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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel XIII



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Der Hammer.

Dass die in einem Dreieck stehenden, in der Dreizahl schlagenden und redenden drei hammerführenden Beamten, bei den Maurern ursprünglich eine symbolische Beziehung auf eine Götterdreiheit, auf den dreigetheilten oder dreieinigen Gott hatten und dadurch als sehr alten, als ägyptischen Ursprunges sich darstellen, wird wohl kaum bestritten werden können und wollen. Deshalb und nur deshalb symbolisiren auch der Meister vom Stuhl und die beiden ersten Vorsteher die drei Pfeiler der Weisheit, Stärke und Schönheit, - des Guten, Wahren und Schö-





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nen, welche die Loge und die Welt tragen und erhalten; auch hierin erscheinen also die drei ersten Vorsteher als das Symbol der dreifachen oder dreigetheilten Gottheit oder göttlichen Idee, des göttlichen Gedankens und Wesens. Weiter symbolisiren die drei maurerischen Vorsteher den dreifachen Schritt der Zeit als Entstehen, Bestehen und Vergehen, - und stehen deshalb im Osten und Westen beziehungsweise auf der Mittags- und Mitternachtsseite gegenüber der aufgehenden Sonne und dem untergehenden Monde. Von selbst nehmen dadurch die drei ersten Vorsteher auch die Bedeutung der drei Lichter des Meisters, der Sonne und des Mondes an d. h. sind das Symbol des Gottes, welcher Sonne, Mond und das ganze Heer der Sterne geschaffen und regiert. Mit diesen drei maurerischen Lichtern treten sofort die eleusinischen Mysterien in Berührung und Verwandtschaft, indem darin nach des Porphyrius Angabe der Hierophant durch seine Tracht d. h. durch seine Attribute oder Insignien als der Demiurgos, als der Weltschöpfer und Weltbaumeister, als der grosse und allmächtige Meister, - der Daduch oder Fackelträger als Helios, als der Sonnengott Horus und Apollo - und der Epibomios oder Altarist 1) als Selene, Helene d. i. die Fackel (des Mondes), der Mond 2) erscheinen. Auch möchte hier die Thronhalle in dem von dem singhalesischen Könige Dushtagâmani erbauten berühmten Klostergebäude Lohaprâsâda wegen ihrer auffallenden Uebereinstimmung mit der symbolischen Einrichtung einer maurerischen Loge zu berühren sein. In der Mitte dieses buddhistischen Klostergebäudes befand sich eine offene Halle, von Säulen getragen, welche die Gestalt von Löwen, Tigern und anderen Thieren, sowie von Göttern hatten. In der Mitte der Halle stand für den Vorsteher des Klosters, welcher den Vorsitz führte, wenn die Mitglieder des Klosters in der Halle zusammen kamen, ein mit Elfenbein belegter Thron, auf dessen einer Seite die Sonne in Gold, auf der zweiten der Mond in Silber und auf der dritten die Sterne in Perlen abgebildet




1) Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 341.
2) Pott, Studien zur griech. Mythologie, S. 293 u. 294.



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waren. 1) Ebenso reihen sich an die in Osten, Mittag und Mitternacht stehenden drei maurerischen ersten Vorsteher die brahmanischen Götter Brahma, Wischnu und Schiwa, - die drei germanischen Nornen Urdr, Verdandi und Skuld, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft u. s. w. an.

Sucht man den tiefern und letzten symbolischen Gedanken der 3 ersten Vorsteher in der maurerischen Loge, der drei ersten Priester in dem maurerischen wie in dem eleusinischen Tempel ist dieses unverkennbar die Vorstellung des Alterthums, dass der Tempel das Symbol des schaffenden, des in seiner Schöpfung wohnenden und thronenden Gottes, und die obersten Priester die Symbole, die Vertreter dieses Gottes sein sollen. Daher tragen die (obersten) Priester überall die Kleidung und die Attribute und Insignien ihres Gottes und nur solche Priester, solche Gottessymbole, Gottesvertreter waren ursprünglich die 3 maurerischen ersten Vorsteher und die letztern werden stets dunkel und unverständlich bleiben, wenn sie nicht in ihrem Ursprunge erkannt und betrachtet werden. So wohnte und thronte auch namentlich der jüdische Jehovah in seinem goldenen Tempel, in dem Allerheiligstein über der Lade mit den Cherubim auf dem Berge zu Jerusalem und der jüdische Hohepriester war der sichtbare Vertreter des unsichtbaren und verborgenen Gottes. Der unsichtbare und verborgene Gott, der Gottesbegriff muss an seinen sichtbaren Vertretern und an ihren Attributen und Insignien erkannt und erfasst werden. Da nun der Hammer das gemeinsame Attribut der 3 ersten maurerischen Vorsteher ist, erscheint der Hammer sofort als das Symbol, als die Hieroglyphe des göttlichen Baumeisters, des allmächtigen Gottes als des Bildners und Schöpfers der Welt, der Götter und der Menschen, wie in diesem Sinne wirklich der Hammer bei den Aegyptern die symbolische Hieroglyphe, das heilige Symbol Gottes gewesen ist, so dass ein Hammer Gott, drei Hämmer neben einander drei Götter oder auch den dreieinigen Gott und 6 oder 9 Häm-




