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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel XIV



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Die Akazie, der heilige Baum der Maurer.

Das maurerische Symbol der Akazie berührt sich auf das Innigste mit dem Symbole des Hiram, ja die Akazie ist das Symbol und das Attribut des Hiram selbst und bezeichnet zunächst nur die ewig sich verjüngende Naturkraft, den nach dem Schlafe oder Tode der Natur stets wiedererstehenden Frühling, das unsterbliche Naturleben, - und zuletzt die Unsterblichkeit der menschlichen Seele, das ewige Leben und Licht, indem die aus dem Tode wiedererwachende Naturkraft dem Menschen die Hoffnung und die Bürgschaft gibt, dass auch er aus dem Grabe wiederhervorgehen und unsterblich leben werde. 1) Desshalb erscheint bei den Maurern die Akazie in den Todtendienst des Hiram eingeflochten und sobald dieselbe auf dem Grabe Hirams wieder grünet und blüht, wird der erschlagene und vermisste Meister wieder gefunden, wird das verlorne Meisterwort durch ein neues ersetzt, d. h. ein neues Jahr und Leben beginnt und der verstorbene Sonnengott geht aus dem Grabe hervor, die in die Unterwelt entführte Persephone kehrt zur Oberwelt zurück, der siegreiche Apollo kommt aus dem im kalten Norden




1) Vergl. auch Preller, griech. Mythol., I. S. 255.



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gelegenen Lande der Hyperboreer zurück und die weisse Frau (Bertha) der germanischen Mythologie erscheint wieder. Aehnlich, wie Hiram unter und mit der blühenden Akazie wiederersteht und diese wieder blühende Akazie selbst ist, wird auch die Artemis Ortygia, die mondliche Frühlingsgöttin im Frühlingsmonat April oder dem nach ihr benannten Artemisios auf Delos mit ihrem Zwillingsbruder Apollo geboren, wenn die Wachtel als Frühlingsbote den Frühling verkündet und wiederbringt. Delos selbst wurde daher Ortygia, das Wachtel- oder Frühlingseiland genannt. Der tyrische Melkart oder Herakles, der maurerrsche Hiram, wurde jährlich durch den Geruch einer Wachtel, durch den neuen Frühling und das ihn begleitende neue Leben aus dem Grabe wieder erweckt und neu belebt. Das alte Meisterwort geht verloren oder Hiram unterliegt den tödtlichen Streichen, indem in den 3 letzten Monaten das Jahr dahinschwindet und zu Grabe geht; ein neues Meisterwort muss gefunden und der verstorbene Meister aus dem Grabe wieder erweckt werden, weil das Jahr, die Zeit wieder neu anfangen und einen neuen Kreislauf beginnen muss. Daher gehören in den vorliegenden Mythenkreis auch der römische Mars und der später an seine Stelle getretene Janus, indem sie mit den nach ihnen benannten Monaten stets den Monat und das Jahr neu anfingen, mit Hinsicht worauf auch Janus zwei Gesichter trug, rückwärts und vorwärts schaute, das Ende und der neue Anfang war. Ebenso reiht sich Johannes der Täufer ein, dessen Gedächtnissfest zur Zeit der Sonnenwende und der blühenden Sonne gefeiert wird und der abnehmen muss, damit ein Neuer wachse; denn, wenn die Sonne die höchste Spitze ihrer scheinbaren Bahn erreicht hat, muss sie wieder abwärts steigen, wie die blühende Rose nur noch verblühen und sich entblättern kann. Das reichste und schönste Leben ist nur der verborgene Anfang des Todes und die Wiege ist der künftige Sarg und umgekehrt.

Die Vorstellung des Baumes, die Mythe des Baumes als des Baumes des ewigen Lebens ist auch in den Schriften des alten Testamentes enthalten und niedergelegt. In der Genesis 11, 8 und 9 wird berichtet: "Und Gott der





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Ewige pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen, und setzte den Menschen darein, den er gebildet hatte. Und Gott der Ewige liess sprossen aus der Erde allerlei Bäume, lieblich anzusehen, und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten, und den Baum der Erkenntniss des Guten und des Bösen." Genesis II, 15-17 wird beigefügt: "Und Gott der Ewige nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Edens, dass er denselben bauete und bewahrte. Und Gott der Ewige gebot dem Menschen also, du magst .essen von allen Bäumen des Gartens; aber von dem Baum der Erkenntniss des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben." - Bedeutungsvoll ist hier dem Baume des ewigen Lebens der Baum der Erkenntniss des Guten und des Bösen zur Seite gestellt, dessen Früchte der Mensch nicht kosten soll, aber verführt dennoch kostet und dadurch den eigenen Fall, Schmerz und Tod sich bereitet. Der Mensch hienieden übt das Böse, so lang er lebt und strebt, doch kennt er auch das Gute und kann es lieben und üben, dann erlangt er das verlorene ewige Leben , das Paradies wieder. In dem letzteren Sinne ist der Baum der Erkenntniss auch der Baum des Lebens und nicht blos der Baum des Falles, des Ungehorsams, der Sünde und des Todes. Der Tod soll und kann dem Guten die Pforte des Lebens werden; deponens aliena (das Böse), ascendit unus. Daher heisst es ferner in der Genesis III, 22 ff.: "Und Gott der Ewige sprach: Siehe, der Mensch ist geworden, wie Unser Einer, so dass er weiss, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nicht ausstrecke seine Hand, und nehme auch von dem Baume des Lebens, und esse, und lebe immerdar! Da schickte ihn Gott der Ewige weg aus dem Garten Edens, dass er den Erdboden bauete, davon er genommen war, und trieb den Menschen aus, und lagerte morgenwärts vom Garten Edens die Cherube und die Flamme des wirbelnden Schwertes, zu bewachen den Weg zu dem Baume des Lebens." Das Leben dort oben, das ewige Leben und Licht soll von dem Menschen durch das Leben hienieden errungen und verdient werden, kämpfend soll der Mensch siegen; aus diesem Grunde darf er auch ohne den irdischen





