einer Gerichtsstätte als roth könnte jedoch nicht




    1) Bastian, a. a. O., S. 293 ff.
    2) Gaupp, I. S. 213 und 206.



blos auf die östliche Lage, sondern auch auf die dort aufgepflanzte rothe Fahne als ein Symbol des Blutbannes, der Criminalgerichtsbarkeit Bezug haben. Auf das Letztere weiset z. B. der rothe Thurm, ein Gebäude der Stadt Zürich hin. In Indien ist roth die Farbe des Todes und wohl auch der glühenden Hölle, weshalb bei Grenzstreitigkeiten die Zeugen schwören müssen in rothen Kleidern und mit Kränzen von rothen Blumen auf dem Haupte, welches ausserdem mit Erde bestreuet sein muss. 1) Auch in Deutschland erscheinen rothe Thürme und Brücken als Grenzen eines Stadtbannes, 2) vielleicht weil sie als vorzüglich heilig und unverletzlich unter den Schutz der strafenden Gewalten gestellt waren. Bei Stöber, Sagen des Elsasses, Nr. 144, tragen die Seelen der rein Verstorbenen weisse Gewänder, dagegen die Seelen der Bösen rothe. In ein rothes Hemd gehüllt erscheint auch der Geist des verrätherischen Knechts in der "Gerichtsnacht auf Girbaden," bei Stöber, Nr. 155. Auch die kolossalen Statuen des bösen Geistes in der grossen Pagode zu Canton sollen roth gekleidet sein. 3) Der König der Bergmännlein trägt ein rothes scharlachen Mäntlein, 4) der Hausgeist Heinzelmann einen rothen Sammetrock, 5) der Geist auf dem Helfenstein in Böhmen einen Hut mit rothem Federbusch, 6) die Kobolde oder Hausgeister des nördlichen Deutschlands rothe Röcke und rothe Kappen u. s. w. Alle diese roth gekleideten Geister möchten christliche Verteufelungen der ursprünglich weissen heidnischen Gottheiten, besonders Genien oder Fylgien sein und können kaum mit Stöber, Sagen des Elsasses, S. 440, für hausbeschützende, den römischen Penaten verwandte Feuergeister gehalten werden. Auch das rothe Männlein, welches zu Paris und im Elsass 7) an die Stelle der weis-




    1) Dunker, Gesch. des Alterthums, Il. S 107; Raspe, das Gesetzbuch der Gentoos, S. 324 und 325.
    2) Gaupp, I. S. 206.
    3) Berchtold-Beaupré, Isis ou l'Initiation maçonnique, S. 297.
    4) Grimm, D. S., I. S. 48.
    5) Grimm, I. S. 125.
    6) Grimm, I. S. 165.
    7) Stöber, S. 438 ff.



    sagenden oder unglückverkündenden weissen Frau getreten, ist nur der Schutzgeist des königlichen Geschlechts und Hauses.

    Welche Umoestaltung die phönicisch-ägyptischen, die semitischen Symbole bei ihrem Durchgange durch das römische Reich oft erlitten haben, möchten die beiden Kugeln auf den Säulen Jakin und Boaz zeigen, indem dieselben erst von den Römern oder dann sogar erst von den Engländern den Säulen auferlegt wurden. Die Kugel als ein Symbol des Erdkreises (orbis terrarum), des den Erdkreis umfassenden weiten römischen Reiches, trug bei den Römern die Siegesgöttin, die Victoria, die siegreiche Roma, 1) ähnlich wie der starke Zeus des Phidias den Sieg, die Nike in der Hand trug. Die Victoria und Roma mussten später dem siegreichen christlichen Kreuze weichen und die Kugel mit dem Kreuze trug der römisch-deutsche Kaiser zum Symbole seiner Herrschaft über den christlichen oder den sich kreuzenden Erdkreis. Die Erdkugel, die römische Reichskugel, an welche als Zwillingsgestalt sich von selbst die Himmelskugel anschloss, möchten nun von den römischen Bauleuten vor oder nach der Einführung des Christenthums auf die Säulen Salomo's gelegt worden sein. Die beiden Kugeln können nicht allein die Erde und den Himmel, sondern auch die Sonne und den Mond mit dem Sternenheere oder beides zugleich bezeichnen und deuten noch mehr und noch bildlicher das ewige Kreisen des Tages und der Nacht, des Lebens und des Todes an. Das einfachste Symbol sind zwei spitze Steine, zwei Spitzsäulen oder Kegel, wie man dieselben z. B. auf Münzen von Cypern erblickt, 2) und das vollkommenere zwei kugeltragende oder doch Aufschriften tragende Säulen, wie die Säulen im Dome zu Würzburg.