1) Lassen, indische Alterthumskunde, II. S. 421.



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mer 6 oder 9 Götter bezeichneten. 1) Die Maurer haben somit dieses Symbol wie den dadurch symbolisirten Gottesbegriff ganz unzweifelhaft aus Aegypten entlehnt und erhalten. Die 3 hämmernden Vorsteher der Maurer sind nur die schon oben berührten und besprochenen hämmernden, schmiedenden und bauenden Gottheiten der Phönicier und Aegypter, der Ursemiten. In der maurerischen Bedeutung trugen auch die Kabiren und ihre Priester in den sehr alten Mysterien auf der Insel Samothrace in der rechten Hand einen Hammer; ebenso sind auf phönicischen Münzen von Cossura und Thessalonich die Kabiren in einer gedrungenen Zwerggestalt, die den Hammer schwingt, auch ein Schurzfell trägt, dargestellt. 2) Die Kabiren waren hämmernde kunstreiche Zwerge, Pygmäen, Patäken, von Movers, a. a. O., S. 653, unrichtig von hämmern, abgeleitet. Auch in dem uralten Orakel und Tempel des Zeus zu Dodona in Epirus war der pelasgische, d. h. phönicisch-ägyptische Zeus dargestellt und verehrt als der allmächtige Baumeister () der Welt, als der Demiurg oder Schöpfer der Welt. Auf den zwei Säulen, welche in dem Tempel zu Dodona, wie vor oder in den Tempeln in Phönicien, zu Jerusalem, in Aegypten und bei den Mauern, standen, war der Demiurg oder Weltschöpfer im Geiste der ägyptisch-pelasgischen oder phönicisch-pelasgischen Theologie, wie auch auf Samothrace als Kabire vorgestellt, haltend in der einen Hand eine Geissel (des Osiris und des Amon, - des Jupiter O. M. Heliopolitanus, des syrischen Sonnengottes Adad, Malachbelus zu Heliopolis oder Baalbek in Syrien, dessen Bild angeblich aus dem ägyptischen Heliopolis stammte) 3) mit drei Knöcheln an beweglichen Kettchen.4) Pindar, Fr. 29, sagt: - gross-




1) Uhlemann, ägypt. Alterthumskunde, I. S. 34, 38 und 64; Hieroglyphentafel von Brugsch in der Zeitschrift der deutschen morgenländ. Gesellschaft, Bd. X. S. 668 vgl. mit den Erläuterungen S. 670 ff.
2) Movers, Untersuchungen über die Religion und die Gottheiten der Phönicier, S. 652.
3) Preller, röm. Mythologie, S. 750.
4) Lasaulx, Studien des class. Alterthums, S. 293 u. 301 ff.