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Kampf und ohne das irdische Leben nicht dem Baume des Lebens oder der Unsterblichkeit nahen und nicht länger in dem Garten Edens verweilen. Uebrigens ist diese ganze biblische Fallsgeschichte mit der daran sich anschliessenden Geschichte der Austreibung des Menschen aus dem Garten Edens nur ein Versuch der Erklärung der Schöpfung des Menschen, der Menschwerdung Gottes, des Herabsteigens des göttlichen Geistes oder der göttlichen Seele aus dem Himmel zur Erde, - der ägyptischen und pythagoräisch-platonischen Präexistenz der Seele, sowie der Entstehung des Bösen in der menschlichen Welt. Die ägyptische Ansicht von der Präexistenz der Seele, von dem Falle der Seele in einem früheren himmlischen Leben, welchen Fall die Seele in dem Erdenleben abbüssen muss, ist in der mosaischen Genesis zu dem Sündenfalle des Menschen in dem Garten Edens geworden, wegen dessen Adam und Eva, Meschia und Meschiane, der Mann und das Weib, der Mensch und die Menschin aus dem Garten Edens von Jehova ausgetrieben und zu dem leidenvollen sterblichen Erdenleben verurtheilt werden. Der Sündenfall ist, wie die Theologen sich ausdrücken, eine Allegorie. Das oft so schwere und mit der Güte Gottes scheinbar unvereinbare Erdenleiden will der Mensch sich als verdient und gerecht erklären, so dass er sie als die Strafe eines vorausgehenden Verschuldens, eines Falles des Menschen im Himmel oder auf Erden sich denkt. Das mühe- und leidenvolle Erdenleben sucht vor- und rückwärts den ihm unentbehrlichen Trost, die Lösung des grossen irdischen Räthsels. Ohne jedoch uns weiter aufhaltend bei dem biblischen Baume des Lebens und deshalb verweisend auf Das, was z. B. Bunsen in Thl. I seines Bibelwerks und Gabler in Thl. II der von ihm herausgegebenen und commentirten Urgeschichte von J. G. Eichhorn (Altorf 1790) darüber bemerken, möchte bei den Juden und bei den Maurern der Baum des Lebens als ägyptischen Urssprunges zu betrachten sein und noch mehr ist die Akazie als dieser Lebensbaum ägyptisch-jüdisch, ägyptisch-mosaisch. In Aegypten ist die Akazie seit uralten Zeiten einheimisch und noch heute zeichnet sich die Eskebieh, der weite grüne Raum oder freie Platz innerhalb Kairo, durch seine ungeheuren,





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orientalischen Akazien aus, welche den Platz umfassen. 1) Bei dem zufolge der jüdischen Tradition von Moses nach Jehovah's Vorschrift errichteten Zelte oder Heiligthum der Offenbarung war zu den Brettern, welche das tragbare Zelt bildeten, und zu dem Altare für die Brandopfer im Vorhofe um das heilige Zelt Akazienholz verwandt. 2) Das Akazienholz war also das Holz des Ewigen, das ewige Holz, gerade wie später bei der Erbauung des salamonischen Tempels wegen seiner Härte, Dauerhaftigkeit und Unzerstörbarkeit besonders Cypressen- und Cedernholz gebraucht worden sein soll. Wegen ihres langen und beziehungsweise ewigen Lebens, wegen ihrer Dauerhaftigkeit und Unzerstörbarkeit ist namentlich die pyramidale Cypresse zu einem allgemeinen orientalischen, wie occidentalischen Symbole der Götter und Göttinnen, der Gottheit oder des Ewigen geworden. 3) Nach Polak, Encyklopädie für Freimaurer, Bd. I, Amsterdam 1855, S. 126, war die Akazie oder nach ihm der Dornbusch bei den Aegyptern und bei den Arabern das geheiligte Symbol der Sonne. Polak nimmt sogar an, dass der bei Moses II, 3 erwähnte Busch oder nach Bunsen, Bibelwerk I, Dornbusch ein Dornbaum oder eine Akazie gewesen sei. Nach einigen Schriftstellern war auch schon in die ägyptische Osirissage die Akazie als der heilige oder göttliche Baum aufgenommen. 4) Da in dem ursprünglichen jüdischen oder in dem mosaischen Cultus so viel Aegyptisches enthalten war, 5) scheint allerdings auch die Akazie oder das Akazienholz des Bundes- oder Gotteszeltes als der ägyptischen Symbolik entlehnt angesehen werden zu müssen. Auf der Grenze von Hedschas nach dem Innern Arabien hin verehrten die Kinana und die Benu Gatafan die Göttin Uzza oder el-Ozza d. i. die Gewaltige oder Glorreiche in einem heiligen




1) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 213.
2) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 213.
3) Lajard, recherches sur le culte du cyprès pyramidal, Paris 1854, S. 5 ff.
4) Kaufmann und Cherpin, histoire philosophique de la Franc-Maconnerie, S. 81.
5) Dunker, a. a. O., I. 527.



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Akazienbaum. 1) Lajard ist der Meinung, dass die Uzza auch zu Mekka verehrt worden sei. Der heilige Baum ist der Gott oder die Göttin selbst, wie schon Bötticher in seinem Baumkultus der Hellenen erwiesen hat, und in den Mythen von dem Ursprunge der Menschen aus Bäumen ist daher ihre Schöpfung durch die Götter ausgedrückt. Auch die Leiche des Osiris war in einem Baum, in eine Erikastaude eingeschlossen. 2) Wie in Verwechselung des Symbols mit dem Symbolisirten vielfach z. B. Sonne, Mond und Sterne selbst als Götter, ebenso bei den Aegyptern die Thiere und bei den Skythen, Alanen und Geten ein Schwert göttlich verehrt wurden traten auch die Bäume oft selbst an die Stelle der Gottheit und wurden aus den Göttern geheiligten Bäumen zu heiligen Bäumen und Göttern.