    Endlich waren die ägyptischen Priester die ersten, welche den Bewegungen der Hände und der Füsse und des ganzen Körpers der dem Gottesdienste Anwohnenden ein Mass, eine Regel, eine gleichfalls symbolische Bedeu-




    1) Böttiger, kleine Schriften, II. S. 173 ff. "Ueber die Siegesgöttin als Bild und Reichskleinod."
    2) Böttiger, K. M., II. S. 213 ff.



    tung ertheilt haben, 1) was von ihrem grossen Scharfsinne und tiefen Menschenkenntniss zeugt. Ihr Gottesdienst nahm den ganzen körperlichen Menschen in Anspruch, strebte den Körper und durch diesen den Geist zu lenken, welcher Charakter des alten ägyptischen Gottesdienstes vorzüglich auf den christlichen Gottesdienst der Griechen und Römer übergegangen ist, so dass derselbe nicht selten, z. B. bei den Russen, zu einer förmlichen und ermüdenden Arbeit wird. Plato sagte in den Gesetzen, dass Gott uns das Mass () aller Dinge sei und der Gott Wohlgefällige daher auch mässig () sein, d. h. nach dem göttlichen Willen und Gesetze, recht und vernünftig, oder zufolge Zarathustra nach dem Lichtgesetze als ein Reiner leben müsse. Diesen Platonischen Satz hatten die ägyptischen Priester zunächst als einen rein äusserlichen gefasst und massen im wahren Sinne des Wortes alle gottesdienstlichen Handlungen und Bewegungen, so dass sie in aller Hinsicht als die Erfinder und Einrichter des ceremoniellen Gottesdienstes in den Kleidungen, Götterbildern, Processionen, Fahnen u. s. w. sich darstellen. Das jetzt bei den Christen und bei den Katholiken zum Gebete übliche Händefalten, In- und Uebereinanderschlagen der Hände ist in seiner tiefern und orientalischen Bedeutung gleich den über der Brust gekreuzten Armen und gleich dem Beugen der Kniee nur eine Selbstfesselung, eine Demüthigung vor Gott und die Ergebung in den göttlichen Willen. 2) So schreibt der Papst Nikolaus I. an die zum Christenthum bekehrten Bulgaren im J. 860, nachdem er versichert hat, dass dies Händefalten kein Befehl der Kirche sei, aber doch eine freie äusserliche Zucht: "Im Evangelium werden die Bösen an Händen und Füssen gebunden. Was thun nun Die, welche ihre Hände vor dem Herrn binden, Anderes, dass sie damit Gott gleichsam zurufen: Herr, befiehl nicht, dass mir die Hände gebunden werden, und dass man mich an die äusserste Finsterniss werfe. Denn siehe, ich habe mir die Hände selbst gebunden und bin bereit, mich stäupen zu lassen." 3)




    1) Symbolik, I. S, 116 ff.
    2) Böttiger, K. M., I. S. 51 ff.
    3) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 91.



    Dieses gegen das Ende des 9ten Jahrh. aufgekommene christliche Händefalten, welches an die Stelle des bis dahin üblichen Betens mit den in der Kreuzesform ausgestreckten und erhobenen Händen trat, galt im Alterthum oder bei den Römern und Griechen, wie besonders aus Ovid, Met. IX. 279 ff., zu ersehen und worüber in den kleinen Schriften von Böttiger, I. 61 ff., die Abhandlung: "Ilithyia oder die Hexe, ein archäologisches Fragment nach Lessing" zu vergleichen ist, - als ein Zaubermittel, wodurch besonders bei der Geburt des Herakles durch die Alkmene nach schon begonnenen Geburtswehen 7 Tage lang deren Geburtskräfte gefesselt wurden. Unbegründet war eine frühere Behauptung Böttigers (kleine Schriften, II. S. 355 oben), dass das Händefalten erst durch die Kreuzfahrer nach Europa gekommen sei.

    Was in der griechischen Religion, Sitte und Baukunst als die alte dorische Einfachheit, Strenge und Härte bezeichnet wird, möchte das ägyptische Priesterthum, die priesterliche strenge Gesetzgebung und Erziehung sein, welche den Griechen aus Aegypten über die Inseln und besonders über Kreta zukam. Eine wenig angemessene Auffassung scheint es aber zu sein, wenn Steinthal in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. (Berlin 1861) S. 311, behauptet, Dorer von Kreta, welche dort mit dem Baalskulte bekannt geworden waren, haben im 9. Jahrh. vor Chr. die strenge, reinere Seite des semitischen Lichtgottes dem Apollo angeeignet und diesem neuen Apollo in Delphon einen Tempel und ein Orakel mit einer Priesterschaft gegründet. Vielmehr dürfte das Apollinische, d. h. der geistigere und sittlichere Lichtdienst im Gegensatze zu dem blossen Natur- und Thierdienst des ägyptischen Volkes und zu dem schrecklichen phönicischen Feuer- oder Molochsdienste, recht eigentlich das eigenthümlich Griechische, das wahre Griechenthum, - die griechische Freiheit und Menschlichkeit gegenüber der asiatischen despotischen Barbarei sein.