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mächtiger Herrscher von Dodona, Vater, vollendeter Künstler, und dieser allmächtige Weltbaumeister hat nach der Sapientia Salomonis 11, 21 Alles nach Mass, Zahl und Gewicht geordnet ( ). 1) Dieser dodonäische Zeus ist der ägyptische Osiris als mensurator et ponderator terrarum, wie er in der Ueberschrift des Kap. 147 des von Lepsius aus dem Turiner Codex herausgegebenen Todtenbuches genannt wird. 2) Aus der gleichen ägyptischen Quelle war es geschöpft, dass auch die Orphiker oder Pythagoräer von einem Weltbaumeister sprachen, welcher den Bau der Welt planmässig ausgeführt habe. 3) Ebenso nennen die heiligen Schriften der Parsen (Yacna, II. Thl., XXX. 5, XXXI. 7 und I. Thl. I. 4, vergl. mit II. Thl. XXIX. 2) den Ahura-Mazda, den Heiligsten unter den Himmlischen, den Schöpfer, Verfertiger und Bildner der Welten. Auch wird Ahura-Mazda, der Schöpfer aller Dinge (II. Thl. des Yacna XLIII. 7), bei den Parsen häufig der Meister genannt (z. B. II. Thl. des Yacna XXXIII. 1), wie gleichmässig Zarathustra der Meister, der Meister der Reinheit heisst und alle Lichtgottheiten als Meister der Reinheit angerufen werden. 4) ln dem ersten Fargard des Vendidad heisst das Schaffen des guten Geistes, das Ahura-Mazda, fra-thwerez (eigentlich zimmern, das vedische tyasksh, wovon der Name des Götterkünstlers Tyastar oder Tvashhtar, griechisch ) wogegen das des bösen Geistes, des Ahriman, fra-kerent (eigentlich schneiden, einschneiden) genannt wird. 5) Bei den Indern wird Wischnu der Vicvakarman, der Werkmeister des Alls genannt, indem er die Erde aus den Gewässern hervorgehoben und gebildet haben soll. 6) Dieser himmlische Werkmeister und Schmied oder Vicvakarman soll zu




1) Lasaulx, a. a. O., S. 44 Anm. 151.
2) Uhlemann, ägypt. Alterthumskunde, I. S. 103.
3) Gfrörer, Urgeschichte des menschlichen Geschlechts, Schaffhausen 1855, II. S. 477.
4) Dunker, Gesch. des Alterthums, II. (1855), S. 343.
5) Vergl. Haug bei Bunsen, Aegyptens Stelle, Va, S. 107; Kuhn, Herabkunft des Feuers, S. 121 ff.
6) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S. 780.



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Tscheringam, in der Stadt der schönen Glieder, seinen Tempel mit 7 Mauern umgeben haben. 1) Auch die Wun. derstadt Doyaraka erbauet der himmlische Vicvakannan auf Krischna's Befehl nach dem Maha - bharata. 2) Nach einer singhalesischen Sage soll der himmlische Vicvakarman auf Befehl des Götterkönigs Indra die Ziegelsteine zu den von dem Könige Dushtagâmani aufgeführten Baue des Mahâstûpa verfertigt haben. 3) In einem ihm geweihten Felsentempel zu Ellora sitzt der himmlische Weltbaumeister auf einer verzierten Steinbank, zu seinen Füssen zwei Löwen, die Bilder der Macht und der Stärke des göttlichen Geistes. Rechts und links der grossen Felsennische, in welcher der Weltbaumeister sitzt, stehen in zwei kleineren Felsennischen zwei göttliche Diener, welche die Attribute des Weltbaumeisters tragen. Der eine dieser Diener trägt eine Lotusblume, das allgemeinste Symbol der Zeugung, und hält zugleich einen Massstab in senkrechter Linie als Richtstab vor die Augen. Der zweite göttliche Baudiener setzt einen Senkelwinkel auf eine vor ihm stehende Säule und trägt zugleich in seiner Linken einen Ollesbund oder einen Bund zum Schreiben zubereiteter Palmblätter. Ueber den 3 Nischen, beziehungsweise über der Nische des Weltbaumeisters, erblickt man ein Auge und unter demselben eine senkrechte Linie, welche auf einer horizontalen ruht, so dass zwei gleiche rechte Winkel entstehen. Das Auge (der göttlichen Vorsicht) wird von 8 betenden Geistern, 4 zu jeder Seite, in fliegender Stellung, aber flügellos angebetet; es sind dies wahrscheinlich die acht Wajus, Weltregierer. Ueber dem Auge endlich und über den 3 Nischen erscheint eine Darstellung des Thierkreises und in dessen Mitte, genau über dem Haupte des Weltbaumeisters die Waage. In Lübke's Geschichte der Architektur, S. 17, ist eine ziemlich mangelhafte Darstellung der Grotte des Vicvakarman zu Ellora enthalten. Mit dem Vicvakarman ist der vedische Tvash-




1) Creuzer, Symbolik, I. S. 469.
2) Semper, der Stil, I. S. 260 Anm.
3 ) Lassen, a. a. O., II. S. 419.