Die Akazie trägt gleich der deutschen Esche und Eiche, im Skandinavischen Ygg und daher die Weltesche Yggdrasil, ihren Namen wohl von einem den Semiten und den Indogermanen in vielfachen Wortbildungen erhaltenen Urstammworte, welches die Stärke und das Leben bezeichnet und womit z. B. im Griechischen , die Kraft, , der Sieg, und , siegen, im Lateinischen vigeo, vico, vixi, Lebenskraft haben, leben, zusammenhängt. Die Akazie ist somit der starke Gott und Baum, wie wirklich in Arabien die Mondsgöttin und die Akazie gleichmässig heissen. 3)

Die durch ihre reiche Lebenskraft oder gar durch ihr Immergrün sich auszeichnenden Bäume waren der Urmenschheit ein naheliegendes Symbol der zeugenden und ewig sich verjüngenden Naturgottheit, des Sonnengottes, des Lichtgottes, und der Monds- und Erdgöttin. - des Vaters und der Mutter des Naturlebens. Begreiflich wählte dabei ein jedes Volk den Baum, der ihm am nächsten oder am theuersten oder auch am nützlichsten war. Aehnlich, wie in Aegypten und in Phönicien vor oder in den Tempeln




1) Lajard, a. a. O., S. 123 ff.; Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 139.
2) Plutarch, de Isid., 1.
3) Kanne, allgemeine Mythologie, S. 404,



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oft zwei Säulen oder Obelisken standen, scheinen in Syrien nach den aufgefundenen Münzen oft auch zwei Bäume, besonders Cypressen, als die Symbole der Sonne und des Mondes beim Eingange des Tempels zu dessen beiden Seiten gestanden zu haben. Da der in dem Baume symbolisirte Naturgott alles Leben schuf, liess man bald auch die Menschen aus den Bäumen geboren werden, wie noch heute nach einem deutschen Volkssprichworte in Sachsen die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen. Eine persische Mythe lässt den ersten Menschen und die erste Menschin, Meschia und Meschiane, aus einem Baume geboren werden, was auch auf aufgefundenen Mithrasdenkmalen, z. B. auf demjenigen zu Heddernheim im Herzogthum Nassau, dargestellt ist. Nach der persischen Mythe war der Baum gleich einer Reivaspflanze gestaltet, wie Mann und Weib in ihrer Vereinigung. Nach Lajard, a. a. O. S. 21, haben die Mandschu-Tataren oder Mongolen eine ähnliche Mythe. Auf der Rückseite des palmyrenischen Altars im capitolinischen Museum zu Rom wird Eros, Amor, aus einer Cypresse, als dem Symbole der Venus, geboren. 1) Auch den Adonis lassen griechische und italische Sagen aus einem Baume geboren werden. Also nicht blos die Menschen, sondern selbst die Götter entstammen den Bäumen, wobei indess ursprünglich nicht an wirkliche Bäume, sondern an den grossen Wolken- und Himmelsbaum, die germanische Weltesche gedacht war und gedacht werden muss. Auch die Kureten wurden nach einem reichlichen Erguss des Regens wie Bäume von der Erde emporgetrieben gedacht, weshalb denn die Kureten (*) genannt wurden. 2) Schon Hesiod lässt den Zeus das dritte, eherne Geschlecht, das sich den Plegyern an Kriegslust und Uebermuth vergleicht, aus Eschen schaffen und an die Esche knüpft bekanntlich die nordische Mythe den Ursprung des jetzigen Menschengeschlechts an, indem sie den ersten Menschen gleich den Asen oder Göttern selbst 3)




1) Lajard, a. a. O., S. 19 ff.
2) Preller, griech. Mythologie, I. S. 403.
3) Menzel, Odin, S. 109.



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mit ihrem Namen Askr nennt. Die peloponnesische Sage lässt den Phoroneus, den ersten Menschen und König, von dem Flussgotte Inachos und der Melia, also der Esche abstammen. Jedoch ist hier, wie schon berührt, der Baum und namentlich die germanische Weltesche Yggdrasil d. i. das (Wolken-) Ross oder der Träger des Ygg oder des schrecklichen Odhin, 1) denn Odhin hiess auch Yggr, Schrecken, 2) - nur das Bild der Wolken, des Wetterbaumes und die menschenerzeugenden Bäume sind somit gleich den Kindsbrunnen der weissen Frau und der Kore oder Proserpina. 3) Auch in Italien scheint die Vorstellung von dem Ursprunge des menschlichen Geschlechts von Bäumen volksthümlich gewesen zu sein. 4) Dem Faunus, dem Urmenschen des Waldes, war daher auch der wilde Oelbaum geheiligt. Im eigentlichen Griechenland findet sich der Glauben von der Entstehung des menschlichen Geschlechts aus Bäumen weniger. 5) Die Abstammung des menschlichen Geschlechts von Bäumen hat übrigens im Deutschen die Begriffe und Wörter Stamm (eines Volkes, eines Geschlechts, einer Familie), abstammen - aus dem Stamme oder Baume entsprungen, - Stammhalter, Stammbaum u. s. w. erzeugt. 6)

Endlich gehören in diesen Vorstellungskreis der Wetterwolken als Bäume auch die Vorstellung der Bäume mit goldenen Aepfeln, indem diese Bäume nichts anders sind als die Wolken, in denen in Kugel- oder Tropfgestalt die goldenen Blitze rollen. 7) Dieses sind in der griechischen Mythologie die goldenen Aepfel der Hesperiden und in der nordischen die goldenen Aepfel ldunens, welche die (Wolken-) Götter essen, um sich zu verjüngen. Der Granatapfel ist wohl nur das Symbol des goldenen Blitzapfels. Der phönicischen Astarte war der Granatapfel z. B. ge-




1) Kuhn, die Herabkunft des Feuers, S. 132.
2) Menzel, Odin, S. 15.
3) Kuhn, a. a. O., S. 25. 104 ff. 131.
4) Kuhn, a. a. O., S. 179; Preller, röm. Mythologie, S. 341.
5) Preller, griech. Mythologie, I. S. 57.
6) Kuhn, a. a. O., S. 235.
7) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 136, Anm. 1.



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heiligt 1) und dieser Granatapfel ist der Apfel des troischen Paris. Die Siegerin im Kampfe der Schönheit ist eigentlich die siegende Wolken- und Blitzgöttin.