    Sucht man schliesslich ein Gesammtbild und eine Gesammtvorstellung von der ägyptischen Bauhütte zu gewinnen, möchte dieses dahin zu fassen sein, dass die Baukunst als solche gleich allen übrigen Wissenschaften eine





    geheime Wissenschaft der ägyptischen Priester gewesen und daher nur an die Eingeweihten mitgetheilt und von ihnen bewahrt worden sei. Die eigentliche maurerische Weihe war somit eine förmliche Priesterweihe und die maurerischen, die baukünstlerischen Grade waren priesterliche Grade. Die Hülfshandwerke - des Zimmermanns, Schreiners, Maurers, Steinmetzen, Schlossers u. s. w. wurden erblich von Kasten betrieben, jedoch unter der priesterlichen Gesetzgebung und Aufsicht. Die Priester-, die Mysteriensitze waren auch Sitze der Baukunst, Bauhütten. Wie die ältere Bildung der Aegypter überhaupt, war auch namentlich und vorzüglich ihre Baukunst für die Völker an den Küsten des Mittelmeeres, für die Griechen auf den Inseln, auf dem griechischen Festlande, in Unteritalien und auf Sicilien eine anregende, eine vorbildliche. Die Vermittler zwischen Aegypten und den mittelländischen Völkern waren ursprünglich die Phönicier und später auch die Griechen selbst. Trotz der ägyptischen Vorstufe und Grundlage war aber die griechische Bildung und Kunst eine eigenthümlich und wesentlich griechische, eine volksthümliche im Gegensatze zur priesterlichen und königlichen Bildung und Kunst der Aegypter. Die griechische Baukunst war der grosse Fortschritt von der priesterlichen Königsgewalt zur Volksfreiheit, von der Priesterkunst zur freien Kunst. Wie die vorhandenen Bauüberreste zu Theben zu schliessen zwingen, bestand dort und blühte Jahrhunderte lang die grösste Bauhütte in dem neuen ägyptischen Reiche, sich zugleich stets weiter an den Ufern des Niles hinauf ausbreitend. Die mittelalterlichen bauenden Klosterbrüder, die klösterlichen Bauhütten der Benedictiner und Cisterzienser, stehen den ägyptischen bauenden Priesterschaften begreiflich am nächsten, nur müssen die Einrichtungen der letztern noch härter und noch unveränderlicher gedacht werden; eine freie Kunstübung war den Aegyptern unbekannt, Alles war gleichsam ein Gesetz, ein priesterlicher Staatsbäu; erst in Griechenland wurde die Kunst frei und dem Volke, den Einzelnen überlassen. Auch verdient hier noch angeführt zu werden, dass den Arabern in Aegypten die ästhetische Erfindung, oder die erste Anwendung des Spitzbogens





    in ästhetischer Beziehung nach Schnaase, III. S. 370 ff., mit grosser Wahrscheinlichkeit angehört; denn der Spitzbogen kommt an den arabischen Bauten in Cairo zum ersten Mal in wiederholter, herkömmlich gewordener Anwendung vor und ist von hier aus vermuthlich durch Vermittelung der sicilianischen Araber im Abendlande bekannt geworden. 1) Der Spitzbogen ist bei den Arabern blosse Decoration. 2) Wenn man alles über das Aufkommen und die Erfindung des Spitzbogens Gesagte ganz genau erwägt, möchte man sich fast zu der Ansicht bekennen, es sei eigentlich der Spitzbogen, was noch allerdings keineswegs gleichbedeutend ist mit einem förmlichen Spitzbogenstyl und namentlich mit dem gothischen, germanischen oäer deutschen Styl, gleichzeitig und an ganz verschiedenen Orten aufgekommen und nirgends erfunden oder besonders gesucht worden, sondern eben aufgenommen worden, nachdem seine Zeit gekommen war, oder die übrigen baulichen Constructionsweisen auf ihn geleitet hatten. Deshalb ist auch der Spitzbogen in den unterschiedenen Gegenden kein gleichförmiger, sondern ein anderer bei den Arabern zu Cairo, bei den Normannen auf Sicilien, in der Provence, 3) in dem Kloster Moissac in Aquitanien, 4) in Nordfrankreich und am Rheine, was im Pflanzenreiche und Thierreiche an die sog. generatio aequivoca. d. h. in das Entstehen aus nicht nachweisbarer Fortpflanzung oder Zeugung erinnert. Mit der Erfindung des mittelalterlichen Kirchengewölbbaues befindet man sich in der gleichen Verlegenheit und weiss nicht, ob man ihn der Normandie, den Rheinlanden oder der Lombardei zutheilen müsse. Nachdem einmal ein gewisser Baustyl lebendig in das Leben eingetreten ist, treibt er durch seine eigene Lebenskraft zu seinen weitern Folgen und Ausbildungen fort und die Menschen sind weniger die Erfinder, als die blossen Finder und die weit zerstreuten




    1) Vergl. auch Symbolik II. 184.
    2) Schnaase, III. S. 445 und IV. 1. S. 289, IV. 2. S. 239 ff.
    3) Schnaase, IV. 2. S. 250 unten und S. 256.
    4) Schnaase, IV. 2. S. 303.



    Schätze können von Mehreren an ganz entgegengesetzten Orten gefunden werden. 1)




    1) Vergl. Schnaase, IV. 2. S. 375 und 376.