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tar verwandt, der göttliche Bildner oder Künstler, der den Wesen ihre Gestalten und Kräfte gegeben, der die Götterwaffen und Gefässe gebildet. 1) Dieser indische Götterkünstler ist schon oben S. 31 berührt worden. Nach Wollheim, Mythologie des alten Indien, Berlin 1858, S. 91, wird die Tochter des Weltbaumeisters , die Sandschnja, dargestellt, von einer Menge von Werkzeugen umgeben und von einem Löwen begleitet. Den Vicvakarman, den Bildhauer , Baumeister, Drechsler und Tischler der Götter, vergleicht Wollheim dem griechischen Hephästos, dem römischen Vulcanus, dem skandinavischen Vaulundur, dem finnischen Seppä. - Jesaja 45, 11 wird der Ewige, der Heiliger und Bildner Israels genannt. Der Ewige, welcher nach Jesaja 64, 7 (oben S. 19) alle Menschen aus Thon gebildet und geschaffen hat, erinnert an den ägyptischen Amon Kneph, welcher dargestellt wurde , wie er vor einer Töpferscheibe aus Erde und Wasser Menschen bildete. 2) In einer Bibel mit Miniaturen des brittischen Museums bei einer Darstellung der Schöpfung wird Gott Vater dargestellt, Waagschaale und Zirkel in den Händen haltend, zum Zeichen, dass er Alles nach Mass und Gewicht gebildet habe. 3) Ebenso werden in der germanischen Mythologie die Götter betrachtet als die Abmessenden, welche allem Werdenden Grenze und Ebenmass setzen. 4) Ferner nennen die Germanen den Thôrr, den indischen lndra, den himmlischen Schmied und dann bedeutet natürlich der Hammer, welchen Thôrr führt, dessen formendes und bildendes Werkzeug, den Schmiedhammer, den Hammer des Baumeisters des Himmels und der Erde. 5) Auch gedenken die germanischen Mythen vielfach schmiedender Elben und Zwerge (der phönicisch-ägyptischen Kabiren), d. h. göttlicher Wesen und Geister. Ebenso wird der finnische




1) Kuhn, a. a. O., S. 121 ff.
2) Furtwängler, die Idee des Todes, S. 102 Anm. 6.
3) Schnaase, Gesch. der bild. Künste, lV, 2. S. 485.
4) Mannhardt, germanische Mythen, S. 595 u. 607.
5) Mannhardt, a. a. O., S. 10 Anm. 5.




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Luftgott Ilmarinen als der Himmelsschmied dargestellt. 1) Im finnischen Glauben ist es zugleich der höchste Gott Wäinämöinen (Wannewunne), der durch sein Harfenspiel die ganze Welt friedet und nach dem Klange der Töne in Harmonie bringt. 2) Auch die Mexikaner haben einen Weltbildner Telzkatlipoka.

Nunmehr erscheinen wohl der Zirkel auf dem Altare des hammerführenden Meisters, gleichwie das Winkelmass, als sein auszeichnender Halsschmuck, als das Zeichen seines Amtes, in einem andern Lichte, nämlich als die ursprünglichen Attribute des allmächtigen Baumeisters der Welt oder Gottes selbst, dessen irdische und sichtliche Stellvertreter der Meister vom Stuhl und die beiden ersten Vorsteher der Loge ursprünglich nur sind. Welche symbolische Bedeutung namentlich bei dem Meister vom Stuhl der Zirkel und das Winkelmass haben, bezeichnen und beweisen die vorberührten Darstellungen des allmächtigen Bildners und Schöpfers der Welt bei den verschiedenen Völkern des Alterthums. Das Winkelmass insbesondere ist nicht allein ein Werkzeug des Weltbaumeisters, sondern auch des Weltrichters, des Todtenrichters und Abmessers der menschlichen Handlungen, des Osiris; an dem Winkelmasse soll den Verstorbenen in dem letzten Gerichte, in dem Todtengerichte die verdiente Strafe und der verdiente Lohn zugemessen werden. Den Gebrauch der Maurer, das Zeichen ihres besonderen Amtes an einem blauen Bande an dem Halse oder auf der Brust zu tragen, dürfen wir wohl unbedenklich auf Aegypten zurückführen. Es wird z. B. erzählt, dass bei den Aegyptern der Vorsitzer des aus 30 Priestern oder Mitgliedern bestehenden obersten Gerichtshofes auf der Brust, an einer goldenen Kette hängend, ein Schild von kostbaren, kunstreich gearbeiteten Steinen getragen habe, welche die Aegypter die Wahrheit genannt haben sollen. 3) Eine solche Tafel oder ein solches Schild hat auch Osiris an einem Bande um den Hals auf der Darstellung des unterirdischen Todtenge-




1) Mannhardt. a. a. O., S. 399 u. 473 Anm. 3. 2) Menzel, Odin, S. 183. 3) Dunker, a. a. O., I. S. 94.