Die maurerische Akazie ist dasselbe Symbol des niemals ersterbenden und stets neu sich verjüngenden Lebens wie die ägyptisch-indische Lotosblume, welche Lotosblume bei den Indern das Sinnbild des Vischnu und der Schöpfung ist und auch die Tibetaner und Nepalesen verehren, - wie der Perseabaum bei den Aegyptern oder die immergrüne Tamariske des Osiris, 2) - der Epheu des Osiris und Apollo, 3) der Lorbeerbaum des Horus und des Apollo, - der Oelbaum des ägyptischen Thot und der griechischen Athene, 4) - der den Brahmanen und den Buddhisten heilige pippala (woraus das lateinische populus und die deutsche Pappel geworden sind) oder der so grossartig sich ausbreitende und in sich fortwachsende Feigenbaum mit beständig zitternden Blättern (fleus religiosa, Boddhibaum, indisch gewöhnlich acvattha genannt), 5) - die Cypresse des Zoroaster 6) und nach Lajard der syrischen Venus und vieler anderer Gottheiten, - die Myrte der syrischen Göttin oder der grossen Erdmutter, welche Myrte zugleich der Baum der indischen Trimurti ist, - die phönicisch-ägyptische Palme, thamar, woher Samarien, das Palmenland, und Samaria, die Palmenstadt, benannt wurden, - der jüdische. Granatapfel und Granatapfelbaum, 7) die immergrüne Eiche oder Buche des Zeus zu Doclona in Epirus, welches Dodona Ritter ohne Grund mit Buddha und mit dem Boddhibaume in Verbindung gebracht hat, - die hochragende Eiche oder die düstere Fichte (das Symbol des Attis, der nichtersterbenden Naturkraft) der phrygischen Erdmutter Kybele oder Kybebe, der griechi-




1) Dunker, a. a. O., I. S, 258.
2) Dunker, a. a. O., I. S. 68.
3) Uhlemann, ägypt. Alterthumskunde, II. S. 158.
4) Uhlemann, a. a. O.: Bötticher, der Baumcultus der Hellenen, Berlin 1856. S. 506 ff.; Friedrich, Symbolik und Myth. der Natur (1859), S. 167 ff.
5) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S. 255; W. v. Humbold, Bhagavad-Gitá, S. 50; Kuhn, a. a. O., S. 197 ff.
6) Spiegel, Avesta II., Einleitung S. XII. ff.
7) Kanne, allgemeine Mythologie, S. 43.



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schen Rhea, 1) die heilige Mistel der Druiden, 2)der noch heute den Fischern und den Schiffern Norwegens heilige Vogelbeerbaum, wegen seiner üppigen Blätter bei uns Quieke, d. i. der stark, kräftig, jung, frisch Machende genannt, woher nhd. erquicken, neues Leben einhauchen. 3) Die wahre Bedeutung und Eigenschaft der Quieke als des Baumes der unverwüstlichen Lebenskraft, welche ihn immer neue Sprossen treiben lässt, wird besonders durch das wuchernde Quikgras (triticum repens L.) klar. Wie die Akazie bei den Aegyptern schon der Sonne oder dem Sonnengotte d. i. dem Hiram, dem Herakles geweiht gewesen sein soll, 4) war einst bei den Indern die Akazie (acacia suma Rosb. 5) noch geheiligter. Schon die gefiederten Blätter hatten bei den Indern eine symbolische Beziehung auf die Flügel des Vogels, welcher das Feuer von dem Himmel den Menschen zur Erde herabgebracht haben sollte, - die Akazie erschien gleichsam als eine Verkörperung des feuer- und lichtbringenden, blitzetragenden Vogels, worüber die schönen Ausführungen von A. Kuhn in seiner mehr angeführten geistvollen Schrift über die Herabkunft des Feuers und des Göttertranks in ihrem ganzen Umfange nachgelesen zu werden verdienen. Die röthliche Akazie hatte durch ihre röthliche Farbe eine weitere Beziehung zu dem Feuer und zu dem Lichte, wie dieses besonders auch bei den rothen Beeren des Vogelbeerbaumes, bei dem indischen Parnabaum mit seinen herrlichen, dunkel scharlachrothen Blüthen 6) und andern ähnlichen indischen Bäumen, namentlich auch bei den den Vogelbeeren gleichenden röthlichen Früchten der Ficus religiosa 7) der Fall gewesen ist. Endlich möchte auch die Akazie oder vielmehr ein auf ihr gewachsenes Holz zur Erzeugung des reinen Feuers verwandt worden sein, 8) in-




1) Preller, griech. Mythologie, I. S. 402.
2) Kuhn, a. a. O., S. 231 ff.
3) Kuhn, a. a. O., S. 185 u. 191.
4) Prichard, ägypt. Mythologie, S. 273.
5) Kuhn, a. a. O., S. 193.
6) Kuhn, a. a. O., S. 192.
7) Kuhn, a. a. O., S, 196.
8) Kuhn, a. a. O., S. 193 u. 200.



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dem das Alterthum vielfach den auf einem andern Baume gewachsenen Schösslingen eine besondere Kraft zuschrieb, weil ein Gott sie dahin gepflanzt und getragen haben sollte, sie die Verkörperung dieses Gottes selbst waren.

Der Pippala oder Acvattha mit den stets sich in die Erde herabsenkenden und zu neuen Stämmen aufwachsenden Zweigen gilt den Brahmanen als ein Bild der irdischen Welt (mundus arbor est), die zwar in dem höchsten Wesen wurzelt, aber ihre Richtung abwärts hat, in steter Unruhe und Bewegung ist, aber niemals zur ewig gleichen Ruhe gelangt. Erst den Buddhisten wurde der Baum zu einem im strengen Sinne heiligen. Unter diesem stets sich bewegenden Baume versenkt sich Buddha in die tiefste Betrachtung, das Bild des unaufhörlich wechselnden Lebens musste am stärksten den Gedanken auf das allein Ruhige und Bleibende hinlenken: unter diesem Baume gewinnt Buddha die höchste Stufe der Intelligenz, die Stufe eines Buddha. So wurde der Baum seinen Anhängern zu dem der Intelligenz (Boddhi), wurde ein heiliges Symbol und durfte bei ihren grossen Heiligthümern nicht fehlen. Die brahmanische Bedeutung des Baumes als das Bild des ewig kreisenden Weltlaufes (Sansâra) scheint den Buddhisten entgangen zu sein. 1) Auf den Münzen buddhistischer Herrscher erscheint öfters der heilige Feigenbaum, z. B. mit dreifacher Astverzweigung in einem aus vier kleinern zusammengesetzten Vierecke, 2) ähnlich wie bei Maurern die Akazie auf Siegeln und auf Denkmünzen häufig gebraucht wird.