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richtes im Todtenbuche Kap. 125. Der Gerichtspräsident soll nach Uhlemann, Thot, S. 116, Demjenigen das Bild der Wahrheit umgehängt haben, welcher für unschuldig erklärt worden war. Aus diesem ägyptischen Brustschilde des irdischen und des himmlischen Richters ist wohl das ähnliche Brustschild, das Urim und Thummim (Licht und Recht, Licht und Wahrheit) des jüdischen Hohepriesters entsprungen. Der Tempelschreiber trug bei den Aegyptern wie bei den Maurern als Symbol seines Dienstes die Schreibfeder und Schreibinstrumente. Der ägyptische Stolist, d. h. der Zugs- und Festordner und Derjenige, welcher darüber zu wachen hatte, dass bei den Feierlichkeiten, Opfern und Processionen Alles nach den in den heiligen Büchern niedergelegten Gesetzen und Vorschriften geschehe, hatte zum Attribut eine Opferschaale und einen Ellenstab. Die Elle, der 24- oder 28zöllige Massstab, deutete darauf hin, dass er alle Gebräuche, Handlungen und Ceremonien richtig abmessen solle. Den Ellenstab des ägyptischen Stolisten trägt der maurerische Ceremonienmeister. Wie die Maurer einen eigenen Logenverwalter haben, hatten auch die ägyptischen Priester eine eigene Abtheilung von Baumeistern und Verwaltern des Tempels. 1) Auch das blaue Band und die blaue Himmelsdecke mit den goldenen Sternen darin möchten den Aegyptern angehören.

Die maurerischen Werkzeuge in einem geistigen oder moralischen Sinne zu deuten und auf den grossen Bau der Gottheit und der Menschheit zu beziehen, ist sehr alt und namentlich nicht erst seit dem Jahre 1717 oder mit dem Aufgeben der Werkmaurerei in die Maurerei gekommen. In den christlichen heiligen Schriften findet sieh die Vorstellung des Leibes und des ganzen Menschen als einer Wohnung oder eines Tempels Gottes, sowie der Menschheit als eines Baues der Gottheit, wozu die Menschen die Bausteine und Christus den Grund- und Eckstein bilden, als eine sehr geläufige und gewiss hat sich diese Vorstellung bei den alexandrinischen Christen unter ägyptischem




1) Dunker, a. a O., I. S. 78.



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Einflusse zuerst und vorzüglich entwickelt. Diese Anschauungsweise ist eine durchaus baukünstlerische, eine architektonische und daher ursprünglich ägyptische. Die hierher gehörenden Hauptstellen des neuen Testamentes sind:

1. "Denn wir sind Mitarbeiter Gottes; ihr seid Gottes Ackerfeld, ihr seid Gottes Gebäude. Ich habe, als ein weiser Baumeister, nach der Gnade Gottes, die mir gegeben ist, den Grund gelegt; nun mag ein Anderer darauf bauen. Ein Jeder aber sehe zu, wie er darauf baue. Denn Niemand mag einen andern Grund legen, ausser dem, welcher gelegt ist, der ist Jesus Christus. - - - - - Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und dass der Geist Gottes in euch wohnet? So Jemand den Tempel Gottes verderbt, denselben wird auch Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, welcher ihr seid (l. Brief Pauli an die Korinther. Kap. 3)."

2. "Oder wisset ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel ist des heiligen Geistes. der in euch ist, welchen ihr von Gott habet, und dass ihr nicht euer selbst seid (ebendaselbst 6, 19)."