Nach den Ausführungen von Lajard in seinem recherches sur le culte du cyprès pyramidal ist die Cypresse in ganz Iran und selbst in China, in Babylonien und Assyrien, Phönicien, Arabien, Aegypten und in ganz Kleinasien, in Griechenland, Rom und im ganzen römischen Reiche zunächst das Symbol des Lebens, und daher allen zeugenden Göttern und Göttinnen beigelegt, - sodann auch Symbol der Unsterblichkeit, des ewigen Lebens und desshalb auf Gräbern und Grabdenkmalen überall angewandt, gerade wie dieses




1) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S. 260.
2) Lassen, a. a. O., II. S. 826 vergl. mit 920, S. 924, Anm. 4 und S. 928, Anm. 1.



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Alles auch bei der maurerischen Akazie der Fall ist. Daher heisst auch noch heute im Persischen die Cypresse serv-azâd d. i. die freie, unsterbliche und ewige Cypresse. 1) Nach den Pythagoreern sollte in diesem Sinne das Himmelsscepter des Zeus aus Cypressenholz gefertigt sein, wie wirklich im Orient und Occident (zu Rom hatte man z. B. auf dem Capitol eine dahin von Veji gebrachte Statue des Jupiter von Cypressenholz) viele Götterbilder daraus angefertigt waren und gewiss deshalb dasselbe auch Salomon gleich dem Cedernholz zu seinem Tempel gebraucht hatte. ln Russland pflegen noch heute viele Heiligenbilder auf Cypressenholz gemalt zu werden und eben so haben die russischen Grossen die Sitte, sich in Särgen von Cypressenholz, welchen am dem heiligen Lande gebracht wird, beerdigen zu lassen. 2)

Zu Dodona verkündete das Rauschen der königlich emporragenden und dabei nährenden Eiche ( , quercus esculus) den Willen des Zeus, ertheilte Orakel und weissagete. 3) - Bei den alten Armeniern verkündete zu Armavir, der alten Hauptstadt von Armenien, eine durch den König Arménag oder Aramanéag gepflanzte heilige Cypresse durch das Rauschen und die Bewegung ihrer Blätter gleichfalls das Schicksal. 4) - Auch die Deutschen, besonders die alten Preussen zu Romove (dem Orte der stillen Ruhe und des tiefen Schweigens), zu Heiligenbeil und Marienberg, sowie die Kelten hatten weissagende Eichen. 5)

Dem Baume des ewigen Lebens, dem Himmels- und Wolkenbaume, dessen Früchte den Geniessenden unsterblich machen und von welchem die Götter und die Menschen stammen, verwandt oder gleichbedeutend mit ihm ist der himmlische Göttertrank, das Wolkennass, welches die Götter stark und unsterblich macht. Bei den Griechen wird dieser himmlische Trank genannt, weil er die




1) Lajard, a. a. O., S. 301 ff.
2) Lajard, a. a. O., S. 316.
3) Preller, griech. Mythologie, I. S. 80.
4) Lajard, a. a. O., S. 66.
5) Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S. 350, Anm. 110, vergl. mit S. 299, Anm. 106.



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irdischen Erinnerungen tödtet und vernichtet und dadurch unsterblich macht. 1) Selbst der kleine Zeus wird daher mit dem aus dem Wolkenberge oder Wolkenfelsen hervorsprudelnden Nektar getränkt und genährt. 2) Wenn die Nymphen oder als die Ammen des jungen Zeus bezeichnet werden, ist damit wieder nur ausgedrückt, dass er den himmlischen oder süssen Honig, , trinke. 3) In dem dodonäischen Sagenkreise heissen die den Zeus säugenden Nymphen Hyaden, d. h. sind das Gestirn, welches beim Beginne der regnerischen und stürmischen Jahreszeit aufgeht. Diese Hyaden sind auch die Ammen des griechischen Dionysos, welcher dem indischen Gotte Soma gleichsteht und der durch den in die Wolkenhöhle, die Persephone, niederfahrenden Blitz, den Zeus, erzeugt wird. Der aus der Hüfte des Zeus, unter den Blitzen desselben geborne Dionysos wird daher der Feuergeborne, der Blitzgeborne, genannt. So ist auch die aus dem Haupte des Zeus geborne Athene nur die Licht- und Blitzgöttin, der aufleuchtende und blitzende Himmelsäther, und die Tochter hat deshalb mit dem Vater die gleichen Eigenschaften und Attribute. Aehnlich, wie Dionysos und Athene, wird auch Perseus, der Sohn des Zeus und der Danae, durch den goldenen Regen des Zeus d. h. durch den in das tiefste Wolkendunkel eindringenden Blitz erzeugt und geboren. 4) Ebenso werden auch Apollo und Artemis von der Lato oder Leto, von der Leto , der Leto mit dem dunklen Gewande d. i. aus der dunkelen Gewitterwolke auf einer schwimmenden Insel (Wolke) geboren. 5) Gleich dem jungen Zeus trinkt auch der indische Indra, kaum geboren, den soma oder saoma, das amritam, das Himmelswasser, welches er den Hütern desselben, den Gandharven entreisst. 6) Der Wein, wel-




1) Alpina für 1860, S. 262; Kuhn, a. a. O., S. 175, Anm.
2) Kuhn, a. a. O., S. 178.
3) Kuhn, a. a. O., S. 136.
4) Preller, griech. Mythologie, II. S. 42.
5) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 69, Anm. u. S. 99 ff.
6) Kuhn, a. a. O., S. 138.