3. "Da ihr nun zu ihm gekommen seid, zu dein lebendigen Stein, der von den Menschen zwar verworfen, aber vor Gott auserwählt und köstlich ist: so werdet auch selbst erbauet, als lebendige Steine. ein geistliches Haus, ein heiliges Priesterthum, zu opfern christliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum. Darum stehet auch in der Schrift: ""Siehe, ich lege in Sion. einen auserwählten köstlichen Eckstein, und wer an denselben glaubt wird nicht zu Schanden werden!"" So ist er nun euch, die ihr glaubt, eine Ehre; den Ungehorsamen aber ist er der Stein, den die Bauleute verworfen haben; derselbe ist zum Eckstein geworden. und ist ein Stein des Austosses, und ein Fels des Aergernisses (1. Brief Petri, Kap. 2)."

4. "So seid ihr (Heidenchristen) nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr seid erbauet auf dem Grunde der Apostel und Propheten, dessen Eckstein Christus selber ist, in welchem zusammengefüget der ganze Bau wächset zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. In ihm werdet auch ihr miterbauet zu einer Behausung Gottes im Geiste (Ephes. H, 19-22)."

In diesem alexandrinisch-christlichen Sinne beginnt nun auch das alte maurerische Aufnahmsgebet mit den Worten: "O Herr Gott, du grosser und allgemeiner Baumeister der Welt, du erster Bildner des Menschen, dass er wie ein Tempel sei." 1) Mossdorf, Mittheilungen für denkende




1) Krause, Kunsturkunden, I. 1, S. 143 ff.



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Freimaurer, S. 4, hat die letzte Stelle dahin übersetzt : "der Du den Menschen zuerst gleichsam zu einem Tempel bildetest." Die ägyptische Grundansicht von Gott als dem Bildner und Schöpfer der Welt und des Menschen, und von dem Menschen als dem Ebenbilde Gottes ist auch schon in den Schriften des alten Testamentes neben vielem andern Aegyptischen niedergelegt. Im 1. Buche Mosis 1, 27 wird gesagt: "Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn; Mann und Weib schuf er sie." Ferner heisst es Genesis 11, 22: "Und Gott der Herr bauete ein Weib aus der Rippe, die er von Adam genommen hatte." Jesaja 40, 12 ruft:

Wer mass mit seiner hohlen Hand die Wasser
und grenzte ab den Himmel mit der Spanne?
und fasste in einen Scheffel den Staub der Erde?
Wer wog mit einem Gewicht die Berge?
und die Hügel in einer Wage?
Wer ermass den Geist des Ewigen:
Und wer unterwies ihn als sein Rathgeber?

Ebenso sagt Jesaja 40, 22 ff. von dem Ewigen:

Er spannet die Himmel aus wie einen Teppich
und breitet sie aus wie ein Wohnzelt. - - -
Wem wollt ihr mich denn vergleichen, dem ich ähnlich wäre?
Spricht der Heilige. Hebet eure Augen in die Höhe. und sehet.
Wer hat jene dort geschaffen?
Er, der herausführt ihr Heer nach der Zahl:
Der sie alle mit Namen rufet;
ob seiner gewaltigen Macht und starken Kraft
bleibt nicht Eins aus.
Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagest:
Mein Weg ist dem Ewigen verborgen
und meinem Gotte entgeht mein Recht?
Weisst du nicht? oder hast du nicht gehöret?
ein Gott ist immerdar der Ewige,
der die Enden der Erde geschaffen hat;
er wird nicht müde noch matt:
Sein Verstand ist unergründlich.
Er verleihet dem Müden die Kraft
Und gibt dem Unvermögenden viel Stärke.

Daran reiht sich die oben schon mitgetheilte Stelle Jesaja's 64, 7:





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Und nun Ewiger, du bist unser Vater: Wir sind der Thon, und du bist unser Bildner und das Werk deiner Hände sind wir Alle.

Alle diese jüdischen Schöpfungsvorstellungen und Schöpfungsbilder waren gewiss mit aus Aegypten gebracht, wo besonders Moses den Priesterunterricht genossen und woselbst die Juden auch wohl schreiben gelernt hatten. In dem Todtenbuche wird namentlich der Mensch das Ebenbild des Schöpfers der Menschen, des Osiris genannt wie durch den Tod die Seele des Gerechtfertigten nach ägyptischer Vorstellung mit Osiris vereinigt, ein Theil des Osiris selbst wird.