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chen der katholische Priester bei der Messe trinkt, ist wohl blos der uralte und noch heute gebräuchliche Haomatrank des Parsenpriesters und der Somatrank der Brahmanen; der Haoma- und Somatrank selbst aber sind ursprünglich nur das Symbol des Wolkennasses oder Wolkenwassers, welches die Luft- und Aether-, die Blitzgötter, Indra, Thôrr und Odhin, Zeus u. s. w. trinken, um den zeugenden und befruchtenden Regen zur Erde niederströmen lassen zu können. Der Baum, von dem der Haomatrank gewonnen wird, - der Hombaum ist den Parsen zugleich der Baum und die Quelle des Lebens und der Hom ist der reine Trank, der dem Leben der Menschen wie der Götter Dauer, Unsterblichkeit gibt. Der Lebenstrank und Lebensbaurn gehen also hier ganz in einander über. Dass auf dem sechsten Todtengemälde des Sargdeckels des von Hammer in den Fundgruben des Orients besprochenen Mumienkastens der in der Unterwelt, in dem Todtengerichte ankommenden Seele von einer vor dem Baume des ewigen Lebens, vor der Persea und der Sykomore 1) stehenden Göttin Wasser zum Trinken aus einem Gefässe zugegossen wird, was die Apostelgeschichte des Geistes, I (Neustadt 1858) S. 116, die Todtentaufe nennt, ist nur dahin zu deuten, dass die Seele einen Trunk des himmlischen Nektars, des indischen Amritam empfange, welcher die irdischen Erinnerungen und Schwächen hinwegnimmt und des ewigen Lebens theilhaftig macht. In Gräbern war daher den Aegyptern der Wasserkrug zufolge Creuzer. Symbolik III. S. 461, ein Bild der Erquickung der Seele im dunkelen Schattenreiche, wie den Aegyptern und Griechen der Wassermann im Thierkreise der Bewahrer und Verleiher des ewigen Wassers und Lebens. Der fortwandernden Seele wurde zugerufen: Gebe Osiris dir das kühle Wasser!

In den hier berührten Vorstellungskreis der blitzenden Gewitterwolken gehört der Pegasus, die leuchtende Donnerwolke, das geflügelte Donner- und Wolkenpferd, das Blitz- und Donnerross des Zeus, 2) welchem das acht-




1) Dunker, a. a. O., I. S. 72.
2) Alpina für 1860, S. 269.



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füssige 1) Ross Sleipnir, der SchneIlläufer, und das Wunschpferd 2) oder das Zauberpferd des Odhin, der Schimmel des wilden Jägers, - der Elephant Airâvana, Airâvata des Indra und das weisse Ross Kalenki des Wischnu, auch die Böke des Thôrr, die Schwäne und die Rinder des Apollo, die Rinder des Gerynoeus u. s. w. sich mehr oder weniger innig anschliessen. Das Pferd oder Ross, mag es nun einen Wagen ziehen oder einen Reiter tragen, der Stier, die Kuh, das Rind, der Widder und das Schaf, in der Mythologie welches Volkes sie auch erscheinen, dürfen, wenn nicht ausnahmslos, doch gewiss durchgängig auf die dunkeln oder lichten Wolken bezogen werden. Nach Layard, Niniveh and its Remains, S. 443 ist auch auf den ausgegrabenen assyrischen Denkmalen das geflügelte Pferd in derselben Weise aufgefunden worden, wie man den Pegasus bei den Griechen darstellte (winged horse Pegasus of the Greeks). - Namentlich auch bei dem Hermes , dem widdertragenden Hermes, welcher zum unmittelbaren Vorbilde der Darstellungen des christlichen göttlichen Hirten gedient hat, 3) ist der Widder, sowie auch im Culte des Zeus und der Athena, als Wolke zu deuten. 4) Da aber Hermes bei den Griechen die Seelen in das Todtenreich zu geleiten hatte oder Psychopompos war, dürfte im höhern und höchsten Sinne der widdertragende Hermes auch dahin gedeutet werden, dass er liebend, rettend und erlösend die Seelen der Menschen in das Himmelreich hinübertrage. 5) Ein solcher tragender, rettender und erlösender Hirte ist auch Christus. Christus dürfen wir als einen solchen Psychopompos um so eher auffassen, als die erste christliche Kirche nach den Darstellungen, welche auf Grablampen aus dem 3. und 4.




1) Menzel, Odin, S. 169 ff.
2) Die acht Füsse des Sleipnir deutet Furtwängler, die Idee des Todes, S. 34, auf die acht Tage, mit denen die Woche an Woche sich reihend das Jahr bewirkt, und bringt sie mit dem wunderbaren Ringe Odhins in Verbindung, von dem in jeder neunten Nacht acht Ringe abrollen.
3) Preller, griech. Mythologie, I. S. 265.
4) Preller, a. a. O., I. S. 248 oben.
5) Lajard, a. a. O., S. 338.



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Jahrhundert von dem christlichen Hirten erhalten sind, Christus selbst also aufgefasst zu haben scheint, indem sieben Schafe zu des Hirten Füssen ruhen und sieben Sterne, umgeben von der Sonne und dem Monde, über seinem Haupte glänzen. Es ist gewiss keine allzu gesuchte Deutung, dass die Schafe, die Gläubigen und die Gottergebenen, von Christus zu den Sternen emporgetragen werden. Eben deshalb erscheint auch dem Hirten zur Seite der Prophet Jonas, welcher nach drei Tagen aus dem Leibe des Haifisches wieder auferstanden ist, also gleichfalls die Unsterblichkeit verbürgt und symbolisirt. Der schwarze Adler, welcher dem Zeus den Nektar, den Blitz und den Ganymedes zuträgt, ist gleichfalls nur die dunkele oder schwarze Wolke; Ganymedes selbst ist zugleich diese Wolke. Dem schwarzen Adler des Zeus entsprechen die beiden Raben (auch Habichte oder Wölfe) Odhins, welche ihm auf den Schultern sitzen, die ihm in das Ohr flüstern und welche er jeden Tag aussendet, die Zeit zu erforschen. 1) Daher werden in Sagen auch dem Pabste zwei schneeweisse Tauben beigegeben, welche sich ihm auf die Schultern setzen und ihm Alles in das Ohr sagen, was er thun soll. Die schönste Erinnerung an die Raben Odhins findet sich in den deutschen Gedichten von König Oswald, der seinem Raben von zwölf Goldschmieden (den Asen) die Flügel mit Gold beschlagen lässt und ihn auf Liebeswerbung aussendet. 2) Odhin wurde von seinen Raben der Rabengott, der Rabenvater genannt und die schlimme Bedeutung des Rabenvaters; kann erst in Folge des eingeführten Christenthums durch die Verteufelung der heidnischen Gottheiten aufgekommen sein. - Die Aegis, welche Zeus und Athene als ihren starken und furchtbaren Schild tragen, sind gleichfalls das schreckenerregende Wolken- und Gewitterschild; das abgeschlagene Medusenhaupt 3) ist




1) Simrok, deutsche Mythologie, S. 212.
2) Simrok, a. a. O., S. 213.
3) Das Medusenhaupt möchte ein uraltes: orientalisches Symbol sein und kommt namentlich auf Java als das Gesicht des Civa in seiner furchtbaren Gestalt als Zerstörer und Vernichter alles Lebens vor, worüber Müller, über Alterthümer des ostindischen Archipels, Berlin 1859, S. 101, mit der dort davon gegebenen Abbildung zu vergleichen ist. Die jetzigen Javanen nennen das Monstrehaupt der Medusa Banaspati; mit aufgelösten Haaren und mit hervorragenden Augen grinzt es uns grässlich an.



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auch die dunkele und vom Blitze durchzuckte Gewitterwolke, mit welcher der allleuchtende und Alles erfreuende Sonnenheld Perseus sich verhüllend auch heute noch die Menschen zu erschrecken vermag. Die Schwanjungfern, Schwanritter und Schwanhemden der deutschen Mythologie und Sagen, selbst der Mantel des Faust (die Wolke) und die unsichtbar machende Tarnkappe (der Nebel) sind ebenfalls hierher zu beziehen. Mit der Tarnkappe verwandt ist der Hut, den Odhin trägt, indem auch dieser nur die umhüllenden und bergenden Wolken bezeichnet; ebenso der Helm des Hades, den Perseus bei dem Kampfe mit der Medusa auf dem Haupte trägt. 1) Viel zu weit in solchen Wolkendeutungen geht indessen Schwartz in seiner sonst sehr verdienstlichen und ansprechenden Schrift vom Ursprung der Mythologie. So versetzt Schwartz S. 173 und 210 das blühende Brautbett des Zeus und der Hera von der Erde in die Gewitterwolke und macht es zum Wolkenblumenbette; ebenso macht er S. 229 die Flora zur himmlischen Wolkenblumengöttin. In der ägyptischen Phönixsage ist nach Schwartz S. 216 die Anschauung des Gewittervogels enthalten, der sich im Gewitter verbrennt, aber auch neu entstehet, und dergleichen mehr.

Endlich gehört hierher der Wolken- und Gewitterhimmel als das ursprüngliche Todtenreich. 2) Der See, über welchen nach uralter Vorstellung die Seelen in das Todtenreich schiffen oder auch durch einen Fährmann Charon ( oder d. i. der blitzäugige, ) 3), den Hades Hermes, - den deutschen Odhin und die Valkyrien oder die späteren Engel, den Tod und den Teufel mit dem Pferdefusse, - den indischen Yama, - den etruskischen Todtengott dahin geleitet werden, war ursprünglich das Wolkenmeer, der Gewittersee. Die grie-




1) Furtwängler, die Idee des Todes, S. 70, Anm. 6; Preller, griech. Mythologie, I. S. 494.
2) Schwartz, a. a. O., S. 271 ff.
3) Alpina für 1860, S. 267.



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chischen Mören oder (Klôtho, die Spinnerin, Lachesis, die Losung, das Schicksalsloos, - und Atropos, die Unabwendbare), Kêren und Erinyen, - die römischen Parzen, nach Caesellius Vindex nämlich Nona , Decuma und Morta, 1) und die germanischen Nornen und Valkyren, die arischen Nakus und Drukhs, die altrussischen Nawje 2) sind die tödtenden Wolkengöttinnen, welche das Schicksal und den Tod bestimmen. 3) Von demselben Wortstamme, welcher den Bildungen Nacus, Nawje zu Grunde liegt, leitet sich das nordische Norn ab. Es ist die Wurzel Nak, sanskr. nac, lat. necare, wovon necs, griech. , goth. nahv-s, altn. nar, litth. nahwi sterben, nahwe Tod, nahwigs tödtlich, slay. nawiti morden. 4)

Die drei Nornen, welche auf keltischen Denkmälern als tria fata (Feen) sich finden, heissen Urdr, Verdandi, und Skuld, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Unter diesen drei Nornen schmieden die Vergangenheit und die Gegenwart die Lebensloose der Sterblichen zu, welche die Zukunft aufzunehmen bestimmt ist, d. h. aus den Thaten der Vergangenheit und Gegenwart gehen die Geschicke der Zukunft der Menschen hervor. 5) Spinnend vertheilte auch bei den Griechen und Römern die und die Parca, die Schicksals- und Todesgöttin, , das Schicksal in einem Faden aus Leinen, Wolle oder Haar an die Sterblichen. Darum hies , obwohl es ursprünglich die Gottheit, die Göttin, die Asa bezeichnete, das Schicksal und der Antheil, der Theil, das Lebens- und das Todtenlos, und genauer und schärfer aufgefasst, möchte die Göttin nur die Personification des letztern sein. , wovon , , lat. mors (der Tod) stammen, bedeutet vertheilen; der einem Jeden zugetheilte Theil des gesponnenen Fadens ist sein Antheil und Schicksal und zuletzt sein Tod, also und . Die Lebenslose, das Schicksal und der Tod werden von der vertheilenden Gottheit




1) Bachofen, Gräbersymbolik der Alten, S. 308 ff.
2) Mannhardt, germanische Mythen, S. 584.
3) Alpina für 1860, S. 262 ff.; Schwartz, a. a. O., S. 246.
4) J. Grimm, Diphtonge nach ausgefallenen Konsonanten, S. 189.
5) Mannhardt, germanische Mythen, S. 600.