Auch bei den Indern treffen wir die Vorstellung, dass der menschliche Leib ein Tempel, ein Haus, eine Wohnung, eine Stadt Gottes, eine Brahmaloge oder göttliche Loge, eine Brahmpur oder eine kleine Stadt des Brahma sei. 1) So heisst es in dem von Anquetil du Perron herausgegebenen Oupnek'hat: "Innerhalb dieser Stadt Gottes, welche der Leib ist, ist ein kleines Gemach ähnlich der Nenupharblüthe (der Lotusblüthe, der Nymphea), darin wohnt der zarte Lebensgeist und Himmel und Erde, beide sind in ihm enthalten." - Bei Rükert, die Weisheit der Brahmanen, spricht ein indischer Brahmane:

"Bedenke. dass ein Gott in deinem Leibe wohnt Und vor Entweihung sei der Tempel stets verschont!"

Ein jeder Maurer wird sich hierbei an die an ihn bei der Aufnahme zum Lehrling ergangene Mahnung erinnern, sich, das Ebenbild Gottes, nicht durch schlechte Gesinnungen und Thaten zu verunstalten. - An einem andern Orte wird bei Rükert angeführt:

"Zwei Spiegel sind, worin sich selber schauet mit Wonne Die hohe Himmels- und die höchste Geistessonne. Ein Spiegel ist das Meer, von keinem Sturm empört, Ein andrer das Gemüth, von keinem Drang zerstört."

Müller., a. a. O., S. 336 theilt folgende einzig schönen Verse eines Brahmanen mit:



1) Müller, Glauben der alten Hindus, S. 335 ff.



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Fest steht der Mensch, der weise, gläubige,
Der Schöpfung Aar, der Schöpfung Löwe fest.
Wie einen Granitfelsen über'nr Meer'
Hat Brahma ihn in Liebe, Lust und Kunst
Zum Tempel ausgehöhlt und wohnt darin.
Durch's Menschenaug' strahlt Brahma's Sonnenauge.
Und in des Menschen Brust pocht sein Geist.
Was wollen Stürme nun und Wogenhader,
Was wollen Feinde, die dem Gottbeschützten
Mit böser Lust, sich selbst zernichtend, nah'n?
Fest steht der Mensch, sein Wächter ist der Herr,
Sein Schirm und seine Stütze ist der Starke;
Ihn, Brahma's Haus, wirft nur die Sünde um;
Denn vor der Sünde weicht des Lichtes Geist,
Vor ihr die Kraft des Göttlichen im Menschen.

Nach den indischen Ansichten, wie sie besonders in den Wedas ausgeführt sind, prägt sich die Form der Schöpfung, des Nakrokosmos, an der Gestalt des Menschen, des Mikrokosmos ab; der Mensch ist nur ein kleines Weltall und das All nur ein grosser Weltmensch. 1) - Müller, Glauben der alten Hindus, hat auf Taf. IV, Fig. 72 u. 73, womit seine Erläuterungen S. 611 u. 612 zu vergleichen sind, zwei Zeichnungen von dem Menschen als kleine Welt, als Brahma's Haus nach den Wedas und besonders nach dem Upnekhata mitgetheilt. Der Mensch und die Menschheit, tiefer betrachtet, sind ein Gottmensch, Gott in den Menschen, Gott in der Beschränkung der Zeit und des Raum und daher und insofern allein persönlich, der endliche und geborne Gott, der Sohn Gottes auf Erden.

Um die ägyptischen Ansichten näher zu legen, theilen wir hier nach der Uebersetzung von Uhlemann, drei Tage in Memphis, S. 15, noch mit einen Lobgesang auf Ptah, nur eine andere Gestalt des Weltbaumeisters:

Preis Deinem Antlitze, Schöpfer, Gott!
Preis Deinem Antlitze, grosser Ptah!
Der Du gebildet die grosse Welt,
Himmel und Erde und Sternenheer;
Preis Deinem Antlitze, Vater der Welt!




1) Stuhr, die chinesische Reichsreligion und die Systeme der indischen Philosophie, S. 49 ff.



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Preis Deinem Antlitze, Schöpfer, Gott!
Preis Deinem Antlitze, grosser Ptah!
Der Du schmücktest das Weltenall
Heute wie immer mit Deinen Gaben,
Preis Deinem Antlitz, Erhalter der Welt.

Preis Deinem Antlitze, Schöpfer, Gott!
Preis Deinem Antlitze, grosser Ptah!
Der Du regierest und richtest die Welt,
Den Bösen vernichtest, den Guten belohnest;
Preis Deinem Antlitz, Regent der Welt.