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gesponnen, gewebt und geflochten; das Schicksal, ,oder , ist nur ein Faden, ein Strick, . 1) Die Nemesis der Orphiker ist gleichfalls nur die Vertheilerin des Schicksals von , ich vertheile. Auch ist wohl hierher zu beziehen die Artemis, insofern sie als die Göttin mit goldener Spindel bezeichnet wird, wie auch also die Leto, Amphitrite und die Nereïden bezeichnet werden und wie ähnlich in der deutschen Mythologie die himmlischen Spinnerinnen auftreten. Weberinnen sind auch die Sonnentochter Kirke und die ihr verwandte Kalypso, von denen es bei Homer heisst, dass sie singend, dass die Decke dröhnt, den grossen Webstuhl umwandeln, mit goldenem Webeschiff webend. Von ihrem singenden Weben heissen Kirke und Kalypso auch die tönenden Göttinnen. 2) Bauen, schmieden, weben, spinnen 3), singen und spielen sind die gleiche Thätigkeit der die Welt und die Menschheit mit ihren Geschicken schaffenden und bestimmenden Gottheit, der Götter und der Göttinnen; der Gott ist der Schöpfer, Baumeister, Schmied, Former und Bildner, die Göttin aber, die grosse Allmutter, .die Weberin und Spinnerin, die Sängerin, die Schicksalsflechterin, die Penelope, welche bei Nacht vernichtet, was sie bei Tag geflochten hat, wie die Nacht den Tag begräbt. Der Gott vertritt hier den Geist, das Ewige und Bleibende, die Göttin dagegen den Stoff, das Vergängliche und Wechselnde, den Untergang und Tod. Alle Erdgottheiten sind deshalb zugleich Todesgottheiten, denn alles geschaffene Irdische muss wieder vergehen, - die Erde ist die Wiege, aber auch das Grab alles Erdenlebens. Daher heisst es im orphischen Hymnus an die Persephone:

Leben und Tod bist du den Menschen, o Persephoneia, Bringst immer Alles hervor und raubst das Gegebene wieder.

In diesem Sinne sind namentlich auch die himmlischen .Sängerinnen und Tänzerinnen, die griechischen Musen und




1) Kanne, allgemeine Mythologie, S. 242; Welker, griech. Götterlehre, I. S. 183 ff.
2) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 245 u. 269.
3) Kanne, a. a. O., I. S. 241.



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Seirenen, die indischen Apsarasen und Gandharven, Kinnaras und Râgini's 1) - die deutschen Elfen und Nixen u. s. w. zu verstehen. 2)

Auch die lateinische Parca hat ihren Namen von partiri, pars; denn parcere, eigentlich genau eintheilen, sparen, schonen, hiess auch parsere, wie parsimonia beweiset. 3) Das Grundwort war par, wovon mit vorgesetztem s sparen. Ebenso gehören hierher die drei griechischen Horen, die Töchter der Themis, die Eunomia (Göttin der Gesetze), die Dike (Gerechtigkeit) und die Eirene (Friedensstifterin); sie sind die Schwestern der Moiren. Die Horen und die Moiren vereint spinnen nach der orphischen Darstellung, gleich den persischen Izeds, den Hantel der Gerechtigkeit, der vertheilenden und richtenden Nemesis. Dieser Mantel ist der Schleier, das Gewand der ägyptischen Neith im Tempel zu Sais, welchen noch kein Sterblicher aufgehoben hat, das Gewand der phönicischen Harmonia oder Khusartis, Thuro, Doto, welches Gewand die Göttin selbst in ihren Kammern gewebt haben sollte und worauf die Erde mit ihren Flüssen eingewirkt war, umgeben vom Okeanos, ringsum vom gestirnten Himmelsgewölbe umschlossen, 4) - das Gewand der griechischen Athene, der sternenbesetzte Mantel des Mithra und das Sternengewand des tyrischen Herakles oder Baal. Das Jahr, das stets wechselnde und gesponnene Kleid der Erde, heisst daher bei den Slaven der Rock, womit das deutsche Rock und Rocken, das hebräische rakam, erschaffen und Kleider flicken, zusammenhängt. Auch der mit Cherubimbildern bedeckte Vorhang von blauer und rother Seide, welcher in dem salomonischen Tempel die Bundeslade verhüllte, war wohl nur das Symbol des Gewandes des allmächtigen Schöpfers, des grossen Bildners und Webers, des Jehovah. Auch dieser Vorhang durfte nicht gehoben werden, wie der Schleier der Neith zu Sais. Die künstlich gewirkten oder Gewänder der Gottheiten, die Symbole des




1) Wollheim, Mythologie des alten Indien, :S. 134 ff.
2) Schwartz, a. a. O., S. 247 u. 250.
3) Kanne, a. a. O., S. 243.
4) Movers, die Phönicier, I. S. 109 u. 507 ff.



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Weltalls und der Schöpfung, bildeten einen Hauptschmuck der phönicischen Tempel und ihnen war ohne Zweifel der Schmuck, der Vorhang, sowie die Kleidung des Hohepriesters des salomonischen Tempels zunächst nachgebildet. Die Symbolik der Alten war in dieser Hinsicht allumfassend bis herab zu dem Materiale, aus welchem der Tempel und seine einzelnen Theile erbauet und hergestellt waren. Dabei sind zugleich die heiligen Zahlen 3, 5, 7 und 12 von dem bestimmendsten und durchgreifendsten Einflusse gewesen. Das Nähere in dieser Beziehung der Abhandlung über den salomonischen Tempel vorbehaltend, möge nur beispielsweise vorläufig hier angeführt werden, dass die im jüdischen Tempeldienste beim Gesange der Psalmen gebräuchliche Zither zehn und die dreieckig gestaltete Harfe zwölf Saiten hatte, das Letztere offenbar in Beziehung auf die zwölf Monate des Jahres oder zwölf Abtheilungen und Bilder des Thierkreises, wie darauf auch das Brustschild des Hohepriesters mit den zwölf Steinen und den Namen der zwölf Stämme, die zwölf Schaubrode und die zwölf Löwen des ehernen Meeres sich bezogen. Der siebenarmige Leuchter, wovon sich z. B. bei Semper, der Stil I. S. 404, eine Abbildung befindet, wies dagegen auf die sieben Tage der Woche und die sieben Planeten, auf die pythagoreische Harmonie der Sphären hin, wie das Halsband der phönicischen Harmonia, und die siebensaitige Lyra und die siebenlöcherische Flöte des griechischen Apollo. Auch dem Jehovah selbst werden in den alttestamentalischen Schriften zufolge Furtwängler, die Idee des Todes, S. 56, Anm. 6, sieben Augen beigelegt. Der symbolische Sinn und das symbolische Gefühl des Alterthums ist den Maurern grüsstentheils verloren gegangen und nur deshalb erscheinen mitunter die nicht genug verstandenen Formen entweder als todt oder gleichgültig, während es nur von Denen, welche die Formen gebrauchen, abhängt, sie zu verstehen und zu vergeistigen. In gewissem Sinne ist die Handwerksmaurerei im J. 1717 nicht abgeschafft, sondern zuerst eingeführt worden